
Digital-Out-of-Home (DOOH) gilt derzeit als Wachstumsmotor für die Außenwerbung. Es punktet als reichweitenstarkes One-to-Many-Medium mit digitalen Steuerungsmöglichkeiten, insbesondere mit Blick auf Programmatic DOOH. Wie ist der Stellenwert von DOOH in den Mediaplänen, mit welchen Neuerungen kann es aufwarten und was gibt es noch zu tun für die Gattung? Wir haben im Vorfeld der ADZINE CONNECT in der Branche nachgefragt.
DOOH im heutigen Mediaplan

“Digital-Out-of-Home hat sich in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil moderner Mediaplanung entwickelt – sowohl im klassischen Kampagnenmix als auch im digitalen Kontext”, sagt Simon Hilkert, Expert Director OOH beim Agenturnetzwerk Publicis Media. “Während DOOH lange Zeit eher als Ergänzungsmedium im Rahmen von klassischen Plakat-Außenwerbekampagnen galt, nimmt DOOH heute eine strategisch bedeutende Rolle ein.” Die Einschätzung des Agenturfachmanns bestätigt sich auf Markenseite. So spielt DOOH auch beim Gebäckhersteller Bahlsen eine gewichtige Rolle im Mediaplan. “DOOH ist für mich nicht mehr ausschließlich ‘Nice to have’, sondern sollte besonders bei urbanen Zielgruppen, bei Launches und Awareness-Kampagnen Einzug in Mediapläne finden”, erklärt Carina Specht, Senior Media Manager von Bahlsen.

Die Gründe für den Aufstieg sind vielfältig. Die beiden Vertreter der Einkaufsseite nennen wachsende Reichweiten und Skalierbarkeit, urbane Touchpoints sowie die Möglichkeit, Botschaften flexibel, tageszeit-, orts- und „trigger“-abhängig auszusteuern. Letzteres kommt insbesondere bei programmatischer digitaler Außenwerbung (PDOOH) ins Spiel. Specht bekräftigt: “Durch programmatische Buchung und datenbasierte Targeting-Möglichkeiten rückt es näher an die digitalen Kanäle heran und wird dadurch für viele Werbetreibende attraktiver. Werbung kann jetzt nahezu in Echtzeit auf Basis von Zielgruppen, Wetter, Uhrzeit oder Standort ausgespielt werden – ganz ähnlich wie bei Online-Ads.” Darüber hinaus punkte PDOOH durch Synergie mit anderen Disziplinen wie Mobile, Social und TV-Werbung. Es biete kreative Möglichkeiten wie animierte Spots, dynamische Inhalte und interaktive Screens.
Die Digitalisierung der Flächen schreitet voran

Die steigende Reichweite ist sowohl auf die engere Vernetzung im programmatischen Ökosystem als auch die technische Umrüstung von Plakaten auf digitale Screens zurückzuführen. Die Einrichtung neuer Bildschirme schreitet ebenfalls voran. “Der Ausbau digitaler Out-of-Home-Flächen nimmt seit Jahren deutlich an Fahrt auf: Immer mehr analoge Werbeflächen werden digitalisiert, was die Ausspielung flexibler, dynamischer und zielgerichteter macht. Allein mit DOOH in Deutschland erreichen wir schon jetzt weit über 80 Prozent aller Über-14-Jährigen – und das in nur einer Woche”, erklärt Claudius von Soos, Director Media Sales & Programmatic vom Publisher und Vermarkter TV-Wartezimmer. Diese Reichweite entsteht in interessanten, zielgruppenspezifischen Werbeumfeldern. Von Soos nennt beispielhaft Bahnhöfe, Einkaufszentren, Innenstädte, Arztpraxen oder Fitnessstudios. Zuletzt seien insbesondere Supermärkte erschlossen worden.
Um der digitalen Außenwerbung mehr Gehör zu verschaffen, haben Vertreter der Werbegattung 2022 eigens einen Verband gegründet: das Institute for Digital Out of Home Media (IDOOH). Dessen Geschäftsführer Frank Goldberg präzisiert die Zahlen, die von Soos zur Reichweite nennt: “Sämtliche Digital-Out-of-Home-Screens in Deutschland erzielen pro Woche mehr als 1 Milliarde Bruttokontakte”, weiß Goldberg. “Derzeit stehen circa 111.000 DOOH-Flächen bundesweit in der Vermarktung, wobei rund 93 Prozent davon indoor, also innerhalb von öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen, und etwa 7 Prozent outdoor platziert sind.“ Deutschland sei einer der führenden DOOH-Märkte Europas. “2024 konnten die digitalen Werbeträger im öffentlichen Raum ihren Brutto-Werbeumsatz gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro steigern. Dies entspricht einem Anteil von 43 Prozent innerhalb der Außenwerbung beziehungsweise gut 10 Prozent Anteil am Gesamtwerbemarkt.” Einen bedeutenden Beitrag zu diesem Wachstum dürften die neuen Targeting-Möglichkeiten geleistet haben.
Datenpools und Targeting in (P)DOOH
Denn mit der “Programmatisierung” der Werbegattung ergeben sich spannende Optionen, um die Anzeigen auszusteuern, wie die Buy-Side bereits angedeutet hat. Claudius von Soos nennt konkret Geo-Targeting, zeitbasiertes Targeting, kontextuelles Targeting (Wetter, Pollenflug, Verkehrslage) und darauf basierend Dynamic Creative Optimization (DCO), um Werbemittel und Inhalte anzupassen. Stefan Benno Müller, Head of Sales DACH der Demand-Side-Plattform Displayce, fasst die Spielarten der Zielgruppenansprache zusammen: “Die Nutzung präziser geografischer, demografischer und Behaviour-Daten ermöglicht programmatisches DOOH, die Zielgruppenströme rund um jedes digitale Display zu verstehen und zu analysieren und somit relevantesten Standorte und Zeiten zu identifizieren, um eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen.”
Die Datentöpfe sind vielfältig, weiß von Soos: Retail-Standortdaten und Öffnungszeiten, POS-Triggering bei hoher Käuferfrequenz im Shop, Wetterdaten, Footfall-Daten über mobile Geräte oder Verfügbarkeiten und Real-Time Promotion für Produkte beispielsweise bei ablaufender Haltbarkeit. “Besonders spannend für DOOH sind dabei Retail-Daten: Mithilfe dieser Daten rund um Verkaufsstellen, Filialstandorte und -öffnungszeiten sowie kundenbezogenen Insights, etwa zu Käuferfrequenz und -verhalten, lässt sich Werbung exakt entlang der Customer Journey steuern. Retail-Daten in DOOH erlauben es beispielsweise, Kampagnen gezielt dort und dann auszuspielen, wo ein hoher Kaufimpuls besteht oder die Kundenfrequenz besonders hoch ist.“

Stefan Benno Müller wirft noch einen weiteren Datentopf mit ein: “Flughafendaten sind eine besonders wertvolle Möglichkeit für kontextualisierte DOOH-Kampagnen.” Sein Unternehmen selbst nutzt Echtzeit-Flughafendaten, um Kampagnen während der gesamten Reise der Reisenden automatisch zu aktivieren. “Botschaften werden anhand der Bewegungsströme der Zielgruppe ausgeliefert: bei der Ankunft, beim Abflug, in Transitbereichen oder in der Nähe des Gepäckbandes. In Deutschland ist dies derzeit schon an den Flughäfen Frankfurt und Hamburg möglich, aber natürlich ist das auch für globale Kampagnen an weiteren Flughäfen weltweit schon jetzt umsetzbar.”
An Wirkungsnachweisen wird gefeilt

Eine Herausforderung, mit der One-to-Many-Medien klassischerweise zu kämpfen haben, ist der Wirkungsnachweis. Der Bedarf nach einem aussagekräftigen Reporting wird besonders in wirtschaftlich angespannten Zeiten bei den Werbetreibenden größer. Sie müssen nachvollziehen und rechtfertigen können, welche konkreten Spuren ihr Werbebudget bei den Verbraucher:innen hinterlässt. Frank Goldberg vom IDOOH nennt eine Kombination aus Technologien, wissenschaftlichen Methoden und datengetriebenen Ansätzen, um dem Anspruch gerecht zu werden.
Zunächst helfen die klassischen Panels bei der Bewertung. “Awareness, Markenstatus und auch Intent lassen sich nach wie vor am besten in Panel-Befragungen messen”. Diese Befragungen können auch mit Geo-Trackingdaten kombiniert werden. “Dabei stimmen die befragten Panelteilnehmer einem Geotracking zu, wodurch sich die Wirkung auf zum Beispiel Markenstatus und Kaufbereitschaft differenziert nach Personen mit und ohne DOOH-Kontakt ermitteln lassen”, so Goldberg. Das ergebe insbesondere bei der Kombination von DOOH mit anderen digitalen Kanälen wie TV, Radio, Social Media oder auch Display-Werbung Sinn. Bei Drive-to-Store-Strategien kommt das Tracking in Kooperation mit Datenlieferanten ins Spiel, um etwa den Uplift von Store-Visits über die Menge an Smartphones zu messen, die innerhalb eines bestimmten Geofences gesehen werden.
Auch Point-of-Sales-Daten könnten helfen, den Wirkungsbeitrag zu bestimmen. Dafür ziehen die Händler einfach die Besucherzahlen oder Abverkaufszahlen in Geschäften zurate, die sich in der Nähe von DOOH-Screens befinden. Nicht zuletzt weist Goldberg auf neurowissenschaftliche Studien hin. “Innovative Ansätze wie EEG-Messungen (Elektroenzephalogramm) erlauben es, die Aufmerksamkeitszuwendung zu DOOH-Inhalten direkt zu erfassen. Solche Tests helfen nicht nur bei der Optimierung von Kampagnen, sondern liefern auch wissenschaftlich fundierte Belege für deren Wirkung”, ist er überzeugt.
Carina Specht von Bahlsen sieht an der Stelle ebenfalls weniger Probleme. “Dank mobiler Daten und Geo-Technologien lässt sich heute besser messen, welchen Einfluss DOOH zum Beispiel auf Store Visits oder Website-Traffic hat – ein wichtiger Schritt zur Integration in performanceorientierte Mediapläne.” Allerdings gebe es im Upper Funnel rund um Awareness-Metriken doch noch einiges zu tun, vor allem was einheitliche Währungen und Standards betrifft.
Technologische Baustellen in DOOH
Entsprechend listen die Experten und Expertinnen unisono verbesserte Messbarkeit und Standardisierung als Baustellen in der digitalen Außenwerbung, gerade hinsichtlich PDOOH. “Es besteht hier ein klarer Bedarf an harmonisierten Methodologien und standardisierten KPIs auf dem Markt”, meint Stefan Benno Müller von Displayce. “Dies ist ein entscheidender Schritt, um weiteres Vertrauen in dem Kanal aufzubauen, Budgetentscheidungen zu unterstützen und programmatisches DOOH als noch wichtigeren Hebel in Media-Strategien zu positionieren.”

So sind die größten Herausforderungen weniger technischer Natur, sondern eher in der fehlenden Vereinheitlichung im Markt zu finden, meint auch Laura Hentschel, Geschäftsleitung Programmatic & Digital Media der Spezialagentur It Works Group. Programmatische Außenwerbung sei längst kein Nischenprodukt mehr, doch die nötigen Standards, um diese Technologie effizient und transparent nutzen zu können, fehlen vielerorts noch. “Dringend notwendig ist eine branchenweite Standardisierung – beispielsweise in Bezug auf einheitliche Deal-Typ-Bezeichnungen der Anbieter oder die konsistente Struktur der Stammdaten, die über SSPs bereitgestellt werden. Solche Standards sind nicht nur für die technische Umsetzung essenziell, sondern auch für Kunden und Agenturen, die im Daily Business nicht auf PDOOH spezialisiert sind.” Ein echter Innovationssprung wäre ihrer Meinung nach zudem die Übermittlung und Nutzung von Echtzeitkontakten zur gezielten Ausspielung von Kampagnen.
PDOOH ist nicht immer die bessere Wahl

Doch die Stärken von PDOOH liegen auf der Hand – das erkennt auch der Markt, wie Holger Walsch, Geschäftsleiter der Mediaagentur Planus Media, weiß. “Der Aufstieg von PDOOH vollzieht sich komplett linear. Das ist bemerkenswert, weil Innovationen häufig eine Wachstumsdelle haben, das ‘Tal der Enttäuschung’”. Diese sei hier nicht erkennbar, weil einerseits die Technologie ausgereift und andererseits das Kundenpotential noch längst nicht ausgeschöpft ist. “Die Markt-Euphorie ist also verständlich, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jede Media-Entscheidung eine Einzelfallentscheidung ist. Sprich: Nur wenn ich nachweislich durch den Einsatz von Daten oder einer eventgetriggerten Motivaussteuerung – DCO – die Effektivität und Effizienz einer Kampagne erhöhe, ist der Einsatz von Programmatic auch gerechtfertigt.”
In die gleiche Kerbe schlägt Simon Hilkert von Publicis Media, der oft eine falsche Erwartungshaltung gegenüber programmatischem DOOH feststellt. “Auch wenn PDOOH neue Möglichkeiten wie dynamische Aussteuerung, datenbasierte Targetings und flexible Buchungen bietet, bleibt DOOH per Definition ein One-to-Many-Medium – maximal ein One-to-a-Few-Medium im urbanen Raum. Genau darin liegt auch seine Stärke.” Entsprechend profitiere nicht jede Kampagne von einer individualisierten Ausspielung. “Wir beobachten, dass PDOOH in manchen Fällen über-engineert wird – mit komplexen Logiken und Use Cases, die dem Medium nicht gerecht werden oder in keinem Verhältnis zur Reichweite stehen.” So kann eine klassische DOOH-Kampagne gerade im Hinblick auf Reichweite und Budgeteffizienz durchaus die bessere Wahl sein.
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