Privacy Sandbox und Mobile Attribution: Die Zukunft der Werbung im Zeichen des Datenschutzes
Ville Mikkola, 27. November 2024Werbetreibende, aufgepasst: Die Spielregeln im digitalen Marketing ändern sich. Nachdem Apples SKAdNetwork (SKAN) 2021 die Werbelandschaft durchgerüttelt hat, bringt nun Googles Privacy Sandbox eine neue Dynamik ins Spiel. Dabei geht es nicht nur um technische Feinheiten – sondern um den Kern dessen, wie Werbekampagnen zukünftig gemessen und optimiert werden. Mittendrin: die Attribution API. Sie stellt Werbetreibende vor die Herausforderung, präzise Erkenntnisse aus immer „rauschigeren“ Daten zu ziehen – eine Balance, die sowohl datenschutzfreundlich als auch gewinnbringend sein soll.
Rückblick: Vom Wilden Westen des Trackings zur Ära des Datenschutzes
Um die Bedeutung der Privacy Sandbox wirklich zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück: Im April 2021 setzte Apple mit iOS 14.5 und dem SKAdNetwork (SKAN) einen Meilenstein in Sachen Datenschutz. Diese Neuerung veränderte das digitale Marketing grundlegend, indem sie das bis dahin fast grenzenlose Tracking von Nutzeraktivitäten drastisch einschränkte. Werbetreibende sahen sich plötzlich mit massiven Hürden konfrontiert, wenn es darum ging, Kampagnenerfolge präzise zu messen.
Ein Kernstück von SKAN war das Konzept der Crowd Anonymity – eine Art Sicherheitsnetz, das sicherstellt, dass Berichte nur dann verwertbare Daten liefern, wenn eine gewisse Schwellenwertgröße erreicht wird. Für viele Marketer bedeutete dies eine radikale Abkehr von der präzisen Nachverfolgung einzelner (anonymisierter) Nutzeraktionen. In der Folge musste die Branche ihre Messmethoden völlig neu denken und Wege finden, trotz strengeren Datenschutzes aussagekräftige Insights zu gewinnen. Genau hier setzt die Privacy Sandbox als Initiative von Google an und bietet eine neue Lösung für diese Herausforderung.
Mehr Daten, mehr Datenschutz – und mehr „Rauschen“
Die Privacy Sandbox bietet im Vergleich zu SKAN auf den ersten Blick einige Vorteile: Werbetreibende erhalten bis zu 30 Tage Messzeitraum, während SKAN nur drei feste Postback-Zeitfenster bietet. Diese verlängerte Messzeit scheint zunächst vielversprechend, doch hier taucht ein neues Problem auf – das Rauschen.
Was ist Rauschen? Im Kontext der Privacy Sandbox handelt es sich dabei um eine absichtliche Einführung von zufälligen Daten in Berichte. Der Grund dafür ist klar: Es soll sicherstellen, dass individuelle Nutzeraktionen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind, um so die Privatsphäre zu schützen. Für Werbetreibende bedeutet das jedoch, dass die Daten „unscharf“ werden – und präzise Einblicke schwerer zu gewinnen sind.
Je detaillierter der Bericht, desto mehr Rauschen wird hinzugefügt. Dieses Rauschen kann entweder in Form von zufälligen Werten auftreten, die Daten aufblähen, oder durch das Reduzieren realer Werte, wodurch die Zahlen verfälscht werden. Für Marketer ist das eine neue Herausforderung: große Datenmengen sind relativ unempfindlich gegenüber Rauschen, aber je weniger Daten zur Verfügung stehen, desto schwieriger wird es, klare Schlussfolgerungen zu ziehen.
Beitrags-Budget: Wie viel kann wirklich gemessen werden?
Jeder Werbetreibende kennt das Problem: Wie viele Daten kann ich wirklich sammeln, bevor der Datenschutzhammer zuschlägt? Hier kommt das Beitragsbudget ins Spiel, ein zentrales Element der Privacy Sandbox. Jedes Ereignis, wie z. B. ein Anzeigenklick, hat ein festgelegtes Limit für die Datenmenge, die gesammelt werden kann. Diese Obergrenze liegt bei 65.536 Werten – eine mathematisch präzise, aber dennoch etwas willkürlich wirkende Zahl.
In der Praxis bedeutet das, dass für jede Anzeigeninteraktion die Summe aller Werte, die mit den darauf folgenden Conversion-Events dieser Interaktion verbunden sind, 65.536 nicht überschreiten darf. Diese Werte stehen für Kennzahlen, die Werbetreibende messen (Conversions), wie zum Beispiel die Anzahl von Käufen oder Umsatzbeträge.
Wie das Beitragsbudget verwaltet wird, bestimmt, wie viel Daten letztendlich zur Verfügung stehen. Wer sich auf die wichtigsten Metriken konzentriert und über eine große Datenbasis verfügt, wird wenig Auswirkungen durch Rauschen spüren. Doch wenn versucht wird, eine Vielzahl von Details mit kleinen Datenmengen zu erfassen, wird das Rauschen immer präsenter und kann wertvolle Insights verdecken.
Fokus auf die richtigen Metriken
Für Werbetreibende heißt es daher, klug zu entscheiden, was gemessen werden soll. Je mehr Segmente und Kampagnendetails gemessen werden, desto schneller wird das Beitragsbudget verbraucht und desto mehr Rauschen tritt auf. Besonders kleinere Apps, die oft mit begrenzten Daten arbeiten, müssen hier besonders vorsichtig sein.
Ein cleverer Ansatz ist es, sich auf Schlüsselmetriken zu konzentrieren. Anstatt den kurzfristigen ROI über eine Vielzahl von kleinen Messpunkten zu strecken, kann es sinnvoller sein, nur auf die wichtigsten Datenpunkte zu achten. Beispiel: Statt den Umsatz in den ersten 30 Tagen zu messen, könnten Werbetreibende sich auf die ersten 24 Stunden konzentrieren. Das führt zu einer schärferen Datensicht mit weniger Rauschen – und klareren Insights.
Abonnement-Apps im Aufschwung
Besonders Apps mit Abonnementmodellen profitieren von der verlängerten Messzeit in der Privacy Sandbox. Vor SKAN war es gang und gäbe, 14- bis 30-tägige Testphasen anzubieten, um Nutzer in zahlende Kunden zu verwandeln. Die kurzen Messfenster von SKAN machten es jedoch schwer, diese Konversionen zuverlässig zu messen, sodass viele Entwickler gezwungen waren, auf frühe Signale innerhalb von 24 bis 48 Stunden zurückzugreifen. Mit der Privacy Sandbox und ihrem erweiterten Messzeitraum können Entwickler nun wieder auf längere Testzeiträume setzen und Konversionen in späteren Phasen der Nutzerreise erfassen.
Kampagnenstruktur: Weniger ist mehr
Auch die Art und Weise, wie Kampagnen segmentiert werden, beeinflusst das Rauschen. Wer seine Kampagnen in viele kleine Segmente aufteilt – sei es nach Ad-Set, Creatives oder anderen Parametern – riskiert, sein Beitragsbudget schnell zu erschöpfen. Weniger detaillierte Segmentierungen führen oft zu präziseren und rauschärmeren Daten. Das Ziel sollte immer sein, den größten Wert aus den verfügbaren Daten zu ziehen, ohne sie zu stark zu fragmentieren.
Die Lösung: Daten skalieren
Eine Möglichkeit, Rauschen in Daten zu reduzieren, ist das sogenannte Skalieren. Skalieren ist eine Technik, die verhindert, dass Störungen oder Rauschen die wesentlichen Daten verfälschen. Indem die Werte der Daten angepasst werden, können Marketing-Plattformen wichtige Signale hervorheben, sodass sie weniger durch das zum Schutz der Privatsphäre eingefügte Rauschen beeinflusst werden.
Der Prozess funktioniert folgendermaßen: Wenn die Rohdaten nur wenige Aktionen umfassen, zum Beispiel eine geringe Anzahl an Registrierungen, werden diese Werte zunächst hochskaliert (vergrößert). Dadurch werden die Zahlen robuster und weniger anfällig für die Effekte des Rauschens. Nach dem Hinzufügen des Rauschens werden die Daten dann wieder auf ihre ursprüngliche Skala zurückgeführt, um die wahren Werte so präzise wie möglich darzustellen. So bleibt der Nutzen der Daten auch nach der “Rauschbehandlung” erhalten, und die Informationen bleiben klar und verlässlich.
Fazit: Datenschutz erfordert ein Umdenken
Die Einführung der Privacy Sandbox markiert einen weiteren Schritt hin zu einer datenschutzfreundlicheren Zukunft im digitalen Marketing. Werbetreibende müssen lernen, mit Rauschen, Beitragsbudgets und skalierter Datenanalyse umzugehen, um weiterhin präzise Kampagnen zu steuern und Erfolg zu messen. Entscheidend wird sein, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, die Kampagnen schlank zu halten und die Daten mit Bedacht zu nutzen.
Denn eines ist klar: In einer Welt, in der der Datenschutz oberste Priorität hat, müssen Werbetreibende ihre Strategien anpassen – und sich dabei kreativ und datenbewusst weiterentwickeln.
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