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PROGRAMMATIC

Powergame um Daten – Die Supply-Side schlägt mit Curation zurück

Karsten Zunke, 8. Juli 2024
Bild: Markus – Adobe Stock Bild: Markus – Adobe Stock

Das Ringen um mehr Qualität und Relevanz bei der programmatischen Werbeauslieferung wird immer mehr zum Powergame zwischen der Demand- und der Supply-Side. Das neueste Kapitel: Die Supply-Side kuratiert, das heißt, sie bündelt Inventar mit Daten und verkauft direkt an Advertiser sowie Media-Agenturen. Tom Laband, CEO des Datenanbieters Adsquare, erklärt im Interview, welche Vorteile Curation für das Ökosystem mit sich bringt und warum es Datenanbietern dadurch möglich ist, aktiv Kampagnen zu optimieren.

Bild: Adsquare Tom Laband, Adsquare

ADZINE: Werbebetrug und insbesondere Made for Advertising Sites sorgen immer wieder für Unmut im Markt. Wie gut ist die Inventar-Qualität im Open Web wirklich?

Tom Laband: Die Qualität des Inventars im Open Web variiert erheblich. Neben den bekannten Problemen wie Fraud, Brand Safety und Viewability gewinnt zunehmend das Thema MFA an Bedeutung. MFA-Seiten können bis zu 15 bis 20 Prozent des gesamten programmatischen Ad-Traffics ausmachen. Diese Seiten neigen dazu, niedrige Qualität und wenig echten Inhalt zu bieten, da ihr Hauptziel darin besteht, möglichst viele Anzeigen zu schalten. Solches Inventar ist schädlich für unsere gesamte Branche, und Werbetreibende sollten die Möglichkeit haben, es auszuschließen.

ADZINE: Welche Möglichkeiten stehen dafür zur Verfügung?

Laband: Es gibt nicht die eine direkte Lösung, um diesem Problem insgesamt Herr zu werden. Aber man kann verschiedene Maßnahmen treffen, beispielsweise das Inventar gezielt bei Premium-Publishern kaufen oder mit Partnern entlang der Lieferkette zusammenarbeiten, die in der Lage sind, die Qualität des Inventars mithilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen zu erkennen. Zudem kann man Inklusions- und Exklusionslisten nutzen und sicherstellen, dass nur hochwertiges Inventar mit Anzeigen belegt wird.

Curation bietet hier den Vorteil, dass hochwertiges, kontextuell relevantes Inventar mit First- und Third-Party-Daten kombiniert und über einen Private Marketplace (PMP) oder Deal-basiert für die Demand-Side bereitgestellt wird. Grundsätzlich sollten Werbetreibende unabhängig von der Art des programmatischen Werbeeinkaufs Transparenz von ihren Partnern, Agenturen und Werbeplattformen einfordern.

ADZINE: Bisher wurden Daten eher auf der Demand-Side aktiviert. Jetzt auf der Supply-Side. Was genau passiert dabei und worin besteht der Vorteil?

Laband: In den Anfangszeiten der Digitalwerbung wurden Kampagnen stets Umfeld bezogen verkauft. Mit der Erfindung des Third-Party-Cookies und Programmatic Advertising konnten die Daten vom Inventar getrennt werden. Die Targeting-Hoheit verlagerte sich damit Stück für Stück auf die Buy-Side. Dies ändert sich nun mit Curation. Publisher schnüren Pakete aus Media und Daten und vermarkten diese programmatisch mit ihrer eigenen Targeting-Intelligenz. Auch für uns als Datenpartner bietet das Kuratieren auf der Supply-Side Vorteile.

ADZINE: ...welche sind das?

Laband: Auf der Demand-Side fehlt uns derzeit ein Echtzeit-Feedback-Loop zur Leistung unserer Daten. Ein solcher Feedback-Mechanismus wäre äußerst wertvoll, da er es uns ermöglichen würde, kontinuierlich die Performance unserer Daten zu überwachen und bei Bedarf direkt in die Optimierung von Kampagnen einzugreifen. Durch diesen proaktiven Ansatz könnten wir sicherstellen, dass unsere Daten optimal genutzt werden und die Werbekampagnen unserer Kunden die bestmöglichen Ergebnisse erzielen.

ADZINE: ...weil ihr nun Echtzeit-Insights zur Performance eurer Daten erhaltet?

Laband: Richtig. Auf der Supply-Side haben wir Zugriff auf Log-Level-Daten und können die Leistung unserer Daten durch die Analyse der Impressionen nachvollziehen. Dies ist insbesondere interessant, weil unser Portfolio ja auch Lösungen zum Measurement und der Attribution inkludiert. Dadurch können wir Kampagnen über die Standard-KPIs hinaus optimieren. Das finde ich spannend.

ADZINE: Welche Marktteilnehmer kommen für das Kuratieren auf der Supply-Side infrage?

Laband: Es sind verschiedene Stakeholder, die auf das Thema aufspringen. Große Publisher, Media-Agenturen und Datenpartner kuratieren ebenso wie viele SSPs, die gebündelte Pakete aus Daten und Inventar an Agenturen verkaufen. Wir als Datenanbieter ermöglichen es derzeit Dritten, mithilfe unserer Daten auf der Supply-Side zu kuratieren. Wir haben aber auch bereits selbst mit dem aktiven Kuratieren begonnen.

ADZINE: Was ist der Grund dieser Verschiebung auf die Supply-Side?

Laband: Es gibt grundsätzlich einen Wettbewerb zwischen Demand- und Supply-Seite über den Einsatz von Daten. Man könnte es auch als “Powergame” bezeichnen. Zum Beispiel gibt es auf der Demand-Seite Initiativen zur Optimierung des Supply Path, bei denen Publisher direkt integriert werden und der Datenzugang durch die Etablierung alternativer IDs gesichert wird. Dies ist sinnvoll, da die Demand-Seite ihren Werbetreibenden qualitativ hochwertigen und identifizierbaren Traffic bieten möchte. Sie greift somit in die Supply-Seite ein, um die Qualität sicherzustellen. Die Supply-Seite hat darauf reagiert, indem sie das Thema Curation für sich entdeckt hat. Sie integriert Identity- und Datenlösungen und verkauft direkt an Agenturen.

ADZINE: Was muss ein Publisher beachten, wenn er nicht nur sein Inventar, sondern kuratierte Pakete aus Inventar und Daten vermarkten will?

Laband: Publisher verfügen in der Regel über eine SSP. Möchte ein Publisher selbst kuratieren, muss er sicherstellen, dass die technischen Möglichkeiten dafür vorhanden sind. Aber nahezu alle SSPs bieten mittlerweile Module, über die man kuratieren kann. Die Voraussetzung für das Kuratieren ist der Data Access, im Idealfall hat der Publisher First-Party-Daten, er kann aber auch Thitd-Party-Daten hinzufügen. Letztlich sollte der Publisher in der Lage sein, die Performance der kuratierten Pakete kontinuierlich zu überwachen und den Zugriff auf Log-Level-Daten sicherstellen, um die Leistung der Kampagnen besser zu verstehen und zu optimieren.

ADZINE: Wie wird sich das Thema Curation bei uns weiterentwickeln?

Laband: Curation ist auf der Supply-Side in Europa noch nicht so weit verbreitet wie in den USA, wo SSPs bereits bis zu 20 Prozent ihrer Umsätze damit erzielen. Allerdings gewinnt Curation auch im DACH-Raum zunehmend an Bedeutung. Weniger Fragmentierung und besserer Zugang zu First-Party-Daten fördern die Verbreitung von Curation, wie es sich beispielsweise im Bereich Connected TV beobachten lässt. Insgesamt wird sich Curation in Deutschland zu einem zentralen Element im digitalen Marketing entwickeln, angetrieben durch technologische Innovationen, Datenschutzanforderungen und die steigende Nachfrage nach personalisierten Werbeinhalten

ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch, Tom!

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