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CONTENT MARKETING

Native Advertising ist für Content Marketing gedacht – und kein Affiliate-Geschäft

Anton Priebe, 12. August 2024
Bild: Jakob Owens – Unsplash

Native Advertising ist anfangs mit den sozialen Netzwerken groß geworden und hat sich schnell seinen Weg ins offene Internet gebahnt. Viele verbinden Native im Open Web heute mit Anzeigen für Fußpilz-Salben oder Schlankheitspillen – zu Unrecht, meint Tomas Forsbäck, Gründer und CEO des finnischen Adtech-Unternehmens Readpeak. Forsbäck hat früher im Printsektor Advertorials erarbeitet und sich irgendwann gefragt, wie man diese Advertorials in den digitalen Werbekosmos auf Publisher-Seiten übertragen könnte. Nach der Gründung hat Readpeak zunächst mit eigener Technologie strategisch an Native-Kampagnen gearbeitet. Heute ist daraus eine Demand-Side-Plattform im Self-Service geworden, die rein auf CPC ausgerichtet ist und einer Premium-Philosophie folgt. Im Interview spricht Tomas Forsbäck über das wahre Wesen von Native Advertising, erklärt, worin die Gattung besonders stark ist und wohin sie sich noch entwickeln wird.

Bild: Readpeak Tomas Forsbäck, Readpeak

ADZINE: Hallo Tomas, Native-Plattformen gibt es einige am Markt. Inwiefern hebt ihr euch von der Konkurrenz ab?

Tomas Forsbäck: Programmatic Advertising ist mit der Annahme gestartet, dass es keine Rolle spielt, wo man sein Inventar kauft – Hauptsache, es liegt ein gutes Targeting darauf. Es wird Media gekauft, egal ob die Audience nun auf einer großen News-Seite oder einem Microblog in Afrika gefunden wird. So lässt sich natürlich ziemlich günstig Media einkaufen. Für Marken spielt es aber sehr wohl eine Rolle, wo sie gesehen werden. Vor allem wenn wir uns in den Bereich Brand Safety, Brand Suitability oder Datenschutz vorwagen. Deswegen wählst du bei uns für jede Kampagne selbst aus, auf welchen Premium-Seiten du gesehen werden willst.

Alle anderen DSPs wurden zudem primär für Display entwickelt. Andere Formate wie Rich Media, Video, Native oder Audio kamen später hinzu. Die Optimierungs- und Auslieferungslogik hat sich jedoch kaum verändert. Wir haben uns hingegen von Anfang an darauf konzentriert, die Anzeigen innerhalb einer spezifischen Seite zu optimieren, um sie so relevant wie möglich für die jeweiligen Nutzer zu gestalten. Dabei orientieren wir uns nicht an der Audience, sondern an tiefergehenden Daten und omnikontextuellem Targeting.

ADZINE: Was versteht ihr unter omnikontextuellen Targeting und welche Daten kommen dabei ins Spiel?

Forsbäck: Wir indizieren jede Tag-ID jedes einzelnen Placements auf einer Website und kombinieren diese mit Performance-Daten, Website-Daten, Formatdaten, historischen Daten und kontextuellen beziehungsweise semantischen Daten. Damit nähren wir unsere Machine-Learning-Engine, die unserem Bidder hilft, das richtige Gebot zu tätigen. Der Bidder besteht aus verschiedenen Algorithmen. Beispielsweise dient einer dazu, die CTR der Ads für jedes einzelne Placement vorhersagen, ein anderer optimiert auf den günstigsten Auktionspreis.

Wir hatten gerade erst eine Kampagne auf einer großen, deutschen News-Seite eines Kommunikationsanbieters, bei der 200.000 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten mit Blick auf die Placements, Formatgröße et cetera existierten. Von diesen 200.000 Kombinationen haben nur 140 gut funktioniert. 40 wiederum haben sehr gut performt. Wir haben also im Endeffekt mit Machine Learning einen automatisch-kuratierten Marktplatz für jede Seite geschaffen und wissen, welches Inventar für welche Kampagne und für wen funktioniert.

ADZINE: Müsst ihr euch in Deutschland entsprechend gegen andere Native-Plattformen wie Taboola und Outbrain durchsetzen?

Forsbäck: Es gibt große DSPs und Plattformen, die sich auf Native Advertising im deutschen Markt konzentrieren. Bei anderen Native-Plattformen stammt der Großteil ihres Geschäfts aus Affiliate- und MFA-Netzwerken, und ihre Anzeigen laufen hauptsächlich auf Content-Empfehlungs-Widgets. Insgesamt wird Programmatic Native im deutschen Markt noch wenig genutzt, da nur 5 Prozent der Publisher echte Programmatic-Native-Formate nach IAB-Standard implementiert haben.

ADZINE: Worin ist Native Advertising besonders stark? Welche Werbeziele können am besten damit erreicht werden?

Forsbäck: Native Advertising ist der verlängerte Arm für Content-Marketing auf Publisher-Medien. Die Stärke von Native besteht darin, über ein vertrauenswürdiges, an den Publisher angepasstes Format die Aufmerksamkeit von potenziellen Lesern zu erlangen, damit sie mit Inhalten von Marken interagieren können, die ihnen einen tatsächlichen Mehrwert liefern. Die Marken sind damit Teil der Erfahrung, die der User mit den Publishern macht. Ein Teil der Stories zu sein, und weniger der Werbeanzeigen, ist für die Marken sehr wertvoll. Das haben zum Beispiel auch alle großen Social-Media-Plattformen verinnerlicht, die keine klassischen Formate, Banner, Interstitials oder Popups verwenden. Gerade in Zentraleuropa ist Native immer weiter in den Low Funnel gerutscht. Dabei können Marken mit Native sehr früh Teil der Customer Journey werden und in das Mindset des Users gelangen, bevor dieser eine Kaufentscheidung fällt.

ADZINE: Das setzt voraus, dass der Content gut ist. Native Advertising verbinden viele mit Hörgerätetests, Nahrungsergänzungsmitteln oder Goldinvestments.

Forsbäck: Das ist der springende Punkt. Im Native Advertising findet man viele Low-Funnel-Kampagnen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben. Diese stammen von den Affiliate-Netzwerken. Da steckt zwar viel Geld drin, es hat aber nichts mehr mit dem ursprünglichen Gedanken von Content Marketing oder dem Mehrwert von Native Advertising zu tun.

Wir hatten beispielsweise einen Kunden, der viel Branding weit oben im Funnel mit Display und Video betrieben hat und Lead-Generierung sehr spitz unten im Funnel ansiedelte. Es fehlte ein Format in der Mitte, um die User von oben nach unten zu begleiten. Native ist darin stark, wenn die Inhalte entsprechend gut sind. In den Nordics sehen wir diesen Content auf journalistischem Niveau. In Deutschland nicht.

ADZINE: Native Advertising hatte insbesondere beim verstärkten Aufkommen vor etwa zehn Jahren den Ruf, Werbung zu “verstecken” und User zu täuschen. Wie siehst du das?

Forsbäck: Heute wird Native Advertising zum Glück reguliert. Es existieren klare Regeln, welche Werbung wie gekennzeichnet sein muss. Das gab es viele Jahre nicht. Native Ads müssen sich zwar an den Look & Feel der Website anpassen. Aber ebenso muss direkt ersichtlich sein, dass es sich um Werbung handelt und welcher Werbetreibende dahinter steht.

Mit Blick auf die Performance haben wir übrigens verschiedene Modelle getestet. In einer Variante haben wir dreimal den Hinweis “Anzeige” in den Artikel platziert. Selbst das hatte auf die Performance keine negative Auswirkung. Es zeigen sich jedoch negative Auswirkungen für die Marke, wenn die Werbung nicht klar gekennzeichnet ist. Denn dann kommt es zu einer schlechten Brand Experience.

ADZINE: Du hast bereits erwähnt, dass Machine Learning eine Rolle bei der Optimierung der Gebote spielt. Was ist mit Generative AI? Wird sie Native Advertising zu einem Boost verhelfen? Wenn ja, wie?

Forsbäck: Wir haben zum Beispiel einen Ad Creator für unsere Anwender gelauncht. So kannst du mit einem Klick neue Creatives generieren, basierend auf einer Landing Page, Marke oder anderen Ads in der Kampagne. Viele verschiedene Creatives auszuprobieren, ist im Programmatic Native sehr wichtig. Die Agenturen haben nur meistens nicht die Zeit oder die Mittel, verschiedene Varianten zu testen. Hier wird Generative AI definitiv helfen. Wir nutzen die AI auch dafür, Creatives zu empfehlen, die in bestimmten Kontexten gut funktioniert haben.

KI ist jedoch ein Buzzword. In vielen Fällen ist traditionelles Machine Learning effizienter. Es geht immer um den Zweck dahinter. Wir sprechen mit unserem Tech-Team viel über den besten und effizientesten Weg, um Lösungen zu entwickeln. Und das ist nicht immer der neueste Trend. Trotz allem entwickelt sich Generative AI unglaublich schnell weiter. In einem Jahr werden sich die Use Cases also wahrscheinlich schon wieder weiterentwickelt haben.

ADZINE: Danke für das Gespräch, Tomas!

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