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MARTECH

Die unterschätzte Komplexität von Personalisierungsstrategien

Jan Kempelmann, Inge Scheibel, 20. September 2024
Bild: Luke Jones – Unsplash

Personalisierungsmaßnahmen sind heute fester Bestandteil der Marketingstrategie nahezu jedes Unternehmens – oder sollen es werden. Kaum verwunderlich, denn zahlreiche Studien belegen, dass Personalisierung die Customer Experience erheblich verbessert und somit einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil bei der Kundenakquise und -bindung darstellt. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Oft wird die Komplexität des Vorhabens unterschätzt. Damit Personalisierung den gewünschten Effekt erzielt, gibt es fünf zentrale Aspekte zu berücksichtigen.

Der Umfang der Personalisierung sollte stets so gewählt werden, dass er mit dem jeweiligen Geschäftsmodell harmoniert. Ein hoher Grad an Personalisierung ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn es die eigenen digitalen Absatz- und Marketingkanäle (und die damit verbundene Anzahl digitaler Kontakte) überhaupt hergeben. Was ebenfalls oft vergessen wird: Personalisierung ist weit mehr als eine technologiegetriebene Initiative. Sie erfordert das Zusammenspiel von verschiedenen Disziplinen: Customer Data Management, Datenethik und -schutz, intelligentes Content Management, die passende Kultur und Organisation sowie den sinnvollen Einsatz generativer KI.

1. Customer Data Management: eine CDP allein reicht nicht

Eine der Kernvoraussetzungen für eine zielführende Personalisierung ist die Erfassung von kanalübergreifenden Kundeninteraktionen. Ohne detailliertes Wissen darüber, welche Berührungspunkte Neu- oder Bestandskund:innen mit der Marke hatten, lassen sich keine fundierten Entscheidungen über geeignete personalisierte Angebote treffen. Wir beobachten häufig, dass Unternehmen ihre Customer Data Platform (CDP) als alleinige Lösung der Personalisierungsstrategie betrachten. Es muss jedoch bereits im Vorfeld sichergestellt werden, dass die Erfassung und Pflege der Kundendaten zuverlässig funktioniert. Beispielsweise ist die Erfassung von Stammdaten im CRM-System oft eine essenzielle Grundlage für die Weiterverarbeitung in der CDP, die unter anderem diese Daten orchestriert und sinnvoll anreichert.

Ebenso sollte die Frage nach dem Datenvolumen und der Data Ownership gestellt werden. Es gibt keine klare Datensatz-Schwelle, die eine CDP befürwortet oder verneint, jedoch sollte eine signifikante Menge an First-Party-Daten vorhanden sein oder gezielt aufgebaut werden. Die interne Kollaboration im Zuge der “Profile Creation” und die damit aus der Historie definierte Data Ownership spielen hierbei ebenfalls eine entscheidende Rolle. Eine CDP lebt vom Zusammenführen von Kundeninteraktionen unterschiedlicher Touchpoints.

Schlussendlich müssen Unternehmen im Bereich Customer Data Management dafür sorgen, dass ihre Martech-Systeme einen reibungslosen Austausch von (Echtzeit-)Informationen ermöglichen. Das kann unter Umständen über native Konnektoren erfolgen, aber auch über individuelle Lösungsansätze beziehungsweise Data Pipelines. Die Erwartung kann dabei aber nicht sein, dass alles “out-of-the-box” integrationsfähig ist.

Trotz zahlreicher Strafen im Rahmen der DSGVO bleibt das Thema Consent Management und die Definition ethischer Richtlinien in vielen Personalisierungsstrategien nur ein Randthema. Die Bedeutung dieser Aspekte wird jedoch schnell klar, wenn Plattformbetreiber oder der:die eigene Datenschutzbeauftragte Einspruch gegen die Nutzung von Kundendaten erheben und damit angedachte Szenarien nicht mehr umzusetzen sind. Es geht hierbei nicht nur um die Zustimmung zur Nutzung von Cookies, sondern um ein umfassendes Einverständnis und klare ethische Richtlinien für den Umgang mit Kundendaten sowie flexible Strategien, um mit neuen Gesetzgebungen und technischen Neuerungen umzugehen.

Mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Personalisierung wird die Einhaltung ethischer Standards sogar noch wichtiger. Die Vermeidung von algorithmischen Verzerrungen ist dabei nur ein Aspekt. Es ist entscheidend, dass Werbetreibende, externe Berater und Plattformanbieter eine transparente Kommunikation über eingesetzte Modelle und deren Auswirkungen sicherstellen. Umso wichtiger ist die Etablierung einer Kultur der Wissensverantwortung.

3. Content Management: Personalisierte Kampagnen benötigen gute Inhalte

Hochwertiger Content ist ein häufig unterschätzter Aspekt der Personalisierung, obwohl er entscheidend für den Erfolg personalisierter Kampagnen ist. Auf dem Markt beobachten wir in der Regel zwei typische Reifegrade:

  1. Unternehmen, die noch mit grundlegenden Herausforderungen kämpfen, wie dem Mangel an marketingfähigen Produktbeschreibungen und Bildern. Diese Unternehmen besitzen oft auch keine Rechte an ihren digitalen Assets, da diese von externen Agenturen verwaltet werden, was die Personalisierung erheblich erschwert.

  2. Unternehmen, die bereits in Projekte wie PIM (Product Information Management) und DAM (Digital Asset Management) investiert haben. Sie haben die Qualität ihrer Inhalte bereits verbessert und Prozesse zur Content-Erstellung automatisiert.

Die organisatorische Ebene eines Content-Planungs- und Content-Erstellungsprozesses ist als Ergänzung dazu eine Erweiterung der Komplexität. Diverse Tools helfen dabei, Abstimmungs-, Freigabe- oder Reportingprozesse effizienter zu gestalten, in den unterschiedlichen Disziplinen (Kreation, Design, Kampagnen-Manager et cetera) in einer Plattform agieren können.

4. Kultur und Organisation: ein datengetriebenes Mindset muss her

Eine erfolgreiche Personalisierung erfordert zum einen eine datengetriebene Kultur, um valide Entscheidungen treffen zu können (z.B. in der Kanalauswahl, Kundendatensegmentierung et cetera), zum anderen um die Gestaltung einer effizienten, technologisch unterstützten Organisationsstruktur, welche die prozessualen Anforderungen erfüllt, zu ermöglichen.

Zumeist sprechen wir hier von einer intelligenten Content Supply Chain, die durch Kollaborationsplattformen die notwendige Geschwindigkeit erlauben soll – gestützt durch ein intelligentes Marketing Operating Model, das das Zusammenspiel von Kreation, Marketingstrategie, Media, Analytics und Tech sowohl im Setup einer Personalisierungsinfrastruktur als auch im operativen Kampagnenbetrieb spezifiziert.

Beim Design eines solchen Operating Models darf das Zusammenspiel von Marketing und IT nicht vernachlässigt werden. Die Übersetzung zwischen diesen Abteilungen ist essenziell für eine erfolgreiche Implementierung von Personalisierungsstrategien, da die Frage nach dem Datenmanagement oftmals nicht allein aus dem Marketing heraus beantwortet werden kann. Vice versa muss innerhalb der IT-Abteilung eine Martech-Kompetenz aufgebaut werden, die abseits von Latenztests ein Verständnis mitbringt, welche Lösungen und Daten im Sinne einer Kampagnenaktivierung genutzt werden sollen.

Getreu dem Motto „Culture eats strategy for breakfast“ sollte eine datengetriebene Arbeitsweise bereits bei der Erstellung einer Personalisierungsstrategie verankert werden. Andernfalls ist die Gefahr signifikant höher, eine nicht-kundenzentrierte Personalisierungsstrategie zu entwickeln – sei es bei der Kanalauswahl oder der Segmentierungsstrategie.

5. Last but not least: Künstliche Intelligenz

(Generative) KI ist ein bedeutender Treiber von Personalisierungsstrategien – sei es im Content-Erstellungsprozess, bei der Analyse von Kundeninteraktionen, als intelligente Basis zur Segmentierung oder bei der Unterstützung im Plattformhandling durch Marketer:innen, die keine Data-Engineering-Fähigkeiten mehr brauchen.

KI ist somit ein Schlüsselelement mit dem Ziel, das Customer Data Management und die Content-Erstellung im Sinne der Personalisierung skalierbar zu gestalten. Wie eingangs erwähnt, ist eine realistische Debatte darüber zu führen, wie Personalisierung aus Unternehmenssicht gelebt werden sollte. Dasselbe gilt auch für den Einsatz von KI und die erhofften Effizienzsteigerungen. KI allein kann keine Personalisierungsstrategie umsetzen; der „Human Factor“, die Richtlinien im Bereich Data Privacy und die zugrundeliegende Datenstrategie bleiben entscheidend und bilden das Fundament.

Bild Jan Kempelmann Über den Autor/die Autorin:

Jan Kempelmann ist Experte für die strategische Evaluierung von datengetriebenen Maßnahmen im Sinne der kundenzentrierten Marketingstrategie in Kombination mit einer zukunftsfähigen Organisationsstruktur.

Bild Inge Scheibel Über den Autor/die Autorin:

Inge Scheibel berät Organisationen bei Initiativen rund um Martech Rationalization und Customer Data Platforms. In ihrer Rolle hat sie einen gesamtheitlichen Blick, der wirtschaftliche, technologische und organisatorische Gesichtspunkte einschließt.

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