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Blog-Communities erfreuen sich bei deutschen Internet-Usern zunehmender Beliebtheit. Dass in Weblogs nur Kochrezepte getauscht und Gedichte falsch zitiert werden, ist inzwischen ein Szenario vergangener Tage - für die Betreiber von Blog-Communities entwickelt sich das Bloggen möglicherweise zur Eier legenden Wollmilchsau, weil durch eine immer stärkere Passung von Inhalten und Werbeumfeldern die Plattformen für die Vermarktung attraktiver werden.

Zwei große Betreiber von Blog-Communities in Deutschland sind blog.de und Overblog, die den Bloggern jeweils Möglichkeiten bieten, kostenlos und unkompliziert eigene Blogs einzurichten, persönliche Profile zu erstellen sowie Foto-, Video- und Audiomaterial online zu veröffentlichen. User mit gemeinsamen Interessen können Blogs zu einem Themenschwerpunkt bündeln und den Blog - ähnlich einer Zeitschrift - regelmäßig in einer neuen Ausgabe veröffentlichen. Sämtliche Inhalte sind wahlweise für die Öffentlichkeit oder nur für spezielle Nutzergruppen einsehbar. Einerseits gilt - je professioneller das Angebot ist, desto mehr kommt es den Lesegewohnheiten entgegen; andererseits wird von Blogs Authentizität, Coolness und Unkonventionalität gefordert.

blog.de in Berlin ist Deutschlands reichweitenstärkste Blog-Community und eine führende Plattform für kostenfreie Online-Publikation. Mit drei Millionen Besuchern und knapp zehn Millionen Seitenaufrufen im Monat kann blog.de zumindest quantitativ belegen, warum Blog-Communities zu den Zugpferden des Web 2.0-Umfeldes zählen. Einer der beiden Geschäftsführer bei blog.de ist Vasco Sommer-Nunes, der sich täglich über bis zu 1000 Neuanmeldungen freut und das anhaltende und breite Interesse am Bloggen begrüßt.

Augenmaß

Die Tücken der Werbevermarktung von Blogs sind Sommer-Nunes selbstverständlich bewusst: "Blogger produzieren mit ihren eigenen Blogs selten so viel Reichweite, dass es für die Vermarktung Sinn macht. Auf der anderen Seite sind sie in ihrer individuellen Ausrichtung oft nicht bereit, Werbung zuzulassen - das ist also von verschiedenen Seiten her schwierig", beschreibt Sommer-Nunes die Problematik.

Anders als der französische Wettbewerber Overblog bietet blog.de seinen Werbekunden sogenannte Themenwochen an. Zuletzt hatte blog.de mit Nokia und mydays zwei Werbekunden akquiriert, die vor allem wegen der funktionierenden Multiplikation der Botschaft des Werbemittels in den Blogs sehr zufrieden waren. Während der Themenwochen zeigte sich der nachweisbare Werbeerfolg bereits durch die Wortnennungen der Werbekunden in den Blogs selbst, freut sich Sommer-Nunes. Bei Messungen während und nach der mydays-Themenwoche etwa konnte ein zehnfacher Zuwachs gegenüber der Messung vor der Themenwoche beobachtet werden. "Man muss Respekt vor dem personal space der Blogger haben, da kannst du nicht einfach Werbung draufknallen", weiß Sommer-Nunes die Bedingung zu würdigen, dass es die User sind, die den Content liefern, mit dem letztlich Geld verdient wird.

"Die Themenwochen sind fast partizipativ, kann man fast sagen - wir nehmen nur ein Wallpaper mit einem Thema des Werbekunden auf die Hauptseite, und der Blogger kann etwas zu dem Thema schreiben, muss er aber nicht, und die Blogs selbst bleiben werbefrei." Wird das Werbethema in den Blogs thematisiert und sind die Inhalte gefragt, kommen die Beiträge auf die Hauptseite, wo der meiste Traffic erzeugt wird, was allseits erwünscht sein dürfte: "Wir sind extrem happy damit!"

Die französische Variante

Overblog ist eine zweite große Blog-Community in Deutschland, eine Tochterfirma des französischen WAT Konzerns mit 700.000 Blogs. In Frankreich hat das Bloggen bei den Usern bereits einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Franzosen bloggen in beeindruckendem Umfang schon seit 2004 mit stetig signifikant wachsender Begeisterung. Damit trieben die Franzosen mustergültig die postmoderne Kultur des öffentlichen voyeuristischen Online-Gedankenaustauschs voran. Der Rest Europas mit Deutschland als Schlüsselmarkt soll nun folgen.

Mittlerweile sind bei Overblog weltweit bereits knapp 700.000 Blogs registriert und seit November 2007 nimmt die Community auch in Deutschland mit bereits einigen Tausend angemeldeten Blogs erfolgreich am Markt des kollektiven Tippens teil. Neben umfangreichen Softwarefunktionen für den eigenen Blog steht dem Blogger auf der Plattform ein Businessmodell zur Verfügung, um qua Textlink oder Bannerwerbung in Verknüpfung mit dem Blog Geld zu verdienen. Ab Februar haben Werbetreibende die Möglichkeit, bei Overblog auch innerhalb themenspezifischer Blogs und Channels Werbung zu platzieren.

Schwieriges Terrain

"User Generated Content" gilt in der Mediaplanung bekanntlich eher als schwieriges Umfeld, bestätigt auch Mario Grobholz, Country Manager bei Overblog, der allerdings auf das Web 2.0-Potenzial baut: "Wir glauben daran, dass der Content das zentrale Element wird. Die Werbung, wie sie heute noch stark online stattfindet, zum Beispiel Bannerwerbung, ist nicht mehr effizient. Werbung muss in Zukunft da geschaltet werden, wo sie auf einer persönlichen Ebene weitergetragen werden kann", betont Grobholz die Notwendigkeit einer stärkeren Passung des Contents zur Werbung. Overblog sieht sich in erster Line als technischer Anbieter einer Plattform, die den Bloggern bestmögliche Vertriebswege für ihren Content anbietet.

"Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den eigenen Blog in andere Communities zu integrieren, wie zum Beispiel Facebook. Wir unterstützen alles Erdenkliche, dass ich das, was ich als Blogger schreibe, beispielsweise über RSS-Feeds überall mit hinnehmen kann", so Grobholz.

Damit soll sichergestellt werden, dass User sich mit ihren Inhalten an beliebig vielen Orten im Internet und auch mit mobilen Medien bewegen können, denn ebenso wie die Blogger sind Werbetreibende vor allem auf Reichweite aus, und hier möchte Overblog helfend zur Seite stehen. "Der Content rückt damit noch mehr in den Mittelpunkt. Wir müssen es unseren Nutzern ermöglichen, diese Schnittstellen zu nutzen, weil es ja nicht unser Content ist, sondern seiner, mit dem er arbeiten möchte. Nichts ist schlimmer als ein geschlossenes System", mahnt Mario Grobholz.

Themen-Channels und externe Vermarktung

Um auch Werbetreibenden bestmöglichen Traffic innerhalb der Blogs zu liefern, muss der Blogger zuerst einen intern festgelegten kritischen "Blog-Rank" erreichen, das bedeutet, genügend Leser dauerhaft bei der Stange halten. Dadurch soll für den Werbekunden ein messbares Pensum an Reichweite und Qualität des Blogs sichergestellt werden, was sich dauerhaft auch an Zahlen belegen lässt. Die Umfeldattraktivität des Blogs wird durch objektivierbare Qualitätskriterien wie Besucheranzahl, Aktualisierung der Artikel und Sichtbarkeit respektive Format der platzierten Werbung ermittelt. Die relevanten Blogs sollen dann in die Hände eines etablierten Online-Vermarkters gegeben werden. Dieser wird die Blogtitel in seine themenspezifischen Channels, wie z.B. Auto, Sport, Musik, Lifestyle oder Wirtschaft, integrieren.

Welcher Vermarkter sich in Deutschland der Vermittlung von Overblog-Inventar an Werbekunden annehmen wird, ist noch in akuter Verhandlung. In Frankreich werden von den registrierten knapp 700.000 Blogs 10.000 durch die Vermarktungs-Unit des TV-Senders TF1 aktiv betreut.

Ob die "Over"-Blogger Werbung zulassen möchten, entscheiden sie selbst. Die Blog-Autoren schließen bei Interesse einen Vertrag mit Overblog, in dem Rechte und die Vermarktungszustimmung geregelt werden. Genehmigen die Betreiber Werbeschaltungen auf den eigenen Blogseiten, verdienen sie an den Vermarktungserlösen mit. Im Erfolgsfall können alle Beteiligten daran gewinnen.

Kontroverse bleibt

Kritiker werden aber wohl immer ein Haar in der Suppe finden. Wie z.B. bei der Blog-Aktion "Frische Texte für frische Autos" initiiert von Universal McCann für Opel. Vier Bloggern wurde in diesem Fall für einen Monat je ein Opel-Astra inklusive Tankgutschein zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung sollten Erfahrungsberichte in einem Internetforum die Leserschaft an den Fahreigenschaften teilhaben lassen. Von Kritikern der Kampagne wurde den Teilnehmenden bitter der Vorwurf der Käuflichkeit gemacht, dabei machte es den Opelfahrern nach eigenem Bekunden Spaß, die Tagebücher online zu schreiben. Nach den Vorhaltungen, Marionetten der Werbewirtschaft zu sein, traute sich aber keiner mehr so richtig, das auch in die Blogs zu schreiben, und damit war die Aktion auch schon mitsamt des zarten Sprosses der Aufbruchstimmung verbrannt.

Stärker als in den USA oder Frankreich fürchten deutsche Blogger um ihre Reputation durch Werbeschaltungen. Zudem verhalten sich Werbetreibende zögerlich, weil es an Planungssicherheit und belegbaren Return On Investment mangelt. Wenn es den Blog-Communities gelingt, die beidseitigen Vorbehalte langsam abzubauen, sind sie in jedem Fall die lachenden Dritten.

Über den Autor/die Autorin:

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