Datenquellen und Targeting-Strategien für Cross-Channel Video
Anton Priebe, 18. November 2024Die heutige Videowerbung erfordert ein zunehmend komplexer werdendes Targeting von Werbetreibenden. Angesichts der fragmentierten Medienlandschaft, die sich über unterschiedliche Plattformen und Kanäle verteilt, sowie des steigenden Anspruchs an den Datenschutz stehen Advertisern zahlreiche Optionen zur Verfügung, um sich ihrer Zielgruppe zu nähern – doch wie sieht eine fundierte Datengrundlage aus und welche Targeting-Strategien ergeben an welcher Stelle Sinn? ADZINE hat sich nach den verfügbaren Datenquellen, Ansätzen für die zielgerichtete Ansprache und der erfolgreichen kanalübergreifenden Aktivierung für Videokampagnen umgehört.
Vielfältige Datenquellen für Video Ads
Die erste Datenquelle liegt bei den Advertisern selbst. Sie sollten ihre First-Party-Daten “strategisch nutzen und ausbauen, da diese zuverlässig und datenschutzkonform sind”, meint Peter Lorenz, Lead Product & Business Strategy von der Telekom-Tochter und Datenspezialistin Emetriq. Allerdings seien diese Daten oft auf unternehmenseigene Bestände begrenzt, was die Reichweite einschränkt. Also müssen sie sich nach weiteren Datenquellen umschauen.
Die vorhandene Datenmenge im Werbekosmos ist tendenziell gestiegen, weiß Gregor Fellner, Senior Director Media vom Affiliate-Marketing-Unternehmen Rakuten. Der Grund dafür ist wiederum die Vielfalt der Medienlandschaft. “Wenn man sich die Fülle der Daten von Erst- und Drittanbietern anschaut und sie in zwei große Gruppen einteilen möchte, sind es die technischen, primären Daten – IP-Adresse, Geographie et cetera – sowie Profildaten – Login-Daten, IDs et cetera – die Rückschlüsse auf die Zielgruppe zulassen”, sagt Fellner. Die technischen Daten können ebenfalls mit weiteren Datenquellen oder Panels verbunden werden, um übergreifende Tagetingkriterien herauszuarbeiten, erklärt der Programmatic-Experte.
Insbesondere die Profildaten aus dem E-Commerce rücken heute in den Fokus der Werbeindustrie. Händler sind in der jüngsten Vergangenheit dazu übergegangen, ihre Datenbestände zu vermarkten und sowohl auf der eigenen Seite, beispielsweise in Form von Sponsored Ads der Hersteller, als auch offsite verfügbar zu machen. Der Grund dafür, dass sie so kostbar sind, liegt auf der Hand. Sie erlauben “tiefe Einblicke in das Kaufverhalten und die Kaufabsicht direkt von Einzelhändlern oder E-Commerce-Plattformen”, erklärt Leonhard Sauer von der Sell-Side-Plattform Pubmatic.
Doch auch die traditionellen Publisher stellen wie eh und je Daten zur Verfügung und entwickeln sich weiter, weiß Sauer. Kontextuelle Daten sind bei weitem kein Novum, aber mit den “Seller-Defined Audiences” (SDA) versuchen die Sell-Side-Akteure heute eine einheitliche Sprache zu finden und Zielgruppensegmente nach bestimmten Schemata aus ihren eigenen Datenpools zu kreieren. “Dabei wird die Privatsphäre gewahrt und Werbetreibenden wird mehr Vertrauen in die Targeting-Genauigkeit direkt von der Quelle gegeben”, sagt Sauer. Der (programmatische) Einkauf dieser einheitlichen Segmente soll zudem attraktiver sein als die Katze im Sack zu kaufen, wenn Zielgruppen je nach Publisher und seinen eigenen Kriterien mit unterschiedlichen Labels versehen werden.
Peter Lorenz von Emetriq ist zwar durchaus Verfechter von Profilierung, hält kontextuelle Signale jedoch ebenfalls für “eine effektive Alternative, insbesondere wenn keine IDs verfügbar sind”. Kontextuelles Targeting ermögliche es, Werbung in passenden Umfeldern zu schalten und habe sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Daneben weist Lorenz auf sogenannte synthetische Daten hin, die von einer KI errechnet werden. “Bei synthetischen Daten erkennt ein Algorithmus Muster in Bezug auf die Zielgruppe. Die Basis dafür können zum Beispiel First-Party-Daten sein. Das ermöglicht eine anonyme Ansprache der relevanten Zielgruppe”.
Targeting-Methoden für Bewegtbild
Wie genau die Daten letztlich zum Einsatz kommen, hängt heute mehr denn je von den Geräten und dem Medienkanal ab, auf dem die Video-Kampagnen ausgeliefert werden, sagt Gregor Fellner. “Auf dem großen TV-Bildschirm eines Smart-TVs, sogenanntes CTV, ist, ähnlich wie lange Zeit im linearen TV, die Aussteuerung von Video-Kampagnen auf den Kontext und das Programm abzustellen. Hier wird von der Art des gesehenen Inhaltes und Formats auf die Zielgruppe geschlossen.” Eine Vielzahl von Datenpunkten könne dieses kontextuelle Targeting verfeinern.
Clara Diehl, Managing Partner bei der Omnicom-Mediaagentur Hearts & Science, gibt zu bedenken, “dass wir bei Video-Kampagnen nicht mehr nur über One-to-One-Targetings sprechen, sondern uns beispielsweise bei CTV auf der Haushaltsebene bewegen. Auch die Fragmentierung der Inventare führt dazu, dass es nicht das eine Targeting gibt, das auf alle Inventare anwendbar ist.” Ihrer Ansicht nach müsse das Targeting individuell nach Inventar entschieden oder aber auch das Inventar je nach Targetinganforderung selektiert werden.
Wem das zu kompliziert wird, dem verschafft das Düsseldorfer Unternehmen Welect Abhilfe. Mitgründer Olaf Peters-Kim ist überzeugt: “Für Video-Kampagnen eignet sich ein organisches Targeting, wie es durch die selbstbestimmte Werbeauswahl bei Choice-Driven Advertising entsteht, besonders gut.” Im Klartext suchen sich die Nutzer:innen ihren Spot einfach aus einer Auswahl aus. Welect nennt das “primäre Nutzersignale”, weil sie direkt von den Menschen selbst kommen. Diese würden keiner Interpretation durch die Advertiser mehr bedürfen.
Strategien zur Aktivierung cross-channel
Wer nicht die Nutzer:innen entscheiden lassen, sondern ein eigenes Targeting aufsetzen möchte, muss das Puzzle aus unterschiedlichen Kanälen und ihren Datenfragmenten je nach Zielsetzung der Kampagne zusammensetzen. ”Die Daten im Markt bieten mittlerweile durchaus eine hohe Bandbreite an Optionen”, zeigt sich Clara Diehl optimistisch. Sie hebt beispielsweise die Daten der TV-Attributionsdienstleister für die Analyse der Reichweite und Frequenz von Multi-Channel-Kampagnen hervor. Alternative TV-Reichweiten-Daten könnten darüber hinaus für die Optimierung der Geo-Gewichtung einer Kampagne – also das Geo-Targeting – auf weiteren Kanälen eingesetzt werden. Zudem seien Agentur-eigene Lösungen in der Lage, strategische Zielgruppen in adressierbare Daten für Multi-Channel-Kampagnen zu übersetzen, so die Agenturfachfrau. “Die Chance in der Fragmentierung liegt darin, dass man stärker individualisieren kann und sich Advertiser so ‘unique’ Vorteile verschaffen können.”
Obwohl Third-Party-Cookies noch genutzt werden können, sieht Emetriq Multi-ID-Graphen für Multi-Channel-Kampagnen als “enorm relevant” an, “da sie die Verknüpfung über verschiedene IDs hinweg ermöglichen und eine konsistente Ansprache unterstützen”, sagt Peter Lorenz. Data Clean Rooms böten zudem eine sichere Umgebung, um First-Party-Daten mit externen Quellen zu kombinieren. Dabei kommt Lorenz wieder auf die E-Commerce-Daten zu sprechen. “Zum Beispiel können Einzelhändler Kundendaten mit Mediennutzungsdaten kombinieren, um gezielte Werbekampagnen zu entwickeln, ohne die Privatsphäre zu verletzen.”
Curation & Sell-Side-Targeting
Im Rahmen des programmatischen Mediaeinkaufs lässt sich mit Blick auf die Datenaktivierung eine spannende, neue Entwicklung erkennen. Primär aus den USA getrieben, kommt der Angebotsseite, also den Publishern und ihren angeschlossenen Plattformen, eine größere Rolle zu. Sell-Side-Experte Leonard Sauer von Pubmatic erklärt: “Sell-Side-Targeting ist im Videobereich von entscheidender Bedeutung geworden, insbesondere durch Curation – ein Prozess, bei dem hochwertiges Inventar organisiert und mit Zielgruppendaten abgeglichen wird, um die Adressierbarkeit zu optimieren.” Während im traditionellen Programmatic Advertising die Datenintelligenz auf der Demand-Side liegt und die Mediaeinkäufer:innen ihre Targeting-Segmente einfach in der Demand-Side-Plattform mitbuchen, verkaufen die Publisher Media und Daten nun also im Paket und bieten sie auf ihren Supply-Side-Plattformen feil. “Curation unterstützt die Skalierung, ermöglicht Partnerschaften mit mehreren Publishern und die gleichzeitige Anwendung von Daten über programmatische Käufe hinweg”, so Sauer.
Flexibilität als Prämisse für moderne Videowerbung
Die aktuelle Medienlandschaft, die einem Flickenteppich gleicht, bietet Werbetreibenden also die Qual der Wahl. Die verschiedenen Kanäle eröffnen unterschiedliche, aber durchaus reichhaltige Datenquellen und diverse Targeting-Methoden. Advertiser können sich vom Inventar aus zum Targeting hangeln oder umgekehrt. Letztlich geht es darum, flexibel zu bleiben und die Herausforderung als Chance zu begreifen, sich vom Wettbewerb abzusetzen – was zugegeben leichter gesagt ist als getan.
Tech Finder Unternehmen im Artikel
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