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RETAIL MEDIA

Retail-Datenpartnerschaften als Rettungsanker für heimische Medien?

Anton Priebe, 14. Februar 2025
Bild: Engin Akyurt – Unsplash

Retail Media wird aktuell gehypt – und das hat durchaus seinen Grund, meint Daniel Knapp, Chefökonom des IAB Europe. Auf dem Online Ad Summit am Vortag der Dmexco trafen sich rund 300 Gäste, um über Responsible Media und Responsible Advertising sowie Digitalwerbung “Made in Germany” zu diskutieren. Daniel Knapp zeichnete eingangs ein Bild der globalen Werbelandschaft und richtete einen Appell an die deutschen Publishing- und Adtech-Vertreter:innen. Der Tenor: Verantwortungsvolles Werben im Blick zu haben, ist essentiell. Dabei dürfen aber nicht die Bedürfnisse der Advertiser vergessen werden – und diese haben sich grundlegend verändert.

Der Anfang von Knapps Vortrag gestaltet sich düster, denn wir leben in Zeiten einer Polykrise. Die Auswirkungen, die aus Krisen wie dem Klimawandel, dem Krieg in der Ukraine und der Coronapandemie folgen, machen sich unter anderem wirtschaftlich in Gestalt der Inflation oder auch in der politischen Landschaft bemerkbar. Die Werbeinvestitionen begaben sich in den vergangenen Jahren in der Folge auf Berg- und Talfahrt. Wachsen konnten in dieser schwierigen Gemengelage insbesondere die Gattungen Retail Media, Social und die digitale Außenwerbung. Audio, der kleinste dieser Werbemärkte, blühte ebenfalls auf. Connected TV (CTV) zieht daneben zumindest auf globaler Ebene die Werbedollars auf sich.

Die Prioritäten der CMOs verlagern sich

Dass vor allem Retail Media stark zugelegt hat und noch immer immenses Wachstumspotenzial verspricht, ist kein Zufall. Laut Knapp ist dafür vor allem der extreme Fokus auf messbare Ergebnisse verantwortlich. “Outcomes” lautet das Zauberwort, das die CMOs der globalen Konzerne umtreibt. Das Marketing soll noch engmaschiger mit den Verkäufen verknüpft werden. Möglich macht diese Ausrichtung unter anderem die tiefe Integration des datengetriebenen Marketings in den allgemeinen Tech-Stack der Unternehmen.

Auf der Liste der Konzerne mit den größten Werbeausgaben finden sich heute viele junge Player wie Amazon, Google oder Alibaba, die das Marketingdenken umgekrempelt haben und mit einer bisher nie dagewesenen Intensität auf die Resultate ihrer Werbeinvestitionen schauen. Das müssen sie unter anderem tun, weil es schwieriger wird, ihre fantastische Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Denn der steigende Reifegrad der Digitalwerbemärkte erfordert mehr Anstrengung, um weiter zu wachsen. Mit Performance-Orientiertheit kann man unter diesen Voraussetzungen wenig falsch machen, so zumindest die Annahme vieler Werbetreibender.

Partnerschaften der Superlative – hierzulande weitgehend Fehlanzeige

Auf der Suche nach Werbemaßnahmen mit eindeutig messbaren Ergebnissen werden die Marken mit den dicksten Portemonnaies in der traditionellen Medienlandschaft kaum fündig. Während die Investitionen in digitale Werbekanäle generell seit vielen Jahren munter ansteigen, haben “Content Media”, also Anbieter redaktioneller Inhalte, dementsprechend das Nachsehen. Sie können die Wirkung ihrer Umfelder jenseits von Media-Metriken auf das unmittelbare Geschäftswachstum des Werbekunden nur schwer nachweisen.

Auch wenn Brand-Investment in einer vom Performancedenken charakterisierten Welt unterinvestiert sein mag, empfiehlt Daniel Knapp deutschen Publishern und Adtech-Anbietern in der Hinsicht einen Blick nach Übersee. Dort gehen die großen Player systematisch Partnerschaften mit den Retailern ein, um ihre Daten für das Marketing nutzbar zu machen – sowohl für das Targeting als auch für die Wirkungsmessung. Dies betrifft nicht nur den Streaming-Sektor, beispielsweise mit der Zusammenarbeit zwischen Best Buy und Roku. Es entstehen auch Kooperationen zwischen Amazon und Snapchat, Walgreens und Meta oder Walmart und Tiktok. Darüber hinaus schmiedet die Adtech-Branche Allianzen. So arbeitet zum Beispiel The Trade Desk ebenfalls mit Walgreens und Walmart zusammen. In Deutschland wäre eine solche Partnerschaft im Bereich Adtech beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen The Trade Desk und der Schwarz-Gruppe rund um Lidl und Kaufland.

In den heimischen Gefilden setzen Publisher indes meist noch immer auf Masse statt Klasse bei der programmatischen Vermarktung. Im Schnitt haben europäische Publisher 61 Supply-Side-Plattformen integriert, um die Nachfrage komplett abzuschöpfen. Dabei sind viel eher tiefere Partnerschaften notwendig, um Werbetreibenden in dieser neuen Welt das zu bieten, was sie suchen, meint Knapp. Die Veränderungen, die mit dem Schwinden des Third-Party-Cookies einhergehen, können Publisher Chancen eröffnen, sich neu aufzustellen. Wer das nicht tut und seinen Betrag zu Outcomes nicht deutlich aufzeigen kann, wird wohl bald nicht mehr von steigenden Werbebudgets profitieren. Dabei sind eben diese elementar, um eine gesunde Medienlandschaft aufrechtzuerhalten.

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