
Ich war vor meiner Arbeit für Google und Adobe Teil der Content-Supply-Chain, lange bevor es den Begriff gab. Mein Team produzierte jährlich knapp 200 Filme für die digitale Markenkommunikation eines Premium-Automobilherstellers. Das war vor dem Aufkommen von Short Form Video, dem Content-Hunger von Social Networks. Der Content Creator war noch nicht erfunden und Performance Marketing war Nerdkram in den Kinderschuhen. Doch alle diese Dinge zeichneten sich für den ambitionierten Marketer schon am Horizont ab. Media und Kanäle waren das Problem von „anderen Abteilungen“.
200 Filme von echten Produktionsteams sind teuer. Und sie beinhalten mindestens drei Konzepte und mehrere Schnittvarianten und Approvals, bis ein Film freigelassen wird. Der Endgegner übte sich damals wie heute in zwei Disziplinen: Brand Compliance und „Produktsicherheit“, eine Art technische Rechtsabteilung, die Aussagen auf ihre Verklagbarkeit abklopfte. Der natürliche Fress-Feind eines Werbetexters.
Die Marketing-Welt hat sich dramatisch verändert: Zehnmal oder gar hundertmal mehr Content ist keine Seltenheit. Das moderne Marketing bespielt mehr Kanäle, mehr Formate, granularere Kundensegmente, mit schnelldrehenderen Inhalten.
Kunden wünschen sich vermehrt eine personalisierte Ansprache, die gezielt auf ihre Bedürfnisse eingeht. Laut einem Bericht von Medaillia zum Stand der CX-Personalisierung 2024 jedoch bewerteten lediglich 24 Prozent der CX-Praktiker ihre Personalisierungsbemühungen als hochgradig personalisiert.
Woran liegt das also? An den rentenreifen Mittvierzigern in den Marketing-Sesseln? Vermutlich nicht, eher an dem Dreiklang aus: Kosten, Prozessen und Systemen. Welche Strategien sollte man also für sein Unternehmen erkunden, um zum CX-Champion zu werden?
1. Content-Management zentralisieren
Content kostet Geld. Assets die fragmentiert abgelegt sind, werden nicht gefunden, können nicht weiterverwertet und zwischen Dienstleistern und verschiedenen Weltregionen geteilt werden und kommen oft mit einer unklaren Nutzungsrechtelage. Dazu kommt die sogenannte Toggle Tax: geschätzte 9 Prozent der Jahresarbeitszeit eines Knowledge Workers geht laut einer HBR-Studie verloren, weil Mitarbeiter zwischen Systemen hin und her wechseln müssen, um Daten von A nach B zu schieben.
Die Zusammenführung aller Content-Repositorys ermöglicht Kreativen und Marketer, alle relevanten Inhalte an einem zentralen Ort zu bündeln. Eine gut strukturierte zentrale Content-Datenbank eröffnet Teams, jederzeit auf aktuelle und markenkonsistente Inhalte zuzugreifen und redundante Arbeiten zu verkürzen:
- Aktualität: Inhalte können in Echtzeit aktualisiert werden, so hat jeder Zugriff auf die neueste Version.
- Markenkonsistenz: Durch zentralisierte Steuerung und Freigabeprozesse entspricht Content immer konsequent den Markenrichtlinien. “Template-isierung” erlaubt das schnelle Erstellen innerhalb klarer Leitplanken.
- Effizienz: Kreative Teams können schnell und einfach auf benötigte Ressourcen zugreifen, ohne lange nach Inhalten suchen zu müssen. Das verkürzt die Produktionszeit und steigert die Effizienz.
2. Datengrundlage schaffen
Eine klare Datenstrategie ist die Grundlage für die Erstellung personalisierter Marketing-Inhalte. Relevante Datenpunkte auf Asset, Journey und Kundenebene (z. B. Kaufhistorie, Interaktionen auf der Website, Social-Media-Aktivitäten) werden automatisiert gesammelt und analysiert. Eine Customer Data Platform (CDP) konsolidiert das Kundenwissen, bereinigt fehlerhafte Einträge und verbindet Datenpunkte aus verschiedenen Unternehmensprozessen, um eine zuverlässige Datenbasis zu erhalten. Das reichert einerseits die Kundenprofile für eine immer bessere, relevante 1:1-Kommunikation an, gleichzeitig baut man unternehmensweites Asset-Wissen auf, mit dem schneller, kostengünstiger und teilautomatisiert immer bessere Inhalte kreiert werden können – was wiederum die Customer Acquisition Cost (CAC) senkt und den Return on Ad Spend (ROAS) maximiert.
3. Contextual-Analyse nutzen
Kleine Anpassungen haben große Auswirkungen – vom Wording einzelner Buttons, dem Optimieren von Headlines bis hin zum Schnitt von visuellen Inhalten.
„Right Time, Right Person“ sind seit zehn Jahren gelöste Probleme, lediglich bei „Right Message“ war viel händische, langwierige Arbeit erforderlich, die sich zumeist auf Copy-Variationen im Performance Advertising beschränkte. Der immer wieder bewiesene ROI einer gelebten Testing- und Personalisierungskultur war einfach für viele Unternehmen ressourcentechnisch nicht darstellbar.
Genau das ändert sich durch KI gerade. Automatisiertes, KI-basiertes Mix Modelling sorgt für ungeahnte Media-Effizienzen. Semantische Inhaltsanalysen entschlüsseln nicht nur, ob ein Asset performt, sondern auf Asset-Attribut-Ebene (z.B. Farben, Motiv, Bildstimmung, etc.), was genau daran funktioniert – und in Kombination mit welchem Kanal und welcher Zielgruppe. In diesen Kernkompetenzen der KI lassen sich enorme Effizienzen heben.
4. AI-Powered Production
Während es in der Content-Produktion weiterhin an Empathie für den Kunden und klaren Guidelines, Checks und Approvals bedarf, kann KI hier die mühevolle „Lauferei“ abnehmen. Doch im aktuellen KI-Hype wird oft an der falschen Stelle angesetzt: Keine Marke will ihre physischen Produkte generieren lassen. Die Daten sind entweder als hervorragende CAD-Modelle oder hochwertige, wiederverwertbare Produkt-Shots vorhanden. Ein Auto aus dem KI-Zufallsgenerator ruft die Produktsicherheit schneller in die Inbox als Sie „KI“ sagen können.
Aber: Generative Modelle lassen sich hervorragend auf die Markenwelt und den “Tone of Voice” trainieren – oder günstiger – referenzieren. Das KI-basierte Generieren von etwa Hintergründen hilft beim Erstellen von verschiedenen Bannerformaten: eine Arbeit, die niemand jemals gerne gemacht hat und die zu 80 Prozent automatisiert werden kann. Ein KI-Brand-Checker kontrolliert im Hintergrund für jede neue Version und Variation die Markenkonsistenz, gibt Verbesserungsvorschläge und hilft so Abstimmungsschleifen zu verkürzen. So kann gleichzeitig schneller, agiler und ressourcenschonender gearbeitet werden.
Bonuspunkt: Barrierefreiheit
Ein anderer Aspekt, der gerne vernachlässigt wird, ist das Thema Barrierefreiheit: Rund 95 Prozent der untersuchten Top-1-Millionen-Webseiten wiesen auf ihren Startseiten feststellbare WCAG-Konformitätsfehler nach den Standards des World Wide Web auf. Laut der CDC haben 27 Prozent der Erwachsenen, also etwa jeder vierte, eine Behinderung (Quelle: Acquia). Dabei sprechen wir laut WHO hier von 1,3 Milliarden Menschen, das sind 16 Prozent der Weltbevölkerung, die mit einer erheblichen Behinderung leben.
KI kann hier ebenfalls automatisiert unterstützen und für eine riesige Anzahl von Nutzern einen Unterschied machen. Inhalte optimieren, Screen-Reader-kompatible Texte und Verschlagwortung erstellen und mit Sprach-Synthese Inhalte vorlesen lassen – all diese Arbeitsschritte, die verbesserte Barrierefreiheit ermöglichen, lassen sich durch die KI mit deutlich weniger Ressourcen umsetzen. Und trägt damit dazu bei, dass das Thema seltener unter den Tisch fällt.
Tech Finder Unternehmen im Artikel
EVENT-TIPP ADZINE Live - Mobile Advertising im In-App-Kosmos am 27. März 2025, 11:00 Uhr - 12:30 Uhr
In diesem ADZINE LIVE Webinar möchten wir insbesondere den In-App Kosmos für Werbung unter die Lupe nehmen. Wie sieht das Angebot aus und wie gestaltet sich der Zugang, insbesondere über die programmatische Infrastruktur? Wie steht es mit der Sicherstellung der Umfeldqualität und Brand Safety? Measurement und Attribution sowie auch Pricing stehen selbstverständlich ebenso auf der Agenda. Jetzt anmelden!