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ECOMMERCE - Interview mit Jan Mehlhose, Cnqr

Die Balance zwischen Branding und Performance

Anton Priebe, 20. Januar 2025
Bild: Loic Leray – Unsplash

Online-Händler wollen vor allem ihre Artikel verkaufen – da liegt es nahe, voll auf Performance Advertising zu setzen. Nicht wenige E-Commerce-Unternehmen tun genau das, jedoch geht diese Strategie selten auf. Jan Mehlhose, Berater von der Marketingagentur Cnqr, verrät im Interview, warum es eine starke Marke für Performance-Kampagnen braucht und wie man sich an das optimale Verhältnis zwischen Branding und Performance herantastet. Mehlhose hat einen etwas anderen Blick auf das Marketing als so mancher Mediaberater, denn er kommt ursprünglich aus der Musikindustrie und hat schon Künstler wie den Rapper Kool Savas bekannt gemacht.

Bild: Cnqr Jan Mehlhose, Cnqr

ADZINE: Jan, wie bist du in die Mediaberatung geraten?

Jan Mehlhose: Ich war mein ganzes Leben in der Musikindustrie tätig und habe als “A&R”, Artist & Repertoire, angefangen – das sind die, die auf den Konzerten oder Partys herumlaufen und Künstler suchen, um sie groß zu machen. In einer der frühen Deutschrap-Boom-Phasen habe ich zum Beispiel Kool Savas gesigned.

Dann habe ich in Australien einen MBA gemacht und zurück in Deutschland größere Künstler vermarktet, wie beispielsweise Robbie Williams oder David Guetta. Da ging es weniger darum, die Vision zu entwickeln und Alben zu produzieren, sondern einfach darum, effizient und gut zu vermarkten, was die Amerikaner, Engländer usw. gestaltet hatten.

Nach einem Wechsel zum Streaming-Service Tidal habe ich gemerkt, dass das Programmatic-Business boomt und habe die Chance genutzt, mich selbständig zu machen, die Vermarktung von Künstlern hinter mir zu lassen und in die strategische Beratung von Unternehmen zu gehen. So wie jetzt bei CNQR.

ADZINE: Was tust du für Cnqr konkret?

Mehlhose: Ich habe selbst lange den richtigen Marketing-Mix für Kampagnen gesucht und die Budget-Aufteilung verwaltet. Daher war es ganz folgerichtig, dass ich jetzt der Sparringspartner für die Kunden bin. Mein Fokus liegt auf den Themen Strategie, Marketingeffizienz und Kampagnenoptimierung. Mein Musikbackground hilft mir allerdings immer noch – beispielsweise wenn es um die Sicherung von Musikrechten für Kampagnen geht.

ADZINE: Marken treibt bei der Budgetplanung die ewige Frage um, wie das Verhältnis zwischen Branding und Performance aussehen sollte. Kannst du uns Indikatoren nennen, wann man eher auf Branding setzen sollte, und wann eher auf Performance-Kampagnen? Wovon ist das abhängig?

Mehlhose: Im E-Commerce möchte heute jeder nur Performance machen. Das heißt alle Maßnahmen, die trackbar sind und so wenig Kosten wie möglich pro Neukunde verursachen. Wir beraten dann oft dahingehend, dass die Performance besser wird, umso größer die Brand ist. Es ist also wichtig, zuerst die Brand aufzubauen und Step-by-Step immer mehr in Performance zu gehen.

Wenn die Marke bereits bekannt ist, rate ich direkt zu Performance-Kampagnen, insbesondere, wenn schnelle Optimierungen gefragt sind. Auch bei Produkten mit klaren, einfach erklärbaren Vorteilen kann man voll auf Performance setzen, besonders wenn es kaum Konkurrenz gibt. Allerdings gibt es immer Phasen, in denen wieder mehr Fokus auf Branding gelegt werden sollte.

ADZINE: Ist es in der Praxis nicht öfter ein Mittelweg, der eingeschlagen werden muss?

Mehlhose: Die beste Performance gelingt mit einer starken Brand. Ich würde daher nicht von einem Mittelweg sprechen, sondern eher von einer kontinuierlichen Optimierung der Balance zwischen Brand und Performance.

ADZINE: Lass uns auf die Kanäle schauen. Welche Kanäle eigenen sich am ehesten für Branding-Maßnahmen? Und welche Kanäle nehmt ihr im Rahmen von Performance-Kampagnen ins Visier?

Mehlhose: Die größtmögliche Branding-Maßnahme ist immer noch TV. Out-of-Home, Presse oder digital sind oft ebenfalls Branding-orientiert. Als Performance werden hingegen eher Google Ads, Social Media oder Programmatic Marketing verstanden.

TV ist allerdings auch ein absoluter Performance-Channel. Im TV kannst du entweder auf Channels wie ARD, ZDF, RTL und Prosieben abzielen oder bei Sendern wie Haus und Garten TV, Dmax, TLC oder Volksmusik TV werben. So kommst du in die Performance-Ecke. Beispielsweise kannst du für ein Musikprodukt die Sender Deluxe Music, Volksmusik TV und Deutsches Musikfernsehen belegen und eine sehr spitze Kampagne aussteuern. Man holt also über die großen Sender die Reichweite ein und über die kleinen Sender die Performance.

ADZINE: Gibt es Kanäle, die von den Agenturen und Marken deiner Meinung nach unterschätzt werden?

Mehlhose: Ja, die kleinen TV-Sender werden meist stiefmütterlich behandelt. Oftmals steht da einfach ein Deal mit einem einzigen Sender wie Prosieben hinter. Connected TV befindet sich in Deutschland auch noch nicht so richtig auf dem Radar. Spotify findet sich oft nicht im Marketing-Mix, obwohl es für manche Marken gut funktioniert.Tiktok und Influencer sucht man bei vielen Brands immer noch vergeblich. Es lässt sich auch mit Radiosendern in Kombination mit deren Social-Media-Kanälen eine Performance-starke Kampagne einrichten.

Das, was viele Agenturen ihren Kunden anbieten, ist das Repertoire aus TV, Programmatic Display und Video, Google Adwords und Social Media. Das macht zwar absolut Sinn, allerdings kann es die Performance erheblich steigern, wenn man andere relevante Kanäle nicht außer Acht lässt.

ADZINE: Welchen häufigen Fehler siehst du darüber hinaus auf Markenseite immer wieder?

Mehlhose: Marken haben häufig kein Auge auf die Optimierung. Sie vernachlässigen A/B-Testing mit Creatives, also sie die ganze Zeit gegeneinander zu messen, immer wieder neue reinzubringen und auszutauschen.

ADZINE: Jetzt ist häufig TV in einem Zuge mit Performance und Tracking gefallen. Wie trackt ihr überhaupt Spots im TV?

Mehlhose: Wir arbeiten mit einem Anbieter zusammen, der einen Pixel auf den Websites der Kunden platziert und misst, was nach der Ausstrahlung des Spots passiert. Je nachdem, wie offen der Werbetreibende ist, kann man sehr tief gehen, bis hin zur Conversion. So können wir Fragen beantworten, was ein Visit oder eine Registrierung kostet und das auch auf Sender, Zeit und Format herunterbrechen.

ADZINE: Wie führt ihr die Datenpunkte aus den verschiedenen Kanälen zusammen, wenn ein Kunde beispielsweise TV, CTV, Radio, Programmatic Display und Social-Media-Kampagnen mischt?

Mehlhose: Einige Einkaufsplattformen synchronisieren zum Beispiel schon zwischen CTV und Programmatic. Aber wir haben eine Software, die wir selbst programmiert haben, die alle Daten aufnimmt und dann über einen Algorithmus zusammenführt.

ADZINE: Advertiser fischen zunehmend im gleichen Datenteich und mit den Verschärfungen im Datenschutz wird es aufgrund der Unschärfe auch für die Walled Gardens immer schwieriger, performante Kampagnen zu liefern. Ein Blick in die Glaskugel – wie wird sich das Performance Advertising deiner Meinung nach entwickeln?

Mehlhose: Ich denke, dass wir wieder auf den Content zurückkommen werden. Angenommen, alle greifen beim Performance-Marketing auf das gleiche Repertoire zurück – dann kommt es auf den Inhalt an. Dann ist es wichtig, was genau erzählt wird, wie dicht du an der Zielgruppe dran bist und wie stark du sie emotional berührst.

ADZINE: Was bedeutet dies für die Kampagnen? Macht es sie komplexer?

Mehlhose: Performance Advertising bleibt eine Fleißarbeit, insbesondere für kleinere Kunden, die stark auf das Geld achten müssen. Je mehr Fleiß hineingesteckt wird, desto genauer erfolgt die Ansprache und desto größer ist der Erfolg. Die größte Reichweite nutzt mit einer ungenauen Message nichts. Das ist reines Geldverbrennen.

ADZINE: Danke für das Interview, Jan!

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