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CONNECTED TV - Vermarktungsstrategien der Streamingdienste

CTV-Werbung bei RTL+ mit unabhängiger Adtech

André Gärisch, 10. Dezember 2024
Bild: RTL Frank Vogel, Ad Alliance

Streamingdienste haben mittlerweile nicht nur kostenpflichtige Abonnements, sondern auch Werbung als Einnahmequelle für sich entdeckt – und damit Erfolg. ADZINE beleuchtet diese Entwicklung im Connected TV (CTV) in einer Interviewreihe mit den Verantwortlichen der Anbieter. Dabei geht es um die Inhalte als Spot-Umfelder, eingesetzte Technologien und Daten sowie die zukünftigen Pläne für die Werbevermarktung. Den Auftakt macht Frank Vogel, Geschäftsführer des RTL+-Vermarkters Ad Alliance.

ADZINE: Herr Vogel, wie hat sich die Streamingplattform RTL+ zuletzt entwickelt?

Frank Vogel: RTL+ wächst und ist mit mittlerweile 5,8 Millionen zahlenden Abonnenten Marktführer unter den deutschen Streamingdiensten. Besonders stolz sind wir darauf, dass unsere Zuschauer uns aktiv und regelmäßig nutzen. Im dritten Quartal war RTL+ bei den 14- bis 49-Jährigen mit einem Nutzungsvolumen von 123,03 Millionen Stunden der Spitzenreiter unter allen von der AGF gemessenen Streamingdiensten und erzielte im Vergleich zum Vorjahresquartal den stärksten Zuwachs an Stunden im Nutzungsvolumen von allen ausgewiesenen Anbietern. Ein wichtiger Baustein für das Wachstum war unter anderem auch das Comeback von Stefan Raab, dessen Format „Du gewinnst hier nicht die Million“ speziell für RTL+ entwickelt wurde und mit dem wir Neukunden im sechsstelligen Bereich gewonnen und vor allem auch neue, ältere Zielgruppen erschlossen haben.

ADZINE: Verraten Sie uns gerne mehr über die Effekte des Raab-Comebacks.

Vogel: Die Ankündigung des Exklusivvertrags hat für großes Interesse am Werbemarkt gesorgt – innerhalb von zwei Tagen war mit Jägermeister ein erster Sponsoring-Partner gefunden. Formate wie dieses geben uns die Möglichkeit, kreative Werbeintegrationen zu realisieren, die sich perfekt in den Inhalt einfügen – und das kommt bei den Werbekunden sehr gut an. Wir freuen uns schon auf kommende Projekte mit Stefan Raab, wie zum Beispiel die neue Primetime-Show „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“ am 21. Dezember und den ESC-Vorentscheid im nächsten Jahr bei RTL.

ADZINE: Die Content-Strategie ist ein wesentlicher Faktor bei der Werbevermarktung. Worauf legen Sie den Fokus bei der Gestaltung des Programmangebots von RTL+?

Vogel: Neben unseren „Best Brands“ aus dem TV und Erfolgsformaten wie der erwähnten Raab-Show setzen wir im Streaming vor allem auf exklusive Reality- und Fiction-Formate, hochwertige US-Inhalte und Sport. Unser großer Vorteil – der international fast einzigartig ist – liegt darin, dass wir unseren unterschiedlichen Zielgruppen sowohl lineares Fernsehen als auch das komplette Streamingangebot unter einer gemeinsamen Marke, RTL, bieten. Dadurch befeuern sich beide Kanäle gegenseitig. Unsere „Best Brands“ wie „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“, „Let’s Dance“ oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ funktionieren linear ebenso wie im Streaming. Bei RTL haben die Zuschauer mittlerweile ein Durchschnittsalter von 57 Jahren, mit RTL+ sprechen wir jüngere Zielgruppen an, dort sind die Nutzer im Schnitt 37 Jahre.

ADZINE: Im August haben Sie einen günstigeren Tarif mit mehr Werbung eingeführt. Wie ist das Angebot angelaufen?

Vogel: Das Angebot kommt sehr gut an. Wir haben damit die stark nachgefragte Streaming-Reichweite für den Werbemarkt weiter ausgebaut und gleichzeitig die Einstiegshürde für neue Zielgruppen gesenkt. So bieten wir über alle Tarife hinweg ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis – vom kostenlosen „Free“-Angebot über den günstigen Einstiegstarif „Basic“ bis hin zum „Premium“- und dem werbefreien „Max“-Tarif. Wenn es die Marktsituation oder veränderte Bedürfnisse unserer Nutzer erfordern, werden wir auch neue Optionen testen. Insgesamt fühlen wir uns mit dem aktuellen Tarifmodell jedoch bestens aufgestellt.

ADZINE: Welche Targeting-Möglichkeiten bieten Sie Ihren Werbekunden?

Vogel: Im Mittelpunkt stehen unsere First-Party- und Inventardaten und darauf basierend verschiedene Targeting-Produkte und kontextuelle Ansätze. Unsere Targeting-Optionen bei RTL+ reichen vom profilbasierten Targeting über technisches bis hin zum Keyword-bezogenen Targeting. Mit kontextuellem Video-Tagging können wir zudem Spots im passenden Kontext der Sendung platzieren und die Werbebotschaft direkt mit dem Inhalt verknüpfen. Hinter all dem steht eine eigene Dateninfrastruktur, die wir kontinuierlich weiterentwickeln. Mit RTL Data haben wir heute bereits einen Datenpool von 80 Millionen digitalen Profilen und fünf Milliarden monatlichen Datenpunkten.

ADZINE: Welche Vermarktungstechnologien kommen bei RTL+ zum Einsatz, und wie ist die Plattform an das programmatische Werbe-Ökosystem angebunden?

Vogel: Wir legen Wert darauf, unabhängig von US-Anbietern zu sein. Deshalb setzen wir für die Werbeausspielung auf die Technologie von Smartclip und deren Video-Adserver sowie Video-SSP. Über Virtual Minds und ihren DSP Active Agent bieten wir unsere ATV-Inventare an, seit diesem Jahr auch die Live- und Event-Stream-Inventare auf RTL+. Zudem arbeiten wir mit dem britischen Videotechnologieanbieter Yospace zusammen, um den Austausch von Spots live und on-demand mittels Server-Side-Dynamic-Ad-Insertion zu ermöglichen.

ADZINE: Inwiefern nutzen Sie Künstliche Intelligenz, um die Gestaltung und Aussteuerung von Werbung zu optimieren?

Vogel: Beim Thema KI ist unser Knowledge Graph, der unsere KI-generierten Metadaten organisiert, ein wichtiger Baustein. Er ermöglicht uns, alle relevanten Informationen über unsere Inhalte zu finden, was ein besseres Verständnis für Szenen, Personen und Objekte schafft. Auf dieser Basis lassen sich Rückschlüsse auf Affinitäten der Nutzer ziehen, wodurch im Contextual Advertising das adäquate Werbemittel passend für eine optimale Zielgruppenansprache ausgewählt wird. Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI ist das In-Content-Advertising, bei dem wir neue kontextuelle Werbeinventare schaffen – etwa durch die nachträgliche Integration von Produkten in Szenen. Diesen Ansatz hat etwa die Teemarke Meßmer im Umfeld von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ verfolgt.

ADZINE: Wie gewährleisten Sie eine optimale Frequenzsteuerung der Werbung?

Vogel: Eines vorweg: Die Frequenz von Werbung ist auf RTL+ bereits durch das jeweilige Tarifpaket vorgegeben. Um die Werbeakzeptanz hochzuhalten, sind Werbeunterbrechungen nicht fix implementiert, sondern werden manuell platziert, sodass Nutzer an passender Stelle Werbung angezeigt bekommen. Das bedeutet ebenso, dass nicht bei jedem Neustart oder Sendungswechsel zwingend Werbung ausgespielt wird. Bei plattformübergreifenden Kampagnen bieten wir unseren Werbepartnern außerdem ein Frequency Capping an, um die Werbeansprache sinnvoll zu steuern.

ADZINE: Welche Kennzahlen weisen Sie gegenüber Ihren Werbekunden aus?

Vogel: Neben den CTV-Reichweiten stellen wir unseren Kunden individuell weitere Daten bereit, wie zum Beispiel die View-Through-Rate, Ad Viewability und Zielgruppeninformationen. Bei Buchungen aus linearem TV zusammen mit CTV können wir zudem über unseren Cross Contact Report eine Gesamtnettoreichweite über alle Bewegtbildkanäle sowie inkrementelle Reichweiten durch CTV darstellen.

ADZINE: Die RTL Group und ProSiebenSat.1 haben im Februar angekündigt, im Bereich Adtech zu kooperieren. Welche Herausforderungen gab es bisher bei der Zusammenarbeit und wann wird das gemeinsame Angebot zur Verfügung stehen?

Vogel: Die Zusammenarbeit läuft unter dem Motto „Adtech made in Europe“ und ist als Gegengewicht zu den US-Adtech-Playern zu verstehen. Sie ist als offene Initiative positioniert – jeder ist eingeladen, mitzumachen. Wir haben uns vorgenommen, noch in diesem Jahr das Fundament zu legen. Um dieses sportliche Ziel zu erreichen, war es wohl am herausforderndsten, die operativen Akteure auf beiden Seiten schnellstmöglich abzuholen und mit dem großen Zielbild vertraut zu machen. Momentan arbeiten wir daran, die beiden Kern-Assets zu harmonisieren. Wir möchten noch in diesem Jahr erste Quick Wins präsentieren.

ADZINE: Zum Abschluss: Welche Anbieter sehen Sie derzeit und in Zukunft als Ihre Hauptkonkurrenten im Streamingmarkt?

Vogel: Wenn wir uns den globalen Markt ansehen, finden sich in vielen Ländern starke nationale Player. Mit unseren 5,8 Millionen Abonnenten sind wir dieser starke nationale Player im deutschsprachigen Raum. Wir gehen davon aus, dass Nutzer bis 2030 im Schnitt drei Abos haben werden. Unser Ziel ist es, Platz drei im deutschen Streamingmarkt zu sichern – da konkurrieren wir mit Netflix, Amazon und Disney+.

ADZINE: Danke für das Gespräch.

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