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Das Glücksspiel existiert seit tausenden von Jahren und die Aussicht auf Gewinne fasziniert die Menschen noch heute. Es sind unzählige Varianten rund um Würfel- oder Kartenspiele entstanden, wobei es wohl kaum ein Casino auf der Welt ohne den Spielautomaten geben dürfte. Die Maschine, die mittlerweile auch Einzug in Kneipen und Imbisse gefunden hat, wurde bereits zur Zeit des Wilden Westens erfunden und war damals als "Einarmiger Bandit" verschrien. Heutzutage findet sich eine Adaption der "Slot Machines" sogar online wieder. Doch die Glücksspielindustrie gilt weithin als anrüchig. Die Werbung für Online-Spielotheken ist für viele nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich ein heikles Thema, denn sie unterliegt wie das Glücksspiel selbst strengen Auflagen. Jan Mehlhose von der Marketingagentur Cnqr scheut die Herausforderungen rund um die Glücksspielwerbung nicht. Der Berater kann nicht nachvollziehen, warum andere Agenturen nur hinter vorgehaltener Hand darüber sprechen, obwohl sie gute Einnahmen damit generieren. Im Interview spricht Mehlhose über die Schwierigkeiten für Werbeagenturen in diesem regulierten Markt und berichtet von einer aktuellen Kampagne für einen Online-Spielotheken-Affiliate, der erstmals im TV präsent ist.

ADZINE: Ihr setzt unter anderem Bewegtbild-Kampagnen für Dienstleister aus dem Glücksspielsegment um. Dieser Bereich ist in Deutschland stark reguliert. Wann und wo dürfen Anzeigen ausgespielt werden?
Jan Mehlhose: Analoge und digitale Bewegtbild-Werbung für die iGaming-Branche – so der international gebräuchliche Begriff – darf ausschließlich zwischen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr ausgespielt werden. Keine Sekunde früher und keine Sekunde später. Das stellt aus Performance-Sicht natürlich eine Einschränkung dar, da wichtige Primetime-Zeiten entfallen. Deshalb muss der Spot zu 100 Prozent sitzen, um die gewünschte Wirkung bei der Zielgruppe zu entfalten.
Es ist schon vorgekommen, dass TV-Sender Spots versehentlich einige Minuten zu früh ausgestrahlt haben. Das wird von den zuständigen Behörden sowie von Wettbewerbern streng überwacht. In solchen Fällen liegt die Verantwortung jedoch nicht bei der Agentur oder dem Anbieter, weshalb bislang auch keine Sanktionen verhängt wurden.
Bei den Kanälen gibt es hingegen keine Einschränkungen – alles ist möglich. Einzig Out-of-Home-Kampagnen stehen vor der Herausforderung, dass eine zeitlich eingeschränkte Schaltung nur schwer umsetzbar ist. Daher verzichten viele Anbieter auf klassische OOH-Werbung und setzen stattdessen auf Digital-Out-of-Home, da hier die Ausspielung gezielt auf die erlaubten Zeitfenster begrenzt werden kann.
ADZINE: Welche weiteren rechtlichen Auflagen sind damit verbunden? Welche Herausforderungen bringt die Regulierung bei der Planung und Umsetzung von Werbekampagnen mit sich?
Mehlhose: Sämtliche Aspekte einer Kampagne – von der zeitlichen Buchung bis zur kreativen Gestaltung – unterliegen gesetzlichen Vorgaben, die unbedingt eingehalten werden müssen und diverse Prüfungen durchlaufen. Um auf Nummer sicher zu gehen, ziehen wir regelmäßig unsere Legal-Partner hinzu. Auch unsere Kunden arbeiten mit spezialisierten Anwälten, und zusätzlich überprüfen TV-Sender sowie Behörden, ob alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.
So muss in jeder Kampagne beispielsweise ein deutlich sichtbarer Hinweis enthalten sein, dass die Teilnahme erst ab 18 Jahren erlaubt ist und Glücksspiel süchtig machen kann. Außerdem darf die Werbung weder übermäßig glückliche Menschen zeigen noch Bargeld oder Gewinne visuell hervorheben. Sie darf auch nicht den Eindruck erwecken, dass Glücksspiel finanzielle Vorteile bringt. Es gibt eine Vielzahl von Vorgaben – alle aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen.
ADZINE: Kürzlich startete unter eurer Federführung eine TV-Kampagne in Deutschland für einen in Rumänien ansässigen Affiliate aus der Glücksspielindustrie, der sich auf Online-Spielotheken konzentriert. Wie funktioniert das Affiliate-Geschäft im Glücksspiel?
Mehlhose: Genau. Vielleicht ein Satz vorweg zu Rumänien: Der Gründer und CEO des Unternehmens, ist Schweizer. Um in Deutschland aktiv werden zu können, benötigte er eine EU-Firma. Für ihn bot Rumänien die besten steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen – daher fiel seine Standortwahl auf dieses Land. Viele iGaming-Anbieter haben ihren Firmensitz außerhalb Deutschlands, etwa in Großbritannien, Irland, Malta oder Zypern. Das ist in der Branche gang und gäbe.
Affiliates im Glücksspielbereich betreiben Vergleichsseiten und verdienen durch Provisionen pro vermitteltem Spieler. Während im Ausland oft Revenue-Share-Modelle mit bis zu 50 Prozent Gewinnbeteiligung existieren, sind in Deutschland nur Cost-per-Acquisition-(CPA)-Modelle erlaubt. Hier erhalten Affiliates einen festen Betrag pro Neukunde, in der Regel etwa 100 Euro pro Abschluss.
ADZINE: Welche Besonderheiten brachte diese Kampagne mit sich, und warum fiel die Wahl auf TV als Medium?
Mehlhose: Das Besondere an der Kampagne ist, dass das Unternehmen als erster Affiliate in diesem Segment TV-Werbung nutzt. Andere Affiliates meiden diesen Kanal und setzen ausschließlich auf SEO, weil TV-Kampagnen hohe Investitionen erfordern und viele nicht bereit sind, in Vorleistung auf noch zu erwirtschaftende CPA-Einnahmen zu gehen.
Die Entscheidung für TV fiel auch, weil wir bei Cnqr als auch der Werbetreibende selbst über langjährige Erfahrung im Aushandeln von TV-Mediadeals verfügen und attraktive Konditionen erzielen können. So bringen wir auch Anbieter ins Fernsehen, die dies aus eigener Kraft nicht stemmen könnten oder möchten. Die erzielten Rabatte geben wir direkt an die Kunden weiter – wir erheben lediglich ein Handling Fee.
In der aktuell laufenden TV-Kampagne setzen wir voll auf Performance und konzentrieren uns ausschließlich auf Werbung in Spartensendern wie Volksmusik TV oder Dokusat. Die Partner des Affiliates werden in 20-sekündigen Spots jeweils mehrere Sekunden lang prominent in Szene gesetzt. Ab Q2 fahren wir in den Kampagnen den Fokus auf Brand hoch. Dazu werden die Spots dann auch auf den Prosiebensat.1-Sendern ausgestrahlt.
ADZINE: Du hast SEO als Hauptinstrument für die Affiliates angesprochen. Zahlt die TV-Kampagne auch auf Erfolge in den Suchergebnissen ein?
Mehlhose: TV-Werbung wirkt als Katalysator für organischen Traffic. Nutzer, die einen Spot sehen, suchen oft nach dem beworbenen Anbieter auf Google. Das steigert die Markenbekanntheit, erhöht den Traffic und verbessert langfristig die SEO-Rankings. Der volle Effekt zeigt sich jedoch erst nach mehreren Monaten.
ADZINE: Gibt es vergleichbare Branchen mit ähnlich strengen Werberegulierungen?
Mehlhose: Alkohol- und Tabakwerbung unterliegt ebenfalls strengen gesetzlichen Auflagen. Allerdings haben wir bisher keine Erfahrungen mit TV-Kampagnen in diesen Bereichen gesammelt.
ADZINE: Marken legen großen Wert auf Brand Safety und vermeiden jegliche Assoziation mit Glücksspiel. Ist das für euch als Agentur kein Problem?
Mehlhose: Unsere Agentur ist auf regulierte Werbemärkte spezialisiert – wir sind beispielsweise auch im Pharma-Bereich tätig. Da unsere Kunden sämtliche gesetzlichen Vorgaben erfüllen, sehen wir keine Risiken für unsere eigene Marke. Wir stehen zu unseren Kunden und unserer Arbeit und sprechen auch offen darüber.
Ich finde es ehrlich gesagt eher befremdlich, dass viele Agenturen, die mit iGaming-Anbietern arbeiten und damit gute Einnahmen generieren, sich davor scheuen, dies öffentlich zu kommunizieren.
ADZINE: Spielsucht ist ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem. Das aktuell im TV werbende Affiliate-Unternehmen betont, dass es ausschließlich legale und lizenzierte Anbieter bewirbt. Reicht das aus, um die Werbung moralisch zu rechtfertigen?
Mehlhose: Glücksspiel ist ein streng regulierter Markt mit klaren Regeln. Transparenz und Ehrlichkeit sind hier besonders wichtig. Alle beworbenen Anbieter sind lizenziert und unterliegen strengen Vorgaben, insbesondere in Bezug auf Spielerschutz und verantwortungsbewusstes Spielen.
Darüber hinaus enthalten alle Werbemaßnahmen deutliche Hinweise auf die Risiken von Spielsucht. Im Gegensatz zu anderen Branchen, die ihre Praktiken nicht selten hinter wohlklingenden Marketingversprechen verbergen, geht die Glücksspielindustrie offen mit ihren Rahmenbedingungen um. Es gibt keine versteckten Fußnoten. Verbraucher wissen, dass Gewinnchancen klar definiert sind und Glücksspiel in erster Linie der Unterhaltung dient. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und setzen auf eine ehrliche Kommunikation – ohne irreführende Versprechen.
ADZINE: Danke für das Interview, Jan!
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