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Publishing in Motion: Leser sehen fern

Sandra Goetz, 23. Oktober 2008

Für die einen ist es ein teures Instrument zur Leserbindung, andere sehen, zumindest langfristig, ein rentables Geschäftsfeld. Wie auch immer die Einschätzung ausfällt, gemeinsam ist den Verlagshäusern eines: Sie wollen nicht mehr ohne Bewegtbilder auskommen. Ex-SPON-Chef Matthias Müller v. Blumencron hatte bereits vor zwei Jahren die Implementierung von Videos und den Auf- und Ausbau einer ständigen Produktion initiiert. Auch der Springer Verlag investiert kräftig in Richtung Web-TV bei Bild und Welt. Gruner+Jahr, für Schnellschüsse nicht bekannt,setzt nach etwas Bedenkzeit inzwischen mit geballter Kraft zur Aufholjagd an. Damit dies auch gelingt, verpflichtete der Verlag letztes Jahr den Journalist und TV-Mann Ralf Klassen als Leiter stern.de Digital TV.

Natürlich schauen viele Verlage auf die drei Schwergewichte, wenn es um das Thema Web-TV geht und so ist es auch kein Zufall, dass sich beim diesjährigen Karlsruher Medienkongress TV Komm. (12.-13. November) auch Abgeordnete aus den drei Häusern als Referenten einfinden. Zum Schwerpunktthema Verlags-TV kann der geneigte Interessent Matthias Ziemann (Spiegel), Bertram Gugel (Springer) oder Ralf Klassen (stern, G+J) lauschen. Fertige Lösungen zum Abkupfern sollte man nicht erwarten, weil es sie ganz schlicht nicht gibt, allerdings jede Menge wertvolle Hinweise für die eigene individuelle Contentstrategie.

Das Internetgeschäft wird für Verlage immer bedeutender, wenngleich auch die Berechenbarkeit des Mediums und seiner Nutzer den Verlagsstrategen schwer zu schaffen macht. Hierbei sind die Bewegtbildanwendungen sicher nur ein Puzzlestück im Gesamtwerk, wenn auch eines mit besonders viel Potenzial. Es vollzieht sich das, was lange angekündigt war, nämlich die Verschmelzung von Inhalten aus Internet und Fernsehen.

Ralf Klassen, sternTV

"Web-TV ist die nächste Medienrevolution", ist sich Ralf Klassen sicher. "Wir können noch gar nicht abschätzen, wohin uns das führen wird, und sind jeden Tag neu gefordert." Wie hoch aufgehängt das Thema Web-TV für G+J ist, zeigt sich daran, dass nicht nur Klassens Position neu geschaffen wurde, sondern gleich eine ganze Abteilung stern.de Digital TV mit vier weiteren festen Mitarbeitern.

Aber natürlich muss man differenzieren, Web-TV auf Verlags-Websites ist nicht IPTV und auch noch kein digitales Wohnzimmer-Fernsehen. Auch lassen sich die digitalen TV-Abteilungen von Gruner+Jahr, Springer und vielen anderen Verlagen nicht mit Spiegel TV vergleichen, einem der großen unabhängigen TV-Produzenten in Deutschland, der mit 250 Mitarbeitern in Hamburg, Berlin und Washington (auch) einen Massenmarkt bedient. Unter anderem regelmäßige Formate für RTL, SAT 1 und VOX unter seinem Label SPTV produziert. Dabei gestalten 30 SPTV-Mitarbeiter die Videos, Filme und Multimedia-Specials für Spiegel Online. 2007 lag der Output bei 4.000 Stück, der 2008 noch einmal übertroffen wird.

Es muss sich lohnen

Die Attraktivität eines Angebots für den Nutzer ist die eine Seite der Medaille, qualitativ hochwertige Produktionen lassen sich aber längerfristig nur über das Internet bereitstellen, wenn diese auch ihren Beitrag zur Monetarisierung des Angebots leisten. Die Refinanzierung der Inhalte dürfte auch beim Thema Web-TV die größte Herausforderung sein. Gibt es überhaupt Geschäftsmodelle neben der Werbevermarktung, was kostet Video, was muss es kosten, was darf es kosten? "Nach herrschender Meinung gar nix", so Matthias Ziemann, Geschäftsführender Leitender Redakteur Spiegel TV, der auf der TV Komm. in Karlsruhe einen Vortrag zum Thema "Video - teures Instrument zur Leserbindung oder rentables Geschäft" hält.

Kollege Klassen vom stern referiert über "Leser schauen fern - Video als Erfolgsfaktor für Printtitel". Dass Web-TV erfolgreich umgesetzt auf die Marke einzahlt, ist für stern.de schon jetzt eine kleine Success-Story, trotz Aufholjagd. Innerhalb von 12 Monaten hat die Minitruppe um Klassen zehn eigene Formate geschaffen, 1,2 Millionen Videoabrufe waren monatlich angepeilt, 1,6 Millionen haben sie erreicht und inzwischen nehmen sie die 2 Mio. Hürde. "Unser Businessplan sah den Break Even für 2010 vor. Wenn wir fleißig sind, erreichen wir diesen im Herbst nächsten Jahres." Dabei sah es laut Klassen das erste Halbjahr dieses Jahres nicht ganz so rosig aus, zumindest blieben die Werbekunden aus. "Es braucht einfach noch viel Überzeugungsarbeit von Vermarkter- und Agenturseite", so Klassen, der beobachtet hat, dass gar Media-Agenturen unsicher sind, ob Web-TV jetzt zu TV oder zu Online gehört. Unabhängig davon fehlen für die Bewegtbildvermarktung Branchenstandards. Noch. Bis zum Ende des Jahres ist das Web-TV-Inventar auf stern.de fast ausgebucht, freut sich Klassen. Eine Freude, die nicht von allen geteilt werden wird.

Video Ads - Top oder Flop?

Denn drei Viertel der deutschen Internetnutzer möchten selbst darüber bestimmen können, wann und ob sie im Internet ein Video-Ad sehen möchten, wie eine Studie von Advertising.com (heute Platform-A) im letzten Jahr ergab. Als negativ wird noch immer empfunden, dass die meisten Ads vor dem redaktionellen Video eingeblendet werden - ohne den Nutzer vorab darauf hinzuweisen. Auf Focus.de zeigen mittlerweile einige Video Ads als Erstbild an, wie lange diese laufen und wann der redaktionelle Inhalt zu sehen ist. Dabei hat in den meisten Fällen der Nutzer keine Möglichkeit das Video "vorzuspulen" oder auszuschalten. Die Steuerungselemente werden ausgeblendet und erscheinen erst, nachdem der Spot zu Ende ist. Freunde macht man sich damit nicht. Zumindest nicht auf den ersten Klick. Es sei denn, man nutzt die multimodalen Gestaltungsmöglichkeiten, schließlich kann ein gut gemachter Spot die beworbene Marke emotional aufladen und damit imagefördernd wirken. Voraussetzung ist jedoch, dass der Spot beim Betrachter auf Interesse stößt. In einer unterhaltungsorientierten Umgebung werden Video Ads sicherlich als weniger störend empfunden, vor allem dann, wenn die Ads selbst einen gewissen Unterhaltungswert haben.

Über den Autor/die Autorin:

Sandra Goetz ist seit 2006 als freie Autorin für ADZINE an Bord. Ihr Fokus liegt auf Interviews zu aktuellen Innovationsthemen im digital Media und Marketing. Außerdem schaut sie sich bei ihren Auslandsreisen immer wieder nach spannenden Geschichten aus der globalen Marketing-Welt um, Interviews inklusive. Seit 2016 verantwortet Sandra die ADZINE Entscheider-Serie.

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