KI in der Mediaplanung: Von komplexen Daten zu autonomen Systemen
Shekhar Khandelwal, 30. September 2024In der sich schnell entwickelnden digitalen Marketinglandschaft ist die Mediaplanung zu einer immer komplexeren und datengetriebenen Disziplin geworden. Da Marketer ihre Zielgruppen über eine Vielzahl von Kanälen und Plattformen erreichen wollen, stehen sie vor der Herausforderung, große Datenmengen sinnvoll zu nutzen, um effektive und effiziente Kampagnen zu erstellen. Dieser Artikel untersucht den Weg der Anwendung künstlicher Intelligenz in der Mediaplanung, vom Umgang mit komplexen Datensätzen bis hin zum Einsatz modernster KI-Technologien wie Large Language Models und autonomen Agenten. Wir untersuchen die Grenzen traditioneller Ansätze, das Versprechen neuer KI-Paradigmen und die mögliche Zukunft der KI-gestützten Mediaplanung. Ganz gleich, ob Sie ein erfahrener Mediaplaner, ein Marketingmanager oder einfach nur neugierig auf die Schnittstelle zwischen KI und Werbung sind – diese Erkundung bietet Ihnen wertvolle Einblicke in das transformative Potenzial von KI bei der Gestaltung der Zukunft der Mediastrategie.
Die Komplexität der Daten in der Mediaplanung
Daten spielen in der Mediaplanung eine zentrale Rolle – aber sie sind komplex und vielschichtig. Im Gegensatz zu den aufgeräumten und geordneten Datensätzen, die oft in Data Science Tutorials verwendet werden, sind Daten in der Mediaplanung von Natur aus komplex und vielschichtig. Diese Komplexität tritt sowohl in strukturierter als auch in unstrukturierter Form auf.
Strukturiert kann man sich eine große Excel-Tabelle vorstellen, in der jede Kampagne nicht nur aus einer Zeile besteht, sondern aus mehreren Zeilen, die jeweils einen anderen Aspekt der Kampagne darstellen. Eine einzelne digitale Marketingkampagne könnte beispielsweise folgende Elemente umfassen:
- Unterschiedliche Werbeformate (Display, Video, Native Ads)
- Unterschiedliche Zielparameter (Demografie, Interessen, Verhalten)
- Verschiedene Plattformen (Soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Websites)
- Verschiedene Leistungsindikatoren (Impressions, Klicks, Conversions)
Jedes dieser Elemente kann in einem Datensatz durch eigene Zeilen dargestellt werden, die miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen.
Die Komplexität geht jedoch noch weiter. Ein erheblicher Teil wichtiger Informationen liegt in unstrukturierten Formaten vor, wie zum Beispiel:
- Kundenbriefings mit Kampagnenzielen und -strategien
- E-Mail-Kommunikation mit wichtigen Details und Entscheidungsgrundlagen
- Besprechungsnotizen, die Brainstorming-Sitzungen und Beiträge von Stakeholdern festhalten
- Anzeigen-Creatives, die meist in Form von Bildern, Videos und bewegten Bildern vorliegen
Diese unstrukturierten Datenquellen enthalten oft entscheidende Kontexte und feine Nuancen, die die Strategie einer Kampagne prägen, aber schwer in traditionelle Datenanalysesysteme zu integrieren sind.
Die facettenreiche Natur der Daten, die sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Quellen umfasst, macht die Mediaplanung zu einer anspruchsvollen Kombination aus Handwerk und Wissenschaft.
Die Grenzen des traditionellen Machine Learning
Angesichts dieser komplexen und vielfältigen Datenlandschaft stoßen herkömmliche Machine-Learning-Algorithmen oft an ihre Grenzen. Obwohl maschinelles Lernen viele Branchen revolutioniert hat, steht es in der Welt der Mediaplanung vor besonderen Herausforderungen. Hier sind die Gründe:
- Unterschiedliche Datenstrukturen: Mediaplanungsdaten sind wie ein komplexes Puzzle, dessen Teile über verschiedene Formate verstreut sind. Herkömmliche Machine-Learning-Algorithmen erwarten saubere, konsistente Datentabellen, haben aber Schwierigkeiten, die miteinander verknüpften Kampagnenelemente zu verstehen. Außerdem können sie unstrukturierte Informationen aus Briefings oder E-Mails nur schwer verarbeiten.
- Verknüpfte Elemente: In der Mediaplanung hängt alles miteinander zusammen. Die Performance einer Facebook-Anzeige kann beispielsweise stark von einer parallel laufenden Google-Suchkampagne beeinflusst werden. Herkömmliche Algorithmen übersehen solche Zusammenhänge oft, vor allem wenn sie in unstrukturierten Daten wie E-Mail-Verläufen oder Besprechungsnotizen verborgen sind.
- Sich verändernde Kampagnen: Medienkampagnen sind dynamisch und entwickeln sich in Abhängigkeit von der Performance ständig weiter. Die meisten Machine-Learning-Modelle arbeiten jedoch mit statischen Datensätzen und können sich nur schwer an diese dynamischen Veränderungen anpassen. Dadurch entgehen ihnen wertvolle Erkenntnisse, die sich aus der laufenden Kommunikation und den sich entwickelnden Strategien ergeben.
- Unstrukturiertes Datenchaos: Viele wichtige Informationen sind in Kundenbriefings, E-Mails und Besprechungsnotizen versteckt. Herkömmliche Machine-Learning-Algorithmen sind nicht in der Lage, diese unstrukturierten Daten sinnvoll zu nutzen. Dadurch werden oft wichtige Erkenntnisse übersehen, die den Erfolg einer Kampagne maßgeblich beeinflussen könnten.
Ein klassischer Algorithmus könnte beispielsweise bei der Kategorisierung von Kunden nach demografischen Merkmalen glänzen, hätte aber Schwierigkeiten bei der Erstellung eines umfassenden Mediaplans, der viele miteinander verknüpfte Faktoren berücksichtigt und die subtilen Präferenzen der Kunden aus verschiedenen Datenquellen einbezieht.
Diese Grenzen verdeutlichen, warum fortgeschrittene KI-Ansätze erforderlich sind, um sowohl die strukturelle Komplexität als auch die unstrukturierte Datenfülle in der Mediaplanung zu bewältigen. Nur so können effektivere und tiefgreifendere Kampagnenstrategien entwickelt werden.
Der Aufstieg von generativer KI und Large Language Models (LLMs)
Generative KI und Large Language Models (LLMs) wie GPT-4, Claude und Llama haben die Art und Weise, wie wir mit Text interagieren und Text generieren, grundlegend verändert. Diese KI-Systeme haben sich von einfachen Vorhersagemodellen zu hoch entwickelten Systemen entwickelt, die Kontext verstehen, menschenähnlichen Text generieren und sogar komplexe Probleme lösen können.
LLMs bieten eine vielversprechende Lösung für die Herausforderungen der Mediaplanung, da sie in der Lage sind:
- Beschreibungen von Kampagnen in natürlicher Sprache zu verstehen und zu generieren
- Informationen aus verschiedenen Quellen zu verarbeiten und zusammenzufassen
- Kreative Ideen und Strategien zu entwickeln
Ein LLM könnte beispielsweise ein Briefing, in dem die Ziele, die Zielgruppe und das Budget einer Kampagne beschrieben werden, übernehmen und daraus einen detaillierten Mediaplan mit Kanalempfehlungen, Budgetverteilung und kreativer Ausrichtung erstellen.
Die RAG-Revolution: Daten sprechen lassen
Der nächste Schritt in diesem Bereich ist Retrieval-Augmented Generation (RAG). RAG ermöglicht es den Benutzern, mit ihren Inhalten – seien es Tabellen, PDFs oder sogar Videos – in einer Art Konversation zu interagieren. Es ist, als hätte man einen gut informierten Assistenten, der alle Dokumente gelesen hat und Fragen dazu beantworten kann.
In der Mediaplanung könnte RAG es Planern ermöglichen, Fragen zu stellen wie “Welcher Kanal war für Millennials im dritten Quartal des letzten Jahres am erfolgreichsten?”
Das Problem der Kontextlänge
Die Kontextlänge ist ein entscheidendes Konzept in der Künstlichen Intelligenz, insbesondere für Large-Language-Modelle (LLMs) und Retrieval-Augmented-Generation-Systeme (RAG). Man kann sich die Kontextlänge als das Kurzzeitgedächtnis der KI vorstellen – sie beschreibt die Menge an Information, die die KI gleichzeitig verarbeiten kann, um eine Antwort zu generieren oder eine Entscheidung zu treffen.
In Geschäftssprache übersetzt: In einem Meeting, das die Marketingstrategie des Unternehmens des vergangenen Jahres behandelt, lässt sich die Menge an relevanten Informationen mit dem vergleichen, was bei einer konkreten Fragestellung aktiv aus dieser Besprechung erinnert werden kann. Ähnlich wie es herausfordernd ist, sich an jedes Detail eines ganztägigen Meetings zu erinnern, haben auch KI-Modelle ihre Grenzen in der Verarbeitung der Informationsmenge, die sie gleichzeitig verarbeiten können.
Zum Beispiel:
- GPT-4: ~128.000 Token (etwa 96.000 Wörter)
- Claude 3: ~100.000 Token (ca. 75.000 Wörter)
- LLaMA 3: ~8.000 Zeichen (ca. 6.000 Wörter)
- Phi-3: ~2.048 Token (ca. 1.500 Wörter)
Diese Kontextlängen mögen umfangreich erscheinen, reichen aber oft nicht aus, um die riesigen Datenmengen zu bewältigen, die bei einer umfassenden Mediaplanung anfallen. Man stelle sich ein großes Unternehmen mit mehreren Marken vor, die jeweils zahlreiche Kampagnen über verschiedene Kanäle durchführen. Die Gesamtdaten für die Kampagnen eines Jahres könnten selbst die größten verfügbaren Kontextfenster leicht sprengen.
Diese Einschränkung stellt eine große Herausforderung für RAG-Systeme in unserem Anwendungsfall der Mediaplanung dar. RAG funktioniert, indem es relevante Informationen abruft und diese verwendet, um Erkenntnisse oder Antworten zu generieren. Wenn jedoch die abgerufenen Informationen die Kontextlänge überschreiten, kann das System nicht alle relevanten Daten gleichzeitig berücksichtigen. Dies kann zu unvollständigen Analysen oder Empfehlungen führen, die nicht den gesamten Umfang Ihrer Mediaplanungshistorie berücksichtigen.
Wenn Sie beispielsweise ein RAG-System fragen: „Welche Kanäle haben in den letzten drei Jahren für jede Produktlinie am besten abgeschnitten?“, könnte es Schwierigkeiten haben, eine umfassende Antwort zu geben. Das System müsste Kampagnendaten über mehrere Produkte, Kanäle und Jahre berücksichtigen – und würde damit möglicherweise seine Kontextlänge überschreiten und eine unvollständige oder ungenaue Antwort liefern.
Diese Beschränkung der Kontextlänge unterstreicht, warum fortschrittlichere Ansätze wie Feintuning und agentenbasierte Systeme notwendig sind, um die Komplexität der Mediaplanung in großen, datenreichen Umgebungen zu bewältigen.
Feintuning: Der logische nächste Schritt
Feintuning bietet eine Lösung für das Problem der Kontextlängenbeschränkung. Mithilfe des Feintunings eines LLM auf spezifische Mediaplanungsdaten können wir Domänenwissen direkt in die Parameter des Modells einbetten. Dadurch kann das Modell relevante Ergebnisse generieren, ohne alle Daten in ihrem unmittelbaren Kontext zu benötigen.
Stellen Sie sich vor, Sie bringen dem Modell die „Sprache“ der Mediaplanung bei. Nach dem Feintuning kennt das Modell nicht nur Wörter und Grammatik – es versteht auch die Feinheiten von CPM, Zielgruppensegmentierung und Cross-Channel-Attribution.
Das LLM-Ökosystem: Closed vs. Open Source
Bei der Entscheidung für ein Feintuning ist es wichtig, das LLM-Ökosystem zu verstehen:
Closed-Source-Modelle: Dies sind proprietäre Modelle wie GPT-4 (OpenAI) oder Claude (Anthropic). Sie bieten Spitzenleistungen, sind aber mit Nutzungseinschränkungen und potenziellen Datenschutzproblemen verbunden.
Open-Source-Modelle: Modelle wie LLaMA (Meta), Phi-2 (Microsoft) oder Mistral (Mistral AI) können frei verwendet und modifiziert werden. Sie haben zwei entscheidende Vorteile:
- Datensicherheit: Sie können diese Modelle auf Ihrer eigenen Infrastruktur laufen lassen und so sicherstellen, dass sensible Mediaplanungsdaten niemals Ihre Kontrolle verlassen.
- Anpassbarkeit: Sie haben die Freiheit, diese Modelle an Ihre spezifischen Bedürfnisse anzupassen.
Für eine Mediaplanungsagentur, die mit vertraulichen Kundendaten arbeitet, könnte ein Open-Source-Modell die nötige Flexibilität und Sicherheit bieten.
Herausforderungen des Feintunings
Das Feintuning bietet ein großes Potenzial, ist aber auch mit Herausforderungen verbunden. Sie erfordert:
- erhebliche Rechenressourcen
- einen großen, qualitativ hochwertigen Datensatz
- Fachwissen im Bereich des maschinellen Lernens und der Verarbeitung natürlicher Sprache
Beim Finetuning geht es im Wesentlichen darum, die Parameter des Modells zu aktualisieren und ihm neue Informationen und Verhaltensweisen beizubringen. Dies ist ein heikler Prozess – wenn man zu weit geht, kann das Modell zu sehr spezialisiert werden und seine allgemeinen Fähigkeiten verlieren.
Über das Feintuning hinaus: Der agentenbasierte Ansatz
Ein Feintuning-Modell ist zwar leistungsfähig, aber keine vollständige Lösung für die Komplexität der Mediaplanung. Hier kommt die Welt der KI-Agenten ins Spiel – autonome Programme, die ihre Umwelt wahrnehmen, Entscheidungen treffen und Maßnahmen ergreifen, um bestimmte Ziele zu erreichen.
In der Mediaplanung können mehrere spezialisierte Agenten zusammenarbeiten:
- Datenanalyse-Agent: Er wertet Zahlen aus vergangenen Kampagnen aus.
- Trend-Monitoring-Agent: Er hält sich über die neuesten Mediennutzungsgewohnheiten auf dem Laufenden.
- Agent für kreative Ideenfindung: Er entwickelt innovative Kampagnenkonzepte.
- Agent zur Budgetoptimierung: Allokiert Ressourcen für maximalen ROI.
- Agent für die Planerstellung: Fügt alle Teile zu einem kohärenten Plan zusammen.
Diese Agenten können zusammenarbeiten, wobei jeder das Finetuning des LLM nutzt, um relevante Inhalte in seinem Bereich zu verstehen und zu generieren.
Stellen Sie sich das folgende Szenario vor:
- Ein Kunde brieft Sie für die Einführung eines neuen Produkts.
- Der Trend-Monitoring-Agent identifiziert neue Plattformen, die bei der Zielgruppe beliebt sind.
- Der Creative-Ideation-Agent entwickelt Kampagnenkonzepte, die auf diese Plattformen zugeschnitten sind.
- Der Budget-Optimization-Agent weist die Ressourcen auf Basis der prognostizierten Performance zu.
- Der Plan-Assembly-Agent erstellt einen vollständigen Mediaplan, der anschließend von einem menschlichen Planer überprüft und verfeinert werden kann.
Dieser agentenbasierte Ansatz kombiniert die Leistungsfähigkeit künstlicher Intelligenz mit dem differenzierten Verständnis menschlicher Mediaplaner und schafft so eine symbiotische Beziehung, die den gesamten Planungsprozess aufwertet.
Fazit: Die Zukunft der KI in der Mediaplanung
Der Weg von komplexen Daten zur KI-gesteuerten Mediaplanung ist kein gerader. Es gilt, die einzigartigen Herausforderungen der Branche zu verstehen, die Leistungsfähigkeit moderner KI-Technologien zu nutzen und verschiedene Ansätze sorgfältig zu kombinieren.
Es gibt noch Hindernisse, aber das Potenzial ist immens. Durch den Einsatz von Finetuning-LLMs und autonomen Agenten können Medienplaner weniger Zeit für die Datenverarbeitung und mehr Zeit für strategisches und kreatives Denken aufwenden. Das Ergebnis? Effektivere Kampagnen, zufriedenere Kunden und eine Medienlandschaft, die so dynamisch und innovativ ist wie die Technologie, die sie antreibt.
Die Zukunft der Mediaplanung liegt nicht darin, dass KI den Menschen ersetzt, sondern dass KI den Menschen befähigt, intelligenter, schneller und kreativer zu arbeiten. An der Schwelle dieser KI-gesteuerten Revolution ist eines klar: Die erfolgreichsten Mediaplaner von morgen werden diejenigen sein, die heute lernen, mit den Algorithmen zu tanzen.
Hinweis: Dieser Artikel wurde aus dem englischen Original ins Deutsche übersetzt.
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