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AUDIO

Warum Audio nicht das Schicksal des linearen TV erleiden wird

Karsten Zunke, 26. August 2024
Bild: FPVmat A – Unsplash

Der Audio-Sektor kommt bei der Digitalisierung von Inhalten und Werbung gut voran. Werbetreibende finden hier mittlerweile ein ausgewogenes Gesamtangebot aus digitalen und linearen Reichweiten. Radio wird zunehmend programmatisch gedacht und wichtige Prozesse im Rahmen einer Podcast-Vermarktung werden dank künstlicher Intelligenz künftig einfacher und leichter zu koordinieren sein. ADZINE hat mit Matthias Schenk, Director Product Development bei RMS, über die aktuellen Entwicklungen im Audio-Markt gesprochen und dabei auch einen Blick auf die technologische Zukunft geworfen.

Bild: RMS Matthias Schenk, RMS

ADZINE: Matthias, verglichen mit dem Bewegtbildbereich, in dem Streaming und Connected TV dem linearen TV zusetzen, hat Audio nicht so große Umbrüche hinter sich. Wie schätzt du die aktuelle Entwicklung im Digital-Audio-Markt ein?

Matthias Schenk: Das Schicksal des linearen TV wollen wir nicht erleiden und wir sind auf einem guten Weg, dass das nicht passiert. Im Audiobereich haben wir einen etwas anderen Fokus und auch andere Voraussetzungen. Hier ist es nicht so, dass die Hörenden in Scharen die terrestrische Nutzung aufgeben. Solange es Radios im Auto gibt, wird das nicht passieren. Auch die digitalen Reichweiten von DAB+ werden terrestrisch ausgestrahlt. Die Mechanik der Audio-Medienwelt ist daher weitgehend terrestrisch. Wir sehen aber durchaus, dass vor allem jüngere Zielgruppen zu Hause von klassischen Radiogeräten auf digitale Ausgabegeräte wie WLAN-Radios oder Smart Speaker umsteigen, die bei einigen unserer Sender bereits 50 Prozent der Reichweite ausmachen.

ADZINE: Bei den jüngeren Zielgruppen erfreuen sich insbesondere Podcasts noch immer wachsender Beliebtheit: Wie entwickelt sich dieser Bereich aus Vermarktersicht?

Schenk: Der Podcast-Boom wurde und wird vor allem durch die Substitution von TV-Konsum durch Audiokonsum befeuert. Dieser Trend hält an. Statt nebenbei fernzusehen, hört man heute einen Podcast. Diese Entwicklung ist für uns als Vermarkter erfreulich, weil es für uns neue Nutzungssituationen schafft, und die Reichweite von Audio weiter erhöht. Gleichzeitig ist der Audiokonsum außer Haus gestiegen, weil viele Menschen Podcasts auch unterwegs hören. Das heißt, wir haben jetzt Zielgruppen in neuen Audionutzungssituationen, in denen man sie früher nur über Out-of-Home-Werbung erreichen konnte. Bei der Podcast-Vermarktung setzen wir zunehmend auf eine automatisierte Aussteuerung von Podcast-Werbung, die über Adserver ausgespielt wird. Vor rund drei Jahren sind wir damit live gegangen, heute erwirtschaften wir darüber sehr relevante Umsätze.

ADZINE: Und perspektivisch …?

Schenk: Die Mischung aus nativer Podcast-Vermarktung und Adserver-Vermarktung hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, daran werden wir weiterarbeiten. Ein großes Potenzial für die Podcast-Vermarktung liegt im Voice-Cloning – dabei werden die Stimmen der Podcast-Sprecher geklont und mit ihnen Audiospots aufgenommen. Das ist für den Markt attraktiv, weil die Werbung so sehr nah am Podcast ist. Gleichzeitig hat es weitere Vorteile für die Werbetreibenden, da sie schriftliche Skripte erstellen können, die von der KI nur noch vorgelesen werden. Das ist in der Praxis einfacher zu koordinieren. Man braucht nur ein Skript, das man mit allen Beteiligten abstimmt und dann über alle Podcasts ausrollt. Das erleichtert die Arbeit enorm. Und es vereinfacht die Prozesse. Auf der Dmexco an unserem Stand werden wir dazu eine erste Lösung in einer Live-Demo vorstellen.

ADZINE: Apropos vereinfachen – wie weit seid ihr im Audio-Bereich bei dem Thema Programmatic?

Schenk: Es ist relevant, aber auf der Agenturseite noch kein großes Thema. Ein Grund dafür ist das schwierige Retargeting, da Audio ohne Cookies auskommt beziehungsweise es nur in kleinen Teilbereichen möglich ist. Nicht zuletzt deshalb setzen wir auf eine eigene Data Management Platform. Auf Basis unserer Daten können wir mit ihrer Hilfe Nutzer auf dem WLAN-Radio oder einem Smart-Speaker wiederfinden. In diesem Bereich werden zum Beispiel programmatische Kampagnen intensiv genutzt, aber das ist nur ein Teil des Geschäfts, denn das Retargeting der Agenturen auf die Audio-Reichweiten funktioniert nicht. Um die Möglichkeiten zu verbessern, haben wir vor einigen Monaten das Audio-Pixel gelauncht, mit dem wir Conversions auf Websites nachweisen können. Gleichzeitig denken wir das ganze Thema Radio immer stärker programmatisch, um ein Gesamtangebot aus allen Audio-Reichweiten, digital und linear, im Markt platzieren zu können. Noch vor vier Jahren hieß es, Radio sei nicht programmatisch abbildbar. Heute können wir problemlos in Echtzeit Spots im linearen Radioprogramm austauschen. Wir sind auf dem richtigen Weg.

ADZINE: Im Display-Bereich werden beim Thema Programmatic schnell Bedenken zur Brand Safety geäußert. Wie sieht das bei Audio aus?

Schenk: Audio hat den großen Vorteil, dass die Werbung serverseitig und nicht clientseitig ausgeliefert wird. Das heißt, es ist technisch nicht möglich, dass die Werbung in einem anderen Stream erscheint, als sie erscheinen soll. Wir sind also technisch auf der sicheren Seite. Gleichzeitig kennen wir unsere Publisher und schalten sie aktiv frei. Hier gibt es auch kein Inventar, das von Adnetworks eingespeist werden kann, auch programmatisch arbeiten wir nur mit Private Deals und halten uns vom Open Market fern. Wir hören uns die Spots sogar einmal an, bevor wir sie schalten.

ADZINE: Welche Entwicklungen erwartest du für den Digital-Audio-Werbemarkt für die Zukunft? Wo geht die Reise hin?

Schenk: Ich gehe davon aus, dass sich die Audio-Nutzung im Auto in den nächsten fünf bis zehn Jahren komplett verändern wird. Die Menschen werden im Auto anders mit Medieninhalten umgehen. Schon heute ist der Trend zu kompletten Entertainmentsystemen zu beobachten. Das wird für uns interessant werden, weil es dann auch Rückkanalfähigkeiten geben wird. So können zum Beispiel elektronische Chips in Auto-Entertainment-Systeme integriert werden, die es ermöglichen, rückkanalfähige digitale Werbung individualisiert an den Hörer auszuspielen. Erste Konzepte gibt es bereits. Das wird ein Thema sein, das neue Möglichkeiten der situativen Ansprache ermöglicht – wenn ein Autofahrer zum Beispiel in der Großstadt im Stau steht, kann er andere getargetete Audiospots im linearen Radio hören als bei freier Fahrt auf der Autobahn. Wir werden auf weitere technische Innovationen vorbereitet sein.

ADZINE: Danke für das Gespräch, Matthias.

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