Warum Diversität zu besseren Unternehmensentscheidungen führt
ADZINE Redaktion, 7. März 2025
Die Gleichstellung der Menschen ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Alle Branchen haben mit Blick auf Diversität ihre Hausaufgaben zu erledigen, doch insbesondere die Adtech-Welt sollte ein besonderes Interesse an Vielfalt in den eigenen Reihen haben. Denn Tech-Unternehmen sind nicht nur als männerdominiert verschrien, sondern auch auf Innovation im Eiltempo angewiesen – wobei Diversität Hilfestellung leisten kann, weiß Thomas Servatius von Smartclip. Zum Weltfrauentag spricht der Co-CEO der Technologieschmiede darüber, warum die Gleichstellung der Geschlechter eben nicht ausschließlich Frauen betrifft, sondern uns alle. Im Interview reflektiert er über den Einfluss von Frauen auf seine eigene berufliche Laufbahn als Führungskraft und inwiefern vielfältige Perspektiven Innovation und geschäftlichen Erfolg vorantreiben.

ADZINE: Thomas, wer sollte sich mit der Gleichstellung der Geschlechter beschäftigen?
Thomas Servatius: Geschlechtergleichheit ist kein reines Frauenthema, sondern betrifft uns alle. Auch wenn wir Fortschritte gemacht haben, bewegen wir uns leider noch immer in Strukturen und Unternehmenskulturen, die talentierte Frauen nicht immer aktiv fördern oder unterstützen.
Zu glauben, dass Gleichberechtigung bereits vollständig verwirklicht ist, bedeutet, bestehende Ungleichheiten zu übersehen – insbesondere wenn sie von Unternehmen zu Unternehmen oder von Branche zu Branche variieren. In manchen Sektoren sind die Hürden tief verwurzelt. Aber selbst in der Tech-Branche, in der wir uns oft als fortschrittlich betrachten, bestehen nach wie vor unbewusste Vorurteile.
ADZINE: Inwiefern können diese Ungleichgewichte das Innovationspotenzial einschränken?
Servatius: Aus Innovationssicht ist das ein ernsthaftes Problem. Sobald wir diverse Perspektiven ausschließen oder abwerten, schränken wir die Bandbreite an möglichen Ideen und kreativen Lösungen ein. Unternehmen können nur dann vorankommen, wenn sie verschiedene Standpunkte und Erfahrungen berücksichtigen – und das ist nur in einem Umfeld möglich, in dem alle Mitarbeitenden, unabhängig vom Geschlecht, dieselben Chancen haben, sich einzubringen und zu führen.
ADZINE: Kannst du konkrete Beispiele nennen, bei denen fehlende Geschlechtergleichstellung den Fortschritt oder die Innovation behindert hat?
Servatius: Eine der häufigsten, oft unbewussten Formen der Benachteiligung zeigt sich bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen. Oftmals zu beobachten ist die Zurückhaltung, eine frisch verheiratete Frau einzustellen, aus Angst, sie könnte bald in Elternzeit gehen. Ebenso sind negative Reaktionen, wenn eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft bekannt gibt, leider immer noch immer viel zu häufig. Diese tief verwurzelten Vorurteile führen letzten Endes dazu, dass qualifizierten Fachkräften Chancen verwehrt werden.
Ein weiteres Problem ist die mangelnde Bereitschaft, flexible Arbeitsmodelle anzubieten. Dies betrifft vor allem Frauen, die ihre Karriere oft in einem stärkeren Maße mit familiären Verpflichtungen und Care-Arbeit vereinbaren müssen. Viele hoch qualifizierte und erfahrene Frauen möchten arbeiten, benötigen dafür aber flexiblere Rahmenbedingungen. Unternehmen, die sich diesen Bedürfnissen nicht anpassen, verlieren Top-Talente – nicht, weil diese Frauen weniger fähig oder ambitioniert sind, sondern weil starre Strukturen es ihnen erschweren, ihre Kompetenzen voll einzubringen.
Diese Art von Vorurteilen – die ich "statistische Diskriminierung" nenne – schadet sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen. Sie führt dazu, dass Unternehmen außergewöhnliche Kandidaten übersehen, nur aufgrund ihres Geschlechts oder von Unterstellungen über ihr Privatleben. Langfristig sorgen diese ausgrenzenden Praktiken für ein Umfeld, in dem Vielfalt und Innovation leiden, weil die Unternehmen selbst ihren Talentpool einschränken und Perspektiven verpassen, die den Fortschritt vorantreiben könnten.
ADZINE: Wie haben diverse Perspektiven in deinem Berufsalltag zu kreativen Lösungen oder neuen Denkweisen geführt?
Servatius: Das erlebe ich jeden Tag. Vielfalt in der Denkweise ist kein gelegentlicher Vorteil – sie ist etwas, das ich ständig beobachte. Einige der talentiertesten und effektivsten Führungskräfte, mit denen ich zusammenarbeite, sind Frauen. Ihre Beiträge prägen den Erfolg unseres Unternehmens täglich. Es ist wichtig zu erkennen, dass Führungskompetenz nicht durch das Geschlecht definiert wird. Großartige Führungskräfte – ob männlich oder weiblich – bringen wertvolle Einblicke. Der größte Fehler, den ein Unternehmen machen kann, ist, Ideen aufgrund unterbewusster Vorurteile abzulehnen oder abzuwerten.
Ein besonderer Vorteil vielfältiger Teams liegt in der Bandbreite an Lösungsansätzen. Frauen begegnen Herausforderungen oft aus anderen Blickwinkeln als Männer – und weder die eine noch die andere Sichtweise allein reicht aus. Wenn wir nur eine Seite hören, riskieren wir, unseren Ansatz einzuengen. Erst durch den Austausch unterschiedlicher Perspektiven entstehen tiefere Diskussionen und innovativere Ergebnisse.
Ich sage nicht, dass von Frauen geführte Teams grundsätzlich besser sind, als von Männern geführte Teams oder umgekehrt. Was ich jedoch beobachtet habe, ist, dass homogenen Teams – egal ob ausschließlich männlich oder weiblich – oft die Bandbreite an Ideen fehlt, die gemischte Teams natürlicherweise bieten. Wahre Innovation passiert, wenn unterschiedliche Perspektiven sich gegenseitig herausfordern und ergänzen. Deshalb ist die Förderung von Vielfalt nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern ein strategischer Vorteil.
ADZINE: Inwiefern haben die Beiträge von Frauen auf verschiedenen Ebenen nicht nur die Unternehmenskultur, sondern auch den Geschäftserfolg beeinflusst?
Servatius: Diverse Führung hilft uns, bessere, umfassendere Entscheidungen zu treffen. Die weiblichen Führungskräfte in meinem Team bringen oft andere Perspektiven ein, die mich dazu bringen, kritischer zu denken. Diese Vielfalt im Denken führt zu besseren Ergebnissen.
Frauen haben in unserem Unternehmen entscheidend zur Entwicklung unserer Unternehmenskultur beigetragen. Ich bin besonders stolz auf die Initiativen, die wir in Bezug auf Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion umgesetzt haben – viele davon wären ohne das Engagement der weiblichen Führungskräfte nicht entstanden. Die enge Zusammenarbeit mit weiblichen Führungskräften hat meinen Blickwinkel erweitert. Es ist nicht so, dass ich vorher nicht an diese Werte geglaubt hätte, aber ohne ihren Nachdruck hätte ich sie möglicherweise nicht gleichermaßen priorisiert. Im Laufe der Zeit habe ich verstanden, wie wichtig es ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Menschen wirklich wertgeschätzt, unterstützt und integriert fühlen.
Diese Ideen haben nicht nur unsere Firmenkultur verbessert; sie haben uns insgesamt zu einem stärkeren Unternehmen gemacht. Ein Arbeitsplatz, an dem sich Menschen zugehörig fühlen, ist einer, an dem sie bestmöglich arbeiten können. Als Führungskraft habe ich gelernt, wie wichtig es ist, diese Dinge zu priorisieren. Ein Unternehmen zu schaffen, in dem die Menschen wirklich gerne arbeiten, ist nicht nur gut für die Moral – es ist gut fürs Geschäft. Und ich verdanke einen Großteil dieses Perspektivwechsels den weiblichen Führungskräften, mit denen ich gearbeitet habe.
ADZINE: Welchen Rat würdest du schließlich männlichen Führungskräften geben, die Frauen in ihren Unternehmen unterstützen wollen?
Servatius: Ich habe mit Sicherheit nicht alle Antworten – ich lerne auch ständig dazu. Aber ich kann drei klare Punkte anbieten, mit denen männliche Führungskräfte Frauen am Arbeitsplatz unterstützen können.
Erstens müssen männliche Führungskräfte eine klare Haltung einnehmen, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das für alle sicher, respektvoll und inklusiv ist. Frauen sollten niemals unprofessionelles Verhalten ertragen oder sich aufgrund ihres Geschlechts unwohl fühlen müssen. Das bedeutet, verbindliche, nicht verhandelbare Standards und Grenzen zu setzen – wo Respekt die Norm ist und jede Form von Belästigung mit Nulltoleranz begegnet wird. Als Führungskräfte müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen und sicherstellen, dass unser eigenes Verhalten diese Werte widerspiegelt, und dass alle Bedenken nicht nur ernst genommen, sondern umgehend angegangen werden.
Darüber hinaus ist es unsere Verantwortung, geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bezahlung anzusprechen. Führungskräfte müssen proaktiv Vergütungsstrukturen überprüfen, um Gleichheit zu gewährleisten. Bezahlung sollte auf Fähigkeiten, Mitwirkung und Leistung basieren – nicht auf Geschlecht, Karrierelücken durch Elternzeit oder überholten Annahmen über langfristige Karriereplanung. Lohngerechtigkeit ist nicht nur eine Frage der Fairness; es geht darum, Fähigkeiten anzuerkennen und ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Mitarbeitenden wertgeschätzt fühlen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass sichergestellt wird, wichtigen Lebensereignissen – wie Schwangerschaft oder Elternschaft – mit Unterstützung statt mit Besorgnis zu begegnen. Sollte eine Frau in unserem Unternehmen jemals zögern, ihre Schwangerschaft bekanntzugeben, aus Angst ihrer Karriere zu schaden, wäre das ein klares Zeichen dafür, dass wir als Führungskräfte versagt haben, eine vertrauensvolle und sichere Unternehmenskultur zu schaffen. Niemand sollte sich wegen etwas Sorgen machen, das eigentlich gefeiert werden sollte. Stattdessen sollten Führungskräfte proaktiv Unterstützung anbieten – sei es durch flexible Arbeitsmodelle oder einfach durch die Zusicherung, dass die berufliche Laufbahn auf Kurs bleibt.
Ganz grundlegend: Wenn Sie einen Arbeitsplatz schaffen, an dem Frauen wirklich unterstützt werden, verbessern Sie nicht nur das Arbeitsleben einzelner Mitarbeitender, Sie stärken die gesamte Organisation.
ADZINE: Danke für das Interview!
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