CTV-Werbung bei Joyn als Content- und Channel-Aggregator
André Gärisch, 14. April 2025
Die Öffnung der US-Streaming-Dienste für Werbung hat den Druck auf die deutschen Bewegtbild-Player erhöht. Wie sich RTL mit seiner Streaming-Plattform RTL+ in diesem Umfeld positioniert, erläuterte Frank Vogel bereits vor einigen Wochen bei Adzine. Nun gibt Michael Stix, Chief Sales Officer DACH bei Seven.One Media, spannende Einblicke in die Content-Strategie und Adtech-Lösungen von Joyn. Er spricht über die Bedeutung von FAST-Channels, unternehmensspezifische On-Demand-Channels und das Verhältnis zu den öffentlich-rechtlichen Sendern – einschließlich der Nutzung ihrer Inhalte.
ADZINE: Herr Stix, wie sehen die aktuellen Nutzerzahlen und der Erfolg auf dem Werbemarkt bei Joyn aus?
Michael Stix: Im Februar konnten wir mit 8,3 Millionen Nutzern im zweiten aufeinanderfolgenden Monat einen neuen Reichweitenrekord feiern – ein schönes Wachstum um 9,1 Prozent im Vergleich zum Januar. Auch die Watchtime ist im Februar um 17 Prozent gestiegen, was zeigt, dass Joyn immer intensiver genutzt wird. Besonders wichtig ist, dass wir auch im Werbemarkt wachsen. Die Werbekunden schätzen die hohe Umfeldqualität, die steigende Reichweite und das breite Angebot an Werbeformen.
ADZINE: Welche Content-Strategie verfolgen Sie, um Nutzer auf die Plattform zu locken?
Stix: Das Wichtigste vorneweg: Nahezu alle Inhalte sind auf der Plattform kostenlos verfügbar. Das unterscheidet Joyn von den Angeboten aller Wettbewerber. Zudem ist Joyn eine Aggregatorplattform. Das bedeutet, unsere Nutzer haben Zugriff auf rund 70 Live-TV-Sender, mehr als 150 Themen-Channels und über fünf Jahre Programm-Inhalte auf Abruf. Besonders erfolgreich auf Joyn sind Reality-Shows wie „Germany’s Next Topmodel“, „Promis unter Palmen“ oder „Reality Backpackers“ sowie fiktionale Inhalte wie „Die Landarztpraxis“ oder die „Navy CIS“-Reihe. Mit der neuen Strategy-Reality-Show „The Power“ sowie neuen Serien wie dem Joyn-Original „Frier & 50“ mit Anette Frier und der Pro-Sieben-Serie „The Cooking Academy“ bleiben wir diesen Genres treu. Auch Show-Highlights der Sendergruppe wie „Wer stiehlt mir die Show?“ oder „Promi Big Brother“ klettern regelmäßig an die Spitze der erfolgreichsten Joyn-Inhalte, weswegen wir diese natürlich weiterhin auf der Plattform zeigen werden.
ADZINE: Sie haben außerdem den Umfang an FAST-Channels in den letzten Jahren stark ausgebaut.
Stix: Das stimmt. Damit folgen wir nicht nur einem Markttrend, sondern begegnen auch dem klaren Bedürfnis unserer Zuschauer, sich direkt in eine komfortable Lean-Back-Nutzungssituation zu begeben und nicht erst lange nach einem konkreten Inhalt suchen zu müssen. Neben klassischen FAST-Channels bieten wir auch Themen-Channels zu unseren Formaten an, beispielsweise mit “Joko und Klaas” oder Serien-Klassikern. Der Vorteil dieser Channels ist, dass sie einerseits kuratierten Content bereitstellen, gleichzeitig aber auch ermöglichen, direkt bestimmte Inhalte anzuwählen.
ADZINE: Sie bieten seit kurzem auch On-Demand-Channels für Werbekunden an – mit Otto als erstem Kunden. Gemeinsam mit Marken wie Apple, Lego, Liebherr oder Melitta stellt der Retailer ausgewählte Produkte vor. Per QR-Code gelangen Kunden direkt zur Otto-Plattform. Welchen Mehrwert stiftet ein solcher Sender und worauf wurde bei der Umsetzung besonders geachtet?
Stix: Wir zeigen mit diesem First-Mover-Case, welche Möglichkeiten wir Marken künftig bieten können, sich im Streaming-Umfeld wirkungsvoll zu inszenieren. Werbetreibende können hierdurch ihren Branded Content gezielt und breitflächig in einem hochwertigen, reichweitenstarken Umfeld platzieren – und ihre Zielgruppen genau dort emotional erreichen, wo sie sich gerne aufhalten. Uns ist dabei besonders wichtig, dass sich die Inhalte nahtlos in Joyn integrieren – ohne störend zu wirken. Daher finden die Zuschauer den On-Demand-Channel direkt in der Programmübersicht bei den weiteren linearen Sendern und Channels. Das ist sowohl aus der Perspektive der Marke als auch der Nutzer essenziell.
ADZINE: Welche Vermarktungstechnologien kommen bei Joyn zum Einsatz und wie ist die Plattform in das programmatische Werbe-Ökosystem eingebunden?
Stix: Auf Joyn bieten wir sämtliche innovative Werbeformen an, die die Werbekunden auch aus dem TV kennen. Ein Beispiel ist unser Advanced-TV-Portfolio, das stark programmatisch getrieben ist. Mit „Total Video based on Cflight“ bieten wir ein Produkt, das sich an der TKP-basierten Abrechnung von Digital orientiert und so die beiden Welten lineares TV und Streaming verbindet. Damit sprechen wir Werbekunden an, die ihren Fokus auf Digital legen. Grundlage für diese Werbeprodukte bilden die Technologien unserer Adtech-Tochter Virtual Minds sowie unsere Cross-Device-Technologie, die es ermöglicht, Werbekampagnen über verschiedene Geräte und Mediengattungen hinweg auszusteuern. Auf der SSP-Seite setzen wir auf Yieldlab, und DSP-seitig haben wir alle marktrelevanten DSPs angebunden.
ADZINE: Welche Targetingpotenziale bieten Sie Ihren Werbekunden?
Stix: Wir bieten das komplette Portfolio: Neben der Buchung bestimmter Zeitschienen haben Kunden bei Audience TV die Möglichkeit, die Sender individuell auf ihre Zielgruppe abzustimmen. Beim Programmatic TV sind sowohl soziodemografische Zielgruppen als auch spezifische Themen buchbar. Zusätzlich können unsere Kunden KI-gestütztes Contextual Targeting anwenden.
ADZINE: Gibt es spezifische Prinzipien hinsichtlich des Zeitpunkts der Ausspielung oder der Länge der Werbeblöcke bei Joyn? Wie stellen Sie zudem eine optimale Frequenzsteuerung der Werbung sicher, auch plattformübergreifend?
Stix: Neben Pre-Rolls spielen in der Vermarktung auch Mid-Rolls eine bedeutende Rolle. Bei der Frequenz und Länge der Werbeblöcke passen wir den Ad-Load sowohl der Nachfrage als auch den Userbedürfnissen kontinuierlich und teils auch formatbezogen an. Dabei achten wir auf direktes Feedback in unserem Joyn-Forum, analysieren aber auch, welchen Impact Mid-Rolls auf die Nutzung einzelner Joyn-Inhalte haben und justieren sie entsprechend. Beim Frequency Capping stellen wir über unseren Cross-Device-Graphen sowie über unsere konvergenten Werbeprodukte eine optimale Kampagnen-Dosis sicher – innerhalb unseres eigenen Angebotskosmos.
ADZINE: Welche KPIs werden gemessen, und welche externen Partner sind in die Erfolgsmessung und -auswertung eingebunden?
Stix: Neben den standardmäßigen Reportings zu den erreichten Kontakten und der Transparenz über unsere Reichweiten auf Basis von AGF-Daten bieten wir Einblicke in individuelle Kampagnen. Unsere Research-Abteilung liefert dabei Insights und Reportings zur Werbewirkung, Werbeerinnerung und weiteren Aspekten. Auf diese Weise gewinnen wir gemeinsam mit unseren Kunden Erkenntnisse für zukünftige Kampagnen, um den Werbeerfolg weiter zu optimieren. Hier sehen wir uns auch in einer Beraterrolle.
ADZINE: Prosiebensat.1 und RTL haben 2024 eine Adtech-Kooperation beschlossen, um der Übermacht großer Streaming-Plattformen entgegenzuwirken. Welche Neuigkeiten gibt es hier?
Stix: Sowohl für den Werbemarkt als auch für uns als Konzern sind insbesondere bei den Vermarktungsangeboten die Themen Standardisierung und Konvergenz von großer Bedeutung – und damit auch die Zusammenarbeit mit relevanten Marktpartnern. Wie wichtig solche Initiativen sind, zeigt die Rolle von D-Force für den Markt und wie dieses Joint Venture von RTL und Prosiebensat.1 das Thema Addressable TV vorangebracht hat.
Gleichzeitig ist eine solche Zusammenarbeit im Adtech-Bereich natürlich komplex. Zuletzt sind wir einen Schritt mit dem Media Manager unserer Tochter Virtual Minds gegangen, der nun die lineare TV-Reichweite von RTL Deutschland programmatisch buchbar macht. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen, um die Partnerschaft auf eine neue Evolutionsstufe zu bringen. Zu gegebener Zeit werden Sie hierzu mehr hören.
ADZINE: Kürzlich haben Sie die Mediatheken von ARD und ZDF in Joyn integriert, was zu wochenlangen Streitigkeiten mit den Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Sender führte. Haben Werbekunden das Thema in Gesprächen mit Ihnen angesprochen? Welche Schlüsse haben Sie aus dieser Angelegenheit gezogen?
Stix: Ich möchte hier nicht ins Detail gehen und mich auf die vermarktbaren Inhalte auf Joyn konzentrieren. Daher hat es mich sehr gefreut, dass wir mit ARD Plus und ZDF Studios zu Beginn des Jahres einen umfassenden Content-Deal vereinbaren konnten. Dadurch haben wir nun auch Inhalte dieser beiden Töchter der öffentlich-rechtlichen Sender in unserem Vermarktungsangebot – von der „Lindenstraße“ bis zur „Küstenwache“. Im Kern ist auch das ein Beispiel unseres Ansatzes „Kooperation statt Konkurrenz“. Zudem haben wir konkrete Gespräche über eine zukünftige Zusammenarbeit mit den Öffentlich-Rechtlichen aufgenommen. Auch wenn wir davon überzeugt sind, die rechtliche Grundlage für die Einbindung der Mediatheken-Inhalte auf Joyn zu haben, sind wir mehr darauf bedacht, den Geist echter Kooperation zu leben.
ADZINE: Danke für das Interview.
Tech Finder Unternehmen im Artikel
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