Personalisierung in 2025 – Herausforderung für Mensch und Maschine
Karsten Zunke, 7. Januar 2025Verbraucher:innen sind mit einer Flut von Informationen und Werbung konfrontiert: Personalisierung ist daher ein Grundpfeiler erfolgreicher Werbekampagnen, um aus der Masse an Botschaften herauszustechen. Das gilt sowohl für die Ansprache von Bestands- als auch von Neukunden. Die Umsetzung ist für Marketer jedoch nicht trivial: die Datenschutzanforderungen steigen, technische Restriktionen erschweren die individuelle Ansprache und die Tech-Setups werden komplexer. ADZINE hat sich in der Adtech- und Martech-Szene umgehört, welche Anforderungen das Marketing heutzutage an Personalisierungstechnologien stellt und welche Entwicklungen rund um die Individualisierung der persönlichen Ansprache zu erwarten sind.
Es war ein bemerkenswertes Hin-und-Her, das in den vergangenen Jahren rund um die Third-Party-Cookies veranstaltet wurde. Das Ergebnis ist mittlerweile bekannt: Google duldet die Kekse weiterhin in seinem Chrome-Browser – doch bei den Werbetreibenden hat längst ein Umdenken eingesetzt. „Die Bedeutung von First- und Zero-Party-Daten für Personalized Ads wird weiter steigen. Da Third-Party-Daten immer stärker eingeschränkt werden, müssen Brands auf ihre eigenen Daten über ihre Kunden zurückgreifen“, sagt Bastian Hagmaier, SVP Services EMEA bei SAP Emarsys.
Der Wert eigener Daten steigt
Wenn Marken auf die eigenen Daten zurückgreifen, lässt sich sicherstellen, dass ihre Werbebotschaften daraufhin kanalübergreifend abgestimmt werden können. Das ist auch der Grund, warum man bei SAP Emarsys ein zunehmendes Interesse seiner Kunden an Taktiken wie Progressive Profiling sieht. Dabei werden Informationen über Kunden und Kundinnen langfristig nach und nach gesammelt, anstatt alle Daten kurzfristig auf einmal abzufragen. So können Unternehmen weitere Erkenntnisse über ihre Kunden gewinnen, die sich wiederum für die Segmentierung, das Targeting und die Personalisierung nutzen lassen. „Außerdem wird es immer wichtiger, die Kunden über die richtigen Kanäle anzusprechen, also dort, wo sie am liebsten kommunizieren und wo sie ihre Zeit verbringen“, sagt Hagmaier.
Aus diesem Grund setzt Emarsys weiterhin auf die Integration von Werbepartnern, wie beispielsweise die kürzliche Integration von Linkedin Ads für das Targeting von Unternehmen zeigt. Zudem forciert das Unternehmen seine Partnerschaften – zum Beispiel mit Criteo –, um Verbraucher:innen über andere Werbeplattformen anzusprechen, auf denen Marketer Produkt- und Content-Informationen über ihre Kunden und Kundinnen nutzen können, um ihre Werbung besser auszurichten.
Neue Kanäle, alte Silos
„Wir sehen, dass Marketer verwandte Channels zu Ads auf dem Radar haben, wo sie schneller und personalisierter agieren können, wie beispielsweise Web-Push“, erläutert Hagmaier eine weitere, aktuelle Entwicklung. In diesem Kanal können Advertiser alle Vorteile von First-Party-Daten nutzen, um schnell personalisierte Nachrichten zu generieren und in Form eines Pop-ups auf den Bildschirm zu senden. So beobachtete man bei SAP Emarsys, dass während des Black-Friday- und Cyber-Monday-Wochenendes Web-Push um 60 Prozent mehr zum Einsatz kam.
Soll Personalisierung auch jenseits von Display-Ads umgesetzt werden, stellt dies entsprechende Anforderungen an den Tech-Stack – insbesondere, was die Erfassung der Daten betrifft. Wenn jeder Kanal in seinen Silo reportet, wird es kniffelig. Und selbst bei einem Kanal sind Silo-Strukturen aufgrund unterschiedlicher Tools schneller entstanden als manchem Marketer lieb sein dürfte. Die Daten siloübergreifend zugänglich zu machen, ist eine Hauptaufgabe für das Marketing, auch in diesem noch jungen Jahr 2025.
Insights aus heterogenen Datenquellen gewinnen
„Der Druck, fragmentierte Toolsets mit kostspieligen Überschneidungen zu konsolidieren, wird weiter steigen“, ist auch Exactag-COO Stephan Koch überzeugt. Dem Experten zufolge zeichnet sich eine klare Bewegung hin zu gut verzahnten Plattformen ab, die lose Enden zusammenführen, wobei jedes Tool seine spezifische Stärke und einen klaren Fokus einbringt. „Eine zentrale Herausforderung wird die Analyse von Customer Journeys ohne Third-Party-Cookies bleiben“, so Koch. „Systeme, die Insights aus immer heterogeneren Datenquellen extrahieren, müssen nicht nur zuverlässig und präzise arbeiten, sondern diese Erkenntnisse in Echtzeit an Adserver, CDPs und andere ausspielende Systeme weitergeben.“
Genau hier liegt nach Ansicht von Koch der Schlüssel: Die ausspielenden Systeme müssen diese Insights nahtlos integrieren und für KI-gesteuerte Optimierungen nutzen – effizient, automatisiert und dynamisch. „Denn der wahre 'Happy Path' im Toolset entsteht nicht nur durch funktionelle Integration, sondern vor allem durch die wertstiftende Nutzung der gesammelten Daten“, so der Fachmann.
First-Party-ID-Graphen als eigenständige Komponente im Tech-Stack
Eine weitere Baustelle für die Personalisierung sind die Datenschutzansprüche und technischen Restriktionen, die neue Lösungen erfordern. Ein Trend ist in diesem Zusammenhang der Aufbau von First-Party-ID-Graphen als eigenständige Komponente im Tech-Stack. „Um eine präzise, datenschutzkonforme Zielgruppenansprache zu ermöglichen, kommen deterministische statt probabilistischer Verfahren zum Einsatz. Zudem gewinnt Echtzeitverarbeitung an Bedeutung, indem IDs direkt genutzt werden, statt sie nachträglich im Data Warehouse zu ‚stitchen‘“, erklärt Dirk Rohweder, COO und Co-Founder von Teavaro.
Externe ID-Anbieter wie Utiq bieten datenschutzkonforme Alternativen zu Third-Party-Cookies, die laut Rohweder leicht in die eigenen ID-Graphen integriert werden können. Auf diese Weise lasse sich Personalisierung im offenen Web auch in Zukunft gewährleisten. Er weist in diesem Zusammenhang ebenfalls auf den Wert der eigenen Daten hin, die wiederum technisch sauber erhoben werden müssen. „First-Party-Datenstrategien sind essenziell, um Kundenerwartungen hinsichtlich Personalisierung zu erfüllen“, sagt Rohweder. Viele Advertiser stehen jedoch vor der Herausforderung, passende Infrastrukturen zu implementieren, um ihre Kundendaten konsistent zu integrieren. Technisch hapert es dem Experten zufolge oft daran, dass Verhaltensdaten aus dem Web und Daten aus dem CRM wegen fehlender personenbezogener Identifier im Web nicht zusammengebracht werden können.
Consent Management für Personalisierung essenziell
Die datenschutzrechtliche Perspektive ist jedoch noch komplexer und mündet in einer Binsenweisheit: Wer seine Marketingmaßnahmen in Zukunft erfolgreich personalisieren will, kommt nicht drumherum, Nutzer:innen in den Mittelpunkt zu stellen. Denn ohne deren ausdrückliche Zustimmung dürfen ihre Daten nicht für Marketingzwecke verwendet werden. „Bei Nutzern und Nutzerinnen beobachten wir im Umgang mit dem Thema Datenschutz zwei gegensätzliche Tendenzen: Die einen agieren zunehmend genervt oder desinteressiert, zum Beispiel bei der Interaktion mit Cookie-Bannern, während die anderen mehr Bewusstsein für das Thema Datenverarbeitung und Interesse für ihre Datenschutzrechte entwickeln“, erläutert Tilman Harmeling, Senior Expert Privacy bei Usercentrics.
Für Marketingverantwortliche wird es daher immer wichtiger, beide Gruppen anzusprechen. „Sie müssen nicht nur eine klare Datenschutzstrategie entwickeln, sondern auch sicherstellen, dass ihre Consent-Management-Lösung (CMP) für beide Zielgruppen funktioniert – sowohl für die Desinteressierten als auch für die Datenschutzbewussten“, betont Harmeling. Dabei gehe es nicht mehr allein darum, hohe Einwilligungsraten zu erzielen, zudem müssen die bereitgestellten Informationen klar, verständlich und gut zugänglich sein. Er empfiehlt, den Cookie-Banner auch mal Kollegen aus anderen Teams zu zeigen, um objektives Feedback zur Verständlichkeit zu erhalten.
Privacy Enhancing Computation Techniques entpersonalisieren riskante Datenflüsse
Gleichzeitig beobachte man bei Usercentrics einen Trend, der „Datenzentrierung“. Dabei liegt der Fokus auf der Minimierung von Datenschutzrisiken im Umgang mit personenbezogenen Daten. „Ziel ist es, diese Risiken entweder zu eliminieren oder zumindest wesentlich zu reduzieren. Dies wird durch sogenannte Privacy Enhancing Computation Techniques, PECTs ermöglicht, die personalisierte und damit riskante Datenflüsse entpersonalisieren oder zumindest begrenzt personalisieren“, erläutert Harmeling. Diese Techniken können dem Experten zufolge zum Beispiel in Verbindung mit Server-Side-Tagging-Lösungen eingesetzt werden. „Durch das Verwalten von Tracking-Tags auf der Serverseite anstatt auf der Clientseite erhalten Unternehmen eine bessere Kontrolle über ihre Daten und reduzieren gleichzeitig die Datenschutzrisiken“, so Harmeling. Das Ergebnis: Weniger sensible Daten werden an Dritte weitergegeben. Das erleichtert es Unternehmen, Datenschutzvorgaben einzuhalten.
Interaktive Werbeformate als Alternative und Ergänzung
Einen etwas anderen Blick auf die Entwicklung in Sachen Personalisierung hat man bei Cptr. Hier geht man davon aus, dass personalisierte Werbung für Einzelpersonen an Relevanz verlieren wird, da rechtliche Einschränkungen nicht einfach durch technische Lösungen überwunden werden können. „Wir glauben indessen an die Kraft interaktiver Werbeformate, welche Produkte und Dienstleistungen erlebbar machen und die Nutzer aktiv einbinden. Diese bleiben länger in Erinnerung und steigern die Werbewirksamkeit nachhaltig“, sagt Sandro Albin, CEO und Co-Founder bei Cptr. Seiner Einschätzung nach kann personalisierte Werbung mit allen Maßnahmen zwar noch eine genügend hohe Reichweite erzielen, um Werbekampagnen erfolgreich umzusetzen. „Der Aufwand, eine solche Kampagne durchzuführen, ist aber enorm gestiegen“, so Albin.
Dieser erhöhte Aufwand bei gleichzeitig tieferer potenzieller Reichweite führt seiner Meinung nach dazu, dass die personalisierte Ansprache nur noch einen Teil einer Kampagne abbildet. „Der größere Teil der Kampagne muss aber ohne Personalisierung ausgeliefert werden. Für diesen Teil macht es Sinn, beispielsweise über Engagement Advertising, eine andere Form der Optimierung der Auslieferung zu implementieren“, sagt Albin. Auf diese Weise wird die Kampagnenauslieferung anhand des generierten Engagements im Werbemittel selbst oder auf der Landingpage stetig optimiert und dadurch die Wirkung der Kampagne noch während der Kampagne laufend verbessert.
Somit zeigt sich: Die Weiterentwicklung der personalisierten Werbung gestaltet sich ebenso vielfältig, wie die Anforderungen, die daran gestellt werden. Wenn es um Personalisierung der Werbemaßnahmen geht, werden First-Party-Daten, neue Kanäle, verzahnte Plattformen, ID-Graphen, Consent-Management und serverseitiges Tracking auch in 2025 wichtige Themen bleiben. Alternativ ergeben sich Möglichkeiten abseits der Personalisierung, um die Auslieferung der Werbung zu optimieren.
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