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ADTECH

Umbruch im Measurement am Horizont

Karsten Zunke, 17. Juli 2024
Bild: Patricia Serna – Unsplash

Künstliche Intelligenz, das Aufkommen von Attention-Metriken und der Wunsch von Werbetreibenden, ihren CO2-Fußabdruck zu senken: Beim Mess- und Analysedienstleister Doubleverify ist man der Ansicht, dass sich die digitale Werbelandschaft in einem Umbruch mit Blick auf das Measurement befindet. Wir haben mit Michael Fuhrmann, RVP DACH & CEE Doubleverify, über die aktuellen Entwicklungen in der Werbeindustrie gesprochen.

ADZINE: Wir erleben momentan eine Content-Explosion durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Was bedeutet das im Digital Advertising für die Markensicherheit?

Bild: Doubleverify Michael Fuhrmann, Doubleverify

Michael Fuhrmann: Die weit verbreitete Auffassung ist, dass ein KI-Einsatz gut für alle Beteiligten ist. Aber KI kann im Marketing auch negative Auswirkungen haben. Die massenhafte Content-Erstellung mithilfe von generativer KI führt zu einer erheblichen Zunahme von nutzergenerierten Inhalten. Dies erschwert die Qualitätskontrolle der Inhalte und erhöht das Risiko, dass Anzeigen neben ungeeignetem oder schädlichem Inhalt platziert werden.

Eine nuancierte Betrachtung ist jedoch notwendig, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Denn generative KI-Tools können die Produktion von minderwertigen Inhalten beschleunigen und damit die Medienqualität und -leistung beeinträchtigen. Unser eigener Report für 2024 zeigt einen Anstieg des Impressionsvolumens für Made For Advertising (MFA) um 19 Prozent. Dieser Anstieg beruht mehrheitlich auf Webseiten, die KI-generierte oder wortwörtlich kopierte Inhalte beinhalten. Darüber hinaus stellt die große Menge an neuem Content eine Herausforderung für veraltete Brand-Safety-Mechanismen dar, die oft nicht schnell genug auf den Anstieg reagieren können.

ADZINE: Wie lässt sich die Qualität des Content-Umfelds für Marken sicherstellen?

Fuhrmann: Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen Werbetreibende Filter- und Monitoring-Systeme einsetzen, die in der Lage sind, Inhalte in Echtzeit zu analysieren und zu bewerten. Grundsätzlich muss man dabei zwischen Brand Safety und Brand Suitability unterscheiden. Die Brand Safety folgt einheitlichen Regeln und lässt sich universell definieren. Markenschädliche Inhalte werden dabei kategorisch ausgeschlossen. Etwas komplexer ist das Thema Brand Suitability. Hier geht es darum, welcher Kontext noch geeignet ist, um eine Marke zu präsentieren. Dies ist von Marke zu Marke höchst unterschiedlich. Für einen Hersteller von Kinderbekleidung ist der passende Kontext beispielsweise ein anderer als für einen Bierbrauer. Auch kulturelle Unterschiede können eine Rolle spielen.

ADZINE: KI verändert nicht nur die Art und die Menge der Inhalte, sondern spielt ebenfalls für die Kampagnen-Auslieferung und -Aussteuerung eine Rolle. Hilft KI auch euch als Verification-Anbieter?

Fuhrmann: Ja. Wir klassifizieren jeden Tag Video-Content mit rund 60 Jahren View Time. KI hilft uns, indem sie Inhalte automatisch klassifiziert und potenziell schädlichen Content frühzeitig erkennt und blockiert. Darüber hinaus treiben wir mit KI viele unserer Lösungen an. Scibids AI zum Beispiel arbeitet auf DSP-Ebene, um den ROI von programmatischen Werbekampagnen zu optimieren. Darüber hinaus setzen wir KI ein, um die Verschwendung von Werbebudgets zu verhindern. Unsere KI-gestützte, deterministische Methodik zur Aufdeckung und Verhinderung von Ad Fraud sorgt für höhere Genauigkeit. Ähnlich verbessert KI auch unsere Fähigkeit, Markenwerte zu schützen, indem sie hilft, alle Arten von Inhalten in großem Umfang über alle Umgebungen hinweg zu analysieren. KI ist aus unserer Sicht momentan aber nur ein Thema von mehreren, das für den Umbruch verantwortlich ist, den wir aktuell im Marketing erleben.

ADZINE: Von welchem Umbruch sprichst du?

Fuhrmann: In der gesamten Gesellschaft setzt sich der Nachhaltigkeitsgedanke immer stärker durch. Sustainability ist darum ein Thema, dass insbesondere im Programmatic Advertising auf die Tagesordnung gehört und auch auf die Tagesordnung gesetzt wird. Werbetreibende legen immer mehr Wert auf die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ihrer digitalen Werbekampagnen. DV hat sich über viele Wege dem Thema gewidmet, unter anderem mit unserer jüngsten Akquise von Scibids.

ADZINE: Apropos neue Metriken. Immer öfter wird jetzt Aufmerksamkeit als neuer KPI gehandelt. Was haltet ihr davon? Ist das eine geeignete Metrik für die Zukunft?

Fuhrmann: Ja, absolut. Denn Werbetreibende können einzelne Bestandteile von Attention nutzen, zum Beispiel die Anzeigenpräsenz beziehungsweise Anzeigenprominenz oder Nutzerinteraktionen, um tiefgreifende Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie viel Aufmerksamkeit ihre Kampagnen erzeugen. Unsere Messergebnisse zeigen, dass verschiedene Werbetypen, Formate, Umgebungen und sogar Jahreszeiten je nach Kampagnenziel unterschiedlich gut geeignet sind. Anzeigeplatzierungen mit hohen Engagement-Werten korrespondieren beispielsweise stärker mit Conversion-Zielen, während präsente oder prominent platzierte Werbung sich besonders gut für Upper-Funnel-Ziele wie Markenwahrnehmung eignet.

ADZINE: Welche Entwicklungen erwartet ihr außerdem für den digitalen Werbemarkt?

Fuhrmann: Zu den wichtigsten aktuellen Trends im Digital Advertising gehören aus meiner Sicht die bereits angesprochene zunehmende Bedeutung der Aufmerksamkeitsmetriken, ein verstärkter Fokus auf nachhaltige Werbemaßnahmen und eine vermehrte Nutzung und entsprechende Optimierung digitaler Kanäle. Insbesondere Connected TV und Audio-Kanäle bieten Werbetreibenden mehrere Chancen – vor allem durch ihre Fähigkeit, ansprechende Inhalte zu liefern. Allerdings nutzen Betrüger diese Kanäle verstärkt, um durch falsifizierte Datenmuster und Bot-Traffic Impressionen vorzutäuschen. Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Betrugsrate bei gut geschützten Kampagnen gering, was die Wirksamkeit präventiver Maßnahmen unterstreicht.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview!

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