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ADTECH

Offensive statt Defensive: Die neue Ära der Online-Werbung beginnt jetzt

Sven Hagemeier, 21. Oktober 2024
Bild: Drew Beamer - Unsplash

Eigentlich ist es vollkommen egal, ob die Third-Party-Cookies nun bleiben oder nicht, denn die gesamte Diskussion hat vor allem die Abhängigkeit einer Branche von einem Unternehmen als Gatekeeper und einer im Prinzip veralteten Technologie gezeigt. Dabei sind wir mittlerweile technologisch schon viel weiter. Eine riesige Chance für das offene Internet.

Was waren das für Zeiten, als man vor dem Urlaub den Nachbarn noch darum bitten musste, in den nächsten 14 Tagen die abonnierte Tageszeitung aus der Zeitungsröhre zu nehmen – und zu sammeln! Heute reisen die favorisierten Medien einfach mit. Abends die Lieblingsserie streamen, endlich den verpassten Blockbuster im Liegestuhl anschauen oder den Strandlauf dank des Lieblingssongs auf den Ohren in Rekordzeit absolvieren.

Diese Websites und Apps machen das offene Internet aus, sie stehen für Premium-Inhalte, Unterhaltung und Journalismus. Es sind die Medienmarken aus Fernsehen, Audio und Journalismus, auf die sich Millionen von Menschen täglich verlassen, um sich zu informieren und unterhalten zu lassen.

All diese Anbieter finanzieren sich maßgeblich durch Werbung. Und stehen dabei in direkter Konkurrenz zu den „Walled Gardens“. Es gibt gute Gründe dafür, dass sich die großen geschlossenen Technologieplattformen mit nutzergenerierten Inhalten in den letzten Jahren ein großes Stück vom Werbekuchen abschneiden konnten. Häufig war der Einkauf von Werbeplätzen dort einfacher und leichter skalierbar.

Nun drohte einer dieser Walled Gardens, nämlich Google, seit Jahren, mit dem Third-Party-Cookie im Browser Chrome eine Pulsader für die Online-Werbung im offenen Internet durchzuschneiden. Werbungtreibende entscheiden auf Basis von Daten, ob und zu welchem Preis sie einen Anzeigenplatz buchen. Im Chrome-Browser ist die Grundlage dafür aktuell meist noch ein Cookie. Ohne Daten wird blind gekauft, was den Preis erheblich reduziert, den Werbungtreibende bereit sind zu zahlen. Aber wäre das nun wirklich der Untergang des offenen Internets? Das Aus für unabhängigen, für alle kostenfrei verfügbaren Journalismus und die Unterhaltungsvielfalt? Ein ganz klares Nein.

Im Gegenteil: Egal, ob die Cookies nun letztlich verschwinden oder bleiben. Allein die jahrelange Diskussion hat gezeigt, dass es hier nicht um Cookie-Alternativen geht, sondern um Upgrades. Und all dies bietet eine gute Gelegenheit, das offene Internet besser zu machen. Die Zeit des Lamentierens ist vorbei, jetzt muss gehandelt werden. Doch was heißt das konkret?

Erstens: Identity-Upgrade skalieren

Wir müssen die Upgrades zum Cookie als Identifier endlich skaliert einsetzen. Identifier, die besser für die Privatsphäre der Nutzer sind und diesen größere Kontrollmöglichkeiten über ihre Daten bieten. Zudem müssen sie besser als die Cookies funktionieren, so dass Werbetreibende bereit sind, höhere Preise pro Impression zu zahlen und wieder mehr Geld in das offene Internet zu geben. Mit ID5, NetID, Liveramp, Utiq oder der interoperablen EUID stehen längst Innovationen bereit, die darauf warten skaliert eingesetzt zu werden.

Gerade durch deterministische IDs auf Basis von Logins werden authentifizierte und damit immer wertvollere Umgebungen gestärkt. Denn der Nutzer identifiziert sich – oft basierend auf seinen E-Mail-Adressen – freiwillig auf den Websites oder Apps, um im Gegenzug kostenfreie Inhalte sowie relevante Werbung zu erhalten. Diesen skalierten Login-Traffic können Publisher nun viel besser monetarisieren als zuvor. Vielleicht ist demnächst ein eingeloggter Nutzer mit Werbung für einen Publisher sogar wertvoller als ein zahlender Nutzer ohne Werbung.

Zweitens: Authentifizierung vereinfachen

Publisher, die noch zu wenige eingeloggte Nutzer haben, müssen effektivere Wege finden, ihre authentifizierte Reichweite zu erhöhen. Dafür müssen sie es ihren Nutzern so einfach und sicher wie möglich machen, sich zu authentifizieren – und zudem einen wirklichen Mehrwert bieten. Das betrifft insbesondere den klassischen, unabhängigen Journalismus, der so wichtig für unsere Demokratie ist.

Drittens: Aktive Kooperation

Wir müssen zusammenarbeiten. Medienunternehmen und unabhängige Technologiefirmen müssen ein interoperables, transparentes und effizientes Ökosystem schaffen, das den Einkauf von Werbeinventar im offenen Internet mindestens so einfach wie in den Walled Gardens macht, wenn nicht sogar noch besser.

Vielfalt und Wettbewerb im Markt sind dabei eine Stärke, denn sie reduzieren Abhängigkeiten. Es ist sehr gut, dass es verschiedene ID-Anbieter gibt. Sie müssen aber interoperabel miteinander sein. Unsere gemeinsamen Wettbewerber sind die Walled Gardens, viel mehr als wir es untereinander in der Ad-Tech-Branche sind.

Fazit

Wir können ein Internet schaffen, in dem all die Medienmarken, die wir lieben und nutzen, nicht nur überleben, sondern florieren. Ein Internet, in dem die Nutzer nicht für alles immer mehr zahlen müssen. Ein Internet, in dem die Menschen, die es sich aktuell nicht (mehr) leisten können, künftig wieder an hochwertigem, unabhängigem Journalismus sowie bester Unterhaltung teilhaben können. Ein Internet, das uns nicht auf Webseiten und Apps mit viel zu viel und vor allem für uns oft völlig irrelevanter Werbung überflutet.

Der Anspruch an Identity-Lösungen ging schon immer über das hinaus, was Cookies leisten können. Lassen Sie uns diese Gelegenheit nutzen, um eine neue Währung für das offene Internet zu schaffen, die über alle digitalen Kanäle hinweg funktioniert, den Werteaustausch im Internet bewahrt und gleichzeitig die Privatsphäre der Verbraucher verbessert.

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Sven Hagemeier Über den Autor/die Autorin:

Sven Hagemeier ist GM, Inventory Development EMEA bei THE TRADE DESK.

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