Warum First-Party-Daten im E-Commerce nicht ungenutzt bleiben sollten
Anja Heinrich, 29. November 2024First-Party-Daten sind seit Jahren in aller Munde. Dass sich Marketingkampagnen durch den Einsatz dieser Daten entscheidend optimieren lassen, ist kein Geheimnis. Dennoch nutzen in der Praxis bisher wenige Unternehmen im E-Commerce diesen Wettbewerbsvorteil für ihr Online-Marketing. Dabei lohnt es sich immens.
Jedes Unternehmen verfügt über einen Schatz an First-Party-Daten
Fakt ist, dass jedes Unternehmen im E-Commerce über eine Vielzahl an First-Party-Daten verfügt. Hierzu zählen in erster Linie CRM-Daten, das heißt Daten zur Kundenhistorie wie zum Beispiel Retourenquoten, Warenkörbe und Kaufhäufigkeiten. Zusätzlich liegen Daten zum Verhalten der Kunden auf der Webseite vor, die in der Regel durch Analysesysteme erfasst werden. Ein dritter Block sind Marketingdaten, die aus den unternehmenseigenen Kampagnen bei Google, Meta oder anderen Playern generiert werden.
Dieser Berg an vorliegenden Daten verstaubt heute oftmals ungenutzt!
Warum werden First-Party-Daten nicht besser genutzt?
Ein großes Hindernis beim Einsatz der First-Party-Daten ist für viele Unternehmen die Komplexität des Themas. Tatsächlich braucht es eine entsprechende technische Infrastruktur und Tools wie zum Beispiel Big Query, Vertex AI oder ähnliche Technologien, mit Hilfe derer die Daten analysiert und Schlüsse gezogen werden können. Der Einsatz der benötigten technischen Infrastruktur ist in der Regel mit Kosten verbunden, sowohl für die Speicherung als auch für die Verarbeitung der Daten. Unabdingbar sind zudem personelle Ressourcen mit fachlicher Expertise in der Bedienung der Tools unter Einhaltung der DSGVO.
Drei extrem gute Gründe für die Nutzung der First-Party-Daten
First-Party-Daten können mithilfe von Analysen gewinnbringend eingesetzt werden und beispielsweise wertvolle Erkenntnisse zu unterschiedlichen Zielgruppensegmenten liefern, mit denen wiederum Kampagnen wie Google Ads, Meta oder auf DV360 optimiert werden können.
Schwerpunktmäßig geht es beim Einsatz von First-Party-Daten um Folgendes:
Umsatzsteigerung
Platte und allgemeine Werbebotschaften reichen nicht mehr aus. User erwarten persönliche und individuell relevante Werbeanzeigen. Wenn uns dies gelingt, dann steigen die Conversionrates und der Umsatz.
Effizienz
Budgets sind limitiert und das Prinzip Gießkanne führt zu hohen Streuverlusten. Mithilfe von First-Party-Daten können Zielgruppen präziser gebildet und gezielt angesprochen werden, ein höherer ROAS ist realisierbar.
Wettbewerbsvorteil
Mit First-Party-Daten können sich Unternehmen von der Konkurrenz absetzen. Zum einen sind die Daten individuell und unternehmensbezogen, zum anderen nutzen viele Werbetreibende ihre Daten noch nicht beziehungsweise sind dazu gar nicht in der Lage. Hier lassen sich noch echte Vorteile im Wettbewerb erzielen.
Veränderte Datengrundlage
Grundsätzlich ist die Datenmenge seit Jahren rückläufig. Immer weniger Daten werden für die Analyse erfasst, aktuelle Studien sprechen von circa 30 Prozent an auswertbaren Daten. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Viele Browser blockieren Third Party Cookies oder begrenzen ihre Laufzeit sehr stark. Zudem ist der Einsatz von Consentbannern seit längerer Zeit verpflichtend, wodurch weitere Daten für die Analyse verloren gehen.
Auch Ad Blocker sind mit fast 40 Prozent Einsatz ein weit verbreiteter Cookie-Stopper. Sie verhindern nicht nur unerwünschte Werbung, sondern auch die Plattform- beziehungsweise URL-übergreifende Erfassung von wertvollen Daten.
Es gibt zwar einige Optionen, um die Datenlücke zu verkleinern, zu nennen seien hier Consent Mode, Enhanced Conversions oder Server-Side Tagging. An der Bedeutung und dem Wert der First-Party-Daten ändern sie jedoch nichts.
Wie werden First-Party-Daten eingesetzt?
Die Nutzung der First-Party-Daten ist ein kontinuierlicher Prozess. Er beginnt, so banal es klingt, mit der Festlegung des Marketingziels beziehungsweise der Festlegung der zentralen Fragestellung. Es folgt die Zusammenführung aller relevanten Datenpunkte bezogen auf diese Fragestellung.
Konkret müssen die Daten zentralisiert, aufbereitet und analysiert werden, bevor die eigentliche Nutzung der Daten beispielsweise durch Zielgruppensegmentierungen erfolgen kann. Durch die Überprüfung der Ergebnisse in A/B-Tests können die Kampagnen weiter optimiert werden.
Datenimport und -aufbereitung
Beim Datenimport werden in Abhängigkeit vom gewünschten Marketingziel die benötigten internen Quellen wie CRM, Website-Analyse oder Kampagnendaten definiert und die relevanten Daten zusammengeführt. Genauso können auch externe Quellen wie Wetterdaten für die Kampagnenbereicherung herangezogen werden. Alle benötigten Daten werden einheitlich und zentral in einer Datenbank gespeichert. Wichtig ist die datenschutzkonforme Aufbereitung, das heißt Anonymisierung der Daten, damit keine Rückschlüsse auf Individuen gezogen werden können. Aufgrund der verschiedenen Quellen können Fehler und Duplikate sowie Daten in unterschiedlichen Formaten vorliegen, das heißt die Daten müssen zusätzlich bereinigt und standardisiert werden.
Datenanalyse
Der vielleicht wichtigste Prozessschritt ist die eigentliche Datenanalyse. Hierbei werden die Daten entsprechend der Fragestellung selektiert, zusammengestellt und schließlich analysiert.
Beispiel: Für die Fragestellung „Welcher Webseitenbesucher hat die höchste Kaufwahrscheinlichkeit?“ können Informationen aus früheren Kaufabschlüssen, aus den Bewegungen auf der Webseite oder die gezeigte Preissensibilität relevant sein und werden entsprechend herangezogen.
Mit diesen Daten können statistische Modelle erstellt und trainiert werden, zum Beispiel in Big Query ML, dem Data Warehouse und Analysetool von Google. Jedes dieser Modelle muss anhand einer hinreichend großen Menge an Daten trainiert und überprüft werden. Erst wenn die Zuverlässigkeit eines so erstellten Modells gewährleistet ist, kann es zum Einsatz kommen. Jetzt lassen sich zum Beispiel Vorhersagen über die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Kaufentscheidung einer bestimmten Besuchergruppe ableiten. Entsprechend den Ergebnissen können anschließend Zielgruppenlisten erstellt und gemäß den gewünschten Ergebnissen verfeinert werden.
Effizienz- und Umsatzgewinn durch die Aktivierung von Zielgruppen
Zwei Ziele können mit First-Party-Daten und der Aktivierung von Zielgruppen vorangetrieben werden: Effizienz- und Umsatzsteigerung.
Für eine Effizienzsteigerung werden die gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Zielgruppen in verschiedenen Kampagnen und Kanälen wie Google Ads, DV360, Meta und anderen zum Einsatz gebracht. So können einzelne Zielgruppen individuell angesprochen werden. Auch die Budgetverteilung, die Gebotsstrategien und Ziel-KPIs der Kampagnen werden auf Basis der Datenanalysen angepasst.
Eine Umsatzsteigerung steht im Fokus, wenn Klick- und Conversionraten verbessert oder Warenkörbe vergrößert werden. Hierfür gibt es beispielsweise die Möglichkeit, die neuen Erkenntnisse aus der Datenanalyse einzusetzen, um Rabattstaffeln nach Zielgruppen unterschiedlich auszugeben.
Beispiel: Wenn Rabattstaffeln je nach Preissensibilität unterschiedlich an Zielgruppen gegeben werden, dann kann bei besonders preisbewussten Kunden der Umsatz mit höheren Rabattstaffeln angekurbelt werden. Gleichzeitig erhalten weniger preisbewusste Kunden keine oder geringere Rabatte, ohne dass der Umsatz in dieser Gruppe zurückgeht.
Weitere Erhöhungen des Umsatzes können durch eine KI-gesteuerte individuelle Generierung der Creatives erzielt werden, nicht zu verwechseln mit den datenunabhängig ausgespielten dynamischen Creatives. Mit dem Wissen, welches Produkt eine bestimmte Zielgruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit kauft, können die Werbemittel entsprechend individuell ausgespielt werden.
Individuelle Kampagnenoptimierung
Im Zentrum stehen die neu gebildeten Zielgruppen. Ein Beispiel für die individuelle Kampagnenoptimierung sind im einfachsten Fall die unterschiedliche Behandlung von Warenkorbabbrechern, interessenbasierten Zielgruppen oder Kunden mit anstehenden Nachbestellungen. Mit komplexeren Analysen können auch Bestands- und Neukunden separat angesprochen werden. Die Akquise von Neukunden ist für jedes Unternehmen wichtig, bekanntermaßen aber auch kostspieliger als die richtige Pflege der Bestandskunden. Beide Zielgruppen sollten daher nicht vernachlässigt werden.
Die Königsdisziplin mit dem größten Impact auf die Kampagnenperformance ist die tiefe Erkenntnis über spezielle Zielgruppen. Vorzugsweise Gruppen mit hohen Kaufwahrscheinlichkeiten anzusprechen, kann die Conversionrate außerordentlich erhöhen. Ebenso können Kundengruppen mit Abwanderungstendenzen erkannt werden, für die es sich lohnt, spezielle Kampagnen zu erstellen, um diese Kunden zu halten. Eine weitere wichtige Erkenntnis kann der Customer Lifetime Value sein. Mit dem Wissen über Merkmale von Gruppen mit besonders hohem Customer Lifetime Value können zielgerichtete Kampagnen auf diese Zielgruppen die Rentabilität verbessern.
Bonustrack: Kundenverhalten verstehen mit Microconversions
Die Auswertung des Kundenverhaltens geht idealerweise über die reine Kaufentscheidung hinaus. Nachdem Kunden auf der Webseite gelandet sind, bewegen sie sich in unterschiedlicher Weise. Sie besuchen Kategorieseiten, abonnieren Newsletter, starten einen Warenkorb und vieles mehr. Wir sprechen hier von Microconversions. Diese Daten liefern zum einen wichtige Informationen über die üblicherweise vorgelagerten Schritte hin zu einer Conversion. Zum anderen können sie die mangelnde Datenlage ausgleichen, wenn wenige Informationen zur Hauptconversion vorliegen. Eine weitere spannende Analyse ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung der Wichtig- und Wertigkeit einzelner Microconversions. Oftmals werden Entscheidungen über die „richtigen“ Microconversions und den Wert, der diesbezüglich in Google Ads hinterlegt wird, aus dem Bauch heraus getroffen. Auch hier helfen statistische Analysen von First-Party-Daten, die Bedeutung einzelner Microconversions für den Kaufprozess exakt zu berechnen und so mittelfristig die Umsätze und die Effizienz der Kampagne zu verbessern.
Kurz und knackig: Ran an die Daten
Ja, es ist komplex. Ja, es kostet Geld, Zeit und Energie. Aber ja, es lohnt sich. Die First-Party-Daten sind ein Schatz, der viel zu oft nicht genutzt wird. Umso gewinnbringender ist der Einsatz der Daten für die Unternehmen, die sie nutzen.
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