Allerhand Mythen ranken sich um die Zahl Sieben. Angefangen beim zerbrochenen Spiegel („Sieben Jahre Pech“) bis hin zu den Konjunkturzyklen („sieben fette Jahre, sieben magere Jahre“). Auch für Connected TV (CTV) hat die Zahl eine Bedeutung: Vor sieben Jahren diagnostizierten Experten noch, CTV verbreite sich zu langsam. Heute, Anfang 2025, wird „Connected TV gerade zu einem der meistgenutzten Werbekanäle”. ADZINE schreibt sogar von CTV als „aufstrebendem Star“. Zu euphorisch? Ich glaube, nein. Ein Ende des Aufschwungs ist noch nicht abzusehen.
Wir haben sogar jetzt die Chance, auf eine Sonderkonjunktur zu steuern. Dafür gibt es drei maßgebliche Gründe.
1. Das sogenannte Nebenkostenprivileg ist weggefallen.
Seit Juli 2024 dürfen Vermieter die Kosten für den Kabelanschluss nicht mehr als Teil der Betriebskosten auf ihre Mieter umlegen. Diese können nun frei entscheiden, ob sie einen Kabelnetzbetreiber wählen oder auf alternative TV-Empfangswege wie Internet-TV umsteigen. Für CTV bedeutet das einen kräftigen Nachfrage-Schub, weil viele Nutzer modernere Empfangsarten wählen.
2. Youtube-Werbung wird dank der Werbeforscher von Nielsen auf CTV messbar.
Das hat Signalwirkung und zeigt: Nicht lineares, internetbasiertes Fernsehen ist kein Rand-Phänomen, sondern inzwischen Mainstream. Die Big Player mischen mit.
3. Strategische Partnerschaften zeigen, dass immer mehr Schnittstellen zwischen der TV-Gattung und dem digitalen Ökosystem entstehen.
Alte Grenzen fallen, der Markt wird durchlässiger. Nicht verwunderlich also, dass sich die Branche von Connected TV sehr viel verspricht. Statt aktuell 384 Millionen soll CTV im Jahr 2029 bis zu 466 Millionen Euro allein in Deutschland mit Werbung umsetzen.
Fünf CTV-Hürden, die wir überspringen müssen
Klingt alles zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch. Denn die technischen Möglichkeiten und die Potenziale mögen gegeben sein, häufig fehlt es jedoch an Know-how bei Werbungtreibenden und Agenturen.
Aus meiner Erfahrung sind dies die häufigsten fünf Knackpunkte:
1. Unklare Ziele und falsche Zielgruppenansprache
Viele CTV-Kampagnen scheitern, weil die Ziele nicht klar festgelegt sind. Ob Markenbekanntheit, Leads oder Conversions – Ziele müssen klar definiert und das Targeting präzise sein. Grundlage dafür sind First-Party-Daten und Echtzeit-Analysen. Demografisches, Verhaltens- und kontextbasiertes Targeting sind entscheidend, um die richtige Zielgruppe zu erreichen.
2. Zu lange Spot-Formate: CTV ist eine eigene Gattung
CTV ist nicht „Vom Winde verweht“: Mehr noch als bei den klassischen TV-Spots zählt hier wirklich jede Sekunde – zu lange Spots führen zu Abbrüchen. 15-Sekunden-Spots fesseln die Aufmerksamkeit am besten. Das Branding sollte dabei von Anfang an sichtbar sein. Die Inhalte müssen mit Kampagnenzielen und Markenbotschaft übereinstimmen. Eigentlich ein No-Brainer: In der Praxis wird immer noch versucht, epische TV-Filmchen zu adaptieren. Aber: CTV ist eine eigene Gattung. Sie hat unterschiedliche Formate wie Pre-Roll, Mid-Roll oder Post-Roll. Über 30 Sekunden sollte kein Spot sein.
3. Ohne Tests kein Erfolg: Optimieren statt blindes Vertrauen
Werbung ist Kreativität. Und da schwingt immer Intuition und Bauchgefühl mit. Aber spätestens beim Schalten der Kampagne geht nichts über das Testen. A/B-Tests und Brand-Uplift-Messungen in Echtzeit helfen, erfolgreiche Kampagnenmotive zu identifizieren. Am besten man hat verschiedene Spotversionen in petto. Durch kontinuierliche Anpassungen lässt sich die Werbewirkung steigern.
4. Falsches technologisches Set-up: Besser ein einheitliches digitales Ökosystem wählen
Kampagnenumsetzung, Targeting, Messung etc. erfordern unterschiedliche Tools, die idealerweise auf einer Plattform gebündelt sind. Durch die Verknüpfung von CTV mit den First-Party-Echtzeitdaten lässt sich dieselbe Zielgruppe, die auch in einer Online-Digitalkampagne angesprochen wird, auf CTV erneut adressieren. So entsteht ein einheitliches digitales Ökosystem. Werbungtreibende und Agenturen können ihre Video-, Native und Display-Markenkampagnen auf Connected TV nahtlos planen, aktivieren und messen.
5. Fehlende Messung: Kampagnenerfolg bleibt im Dunkeln
Viele nutzen die Möglichkeiten von CTV nicht aus, um den Kampagnenerfolg in Echtzeit zu messen. Brand Uplift und Webseiten-Traffic sind wichtige KPIs, um die Wirkung von CTV-Kampagne nachzuweisen. Mit Tracking-Pixeln und detaillierten Analysen lässt sich genau ermitteln, wie einzelne Zielgruppen auf Kampagnen reagieren und wie sich dies auf die Conversion-Rate auswirkt. Das lohnt sich.
Fazit
CTV wird sich als neuer Wirkungskanal im Media-Mix etablieren und mittelfristig das klassische lineare Fernsehen weitgehend ablösen. Noch ist der Markt für CTV-Inventar stark fragmentiert und wenig standardisiert: Produkte werden über verschiedene SSPs und DSPs angeboten. Deshalb brauchen wir plattformübergreifende Standards für die Kategorisierung von Inhalten oder ACR (Automatic Content Recognition).
Aber schon jetzt werden neue technologische Möglichkeiten entwickelt, die sich positiv für Connected TV auswirken werden. So wird bei der Server Side Ad Insertion (SSAI) Werbung direkt auf Server-Ebene in einen Videostream integriert – und nicht mehr auf dem Endgerät des Nutzers. Damit wird der gesamte Inhalt (Content + Werbung) als ein einziger, durchgängiger Videostream an den Zuschauer ausgeliefert. Da Werbung auf Server-Ebene in den Stream eingebettet wird, ist sie für Ad-Blocker nicht erkennbar.
Der zweite Trend: Ad Podding. Ähnlich wie beim linearen Fernsehen oder auch bei Youtube werden Spots zu einem Block gebündelt. Die Vorteile für die Zuschauer: weniger Unterbrechungen, ein konsistenteres Nutzererlebnis. Durch die kontextuelle Platzierung und mögliche Wiederholungen beziehungsweise Variationen des Spots aber auch ein Asset für Werbungtreibende.
Meine Prognose: CTV wird auch in Deutschland spätestens in sieben Jahren mehr Geld mit Werbung umsetzen als das lineare Fernsehen.
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