Personalisierte Homepages kurbeln die Vermarktung an
Karsten Zunke, 15. Juli 2024Publisher sind bestrebt, ihre Inhalte optimal zu vermarkten. Relevanz ist in Zeiten des jetzigen Content-Booms dafür der Schlüssel. ADZINE hat mit Adam Singolda, Gründer und CEO von Taboola, und Markus Frank, Zentraleuropa-Chef der Adtech-Plattform, darüber gesprochen, wie die individuelle Ausspielung von Inhalten helfen kann, dieses Ziel zu erreichen, welche Rolle KI in diesem Zusammenhang spielt und warum Publisher sich jetzt stärker an ihre Nutzer:innen binden.
ADZINE: Insbesondere die sozialen Medien werden intensiv genutzt und sind ein starker Wettbewerb für klassische Online-Publisher. Wie können Publisher diese und auch andere Zielgruppen wieder auf ihre Seiten ziehen?
Adam Singolda: Die Wachstumsfaktoren für Publisher sind seit vielen Jahren dieselben: Sie müssen Leser:innen gewinnen, diese einbinden und zu Handlungen animieren, die den Umsatz steigern. In den letzten Jahren hat sich vieles verändert. Zum einen haben Veränderungen bei Suchdiensten und sozialen Plattformen den Referral-Traffic auf den Kopf gestellt und so das Geschäft für Publisher erschwert. Wir haben es von unseren 9.000 Partnern gehört: Die Verlage setzen zunehmend auf eine direkte Nutzer:innenbindung. Und wollen so ihre Online-Angebote für ihre Zielgruppen unverzichtbar machen.
Zum anderen haben sich die Möglichkeiten zur Diversifizierung der Einnahmen geändert. Früher erwirtschafteten die Publisher ihre Einnahmen vor allem aus Display-Werbung. Heute können sie mit Commerce Content, Abo-Modellen, nativer Werbung und vielem mehr Umsatz erzielen. Wir sind stolz darauf, mit Publishern weltweit in genau diesen Initiativen zusammenzuarbeiten.
ADZINE: Markus, wie ist die Situation in Deutschland? Lässt sich auch hierzulande beobachten, dass Publisher und Communitys dichter zusammenrücken?
Markus Frank: Ja, im Grunde beobachten wir hier die gleiche Entwicklung. Durch unsere sehr tiefen Publisher-Partnerschaften haben wir die Möglichkeit, auch an der Strategieentwicklung der Partner mitzuwirken, um die Beziehungen der Publisher zu ihren Leser:innen zu stärken. So besprechen wir mit unseren Publishern beispielsweise intensiv die Audience-Entwicklung und unterstützen diese. Das ist möglich, da wir uns automatisch in einer First-Party-Daten-Partnerschaft mit einem Publisher befinden, sobald Nutzer:innen ihren Consent erteilen. Wir können nachvollziehen, welche Seiten des Publishers ein:e Nutzer:in aufruft, welche Artikel sie lesen, wie lange sie auf einer Seite verweilen und vieles mehr.
Dadurch können wir unsere Publisher auch dabei unterstützen, Trendthemen zu erkennen, die auf der Homepage gefeatured werden. Ebenso helfen wir den Verlagen, ihre Nutzer:innen auf der Seite zu halten. Sind Leser:innen beispielsweise kurz davor, eine Publisher-Seite zu verlassen, blenden wir weitere, passende Inhalte ein, um sie auf der Publisher-Seite zu halten. Das funktioniert sehr gut. Dabei kommt es auf die Relevanz der Inhalte an. Generell geht es darum, möglichst jeder Nutzerin und jedem Nutzer eine individualisierte Publisher-Homepage anzubieten.
ADZINE: Inwieweit seid ihr in der Lage, die Publisher-Seiten zu personalisieren und welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz dabei?
Singolda: Unser Ziel ist es, den ARPU, den durchschnittlichen Erlös pro Kunde, für unsere Publisher-Partner deutlich zu erhöhen. Wir setzen KI ein, damit Verbraucher:innen eine möglichst relevante Customer Journey erfahren, die von Belang ist. Deshalb sehen manche Leser:innen eher kommerzielle Inhalte, wie Produktreviews oder Angebote für Finanzdienstleistungen, und andere sehen Inhalte, die sie für ein Abonnement gewinnen. Wieder andere sehen vielleicht Video-Ads, Native Ads und vieles mehr.
ADZINE: Markus, wie läuft die Personalisierung der Publisher-Seiten im europäischen Markt, insbesondere in Deutschland, ab?
Frank: Für den deutschen Markt ist die Personalisierung für die Vermarktung der Publisher-Seiten extrem wichtig. Und sie kann je nach Publisher auch ganz unterschiedlich erforderlich sein. Für den Grad der Personalisierung einer Seite empfehlen wir unseren Partnern daher immer die Möglichkeit, A/B-Tests durchzuführen. Ausgehend von einer klassischen Startseite, die vom Publisher händisch mit Aufmacher-Themen bestückt wird, können wir dieses Herzstück einer News-Seite dank KI dynamisch personalisieren.
Bei der Menge der Themen, die mithilfe von KI auf einer Homepage eines Lesers oder einer Leserin ausgesteuert werden, sind wir sehr flexibel. Einige Publishing-Partner erstellen teilweise mehr als 200 Artikel am Tag. Mit dem klassischen Verfahren würden es manche Beiträge nie auf eine Homepage schaffen, da die maximale Anzahl an Artikeln auf einer Seite begrenzt ist. Durch unser KI-gestütztes Verfahren können wir Redaktionen bei der Kuratierung der Seite und dem Aussteuern von Inhalten unterstützen, sodass die richtigen Artikel ihre passenden Nutzer:innen finden.
ADZINE: Kommen bei der Personalisierung auch ID-Lösungen zum Einsatz?
Frank: Wir verwenden keine ID-Lösungen. Um Leserzielgruppen zu identifizieren, nutzen wir ausschließlich die First-Party-Daten, die im Rahmen unserer Publisher-Partnerschaften verfügbar sind. Unser großer Benefit ist es, dass wir eine sehr große Reichweite erzielen, weil wir mit enorm vielen Partnern zusammenarbeiten und entsprechend viele Datenpunkte nutzen können. Die KI sorgt dann dafür, dass jedem dieser Leser:innen eine individuelle Homepage angezeigt wird.
ADZINE: Welche Entwicklung wird das Native Advertising in den kommenden Jahren prägen?
Singolda: Google und Facebook machen heute zwei Drittel des gesamten digitalen Werbeökosystems aus. Ich denke, die größte Veränderung in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sein, dass immer mehr Unternehmen in das Werbegeschäft einsteigen werden. Anbieter wie Amazon, Uber und Netflix gehen bereits diesen Weg. Ich gehe davon aus, dass wir Inhalte und Werbung in unseren Autos, in unseren Küchen, einfach überall sehen werden. Der Werbemarkt wird sich zu einem Billionen-Dollar-Markt entwickeln – er wird einer der interessantesten Märkte überhaupt sein.
ADZINE: … und aus Sicht der Verbraucher:innen?
Singolda: Aus der Sicht der Verbraucher:innen wird die Werbung eine völlig andere sein, sie wird relevant sein, und sie wird sicher sein. Im Open Web werden Einnahmen immer noch mit Bannerwerbung erzielt – einer Technologie, die vor mehr als 30 Jahren entwickelt wurde. Es ist immer noch nicht so relevant und personalisiert wie Tiktok – aber niemand möchte wirklich, dass uns Werbung verfolgt, sobald wir ein Geschäft besucht haben.
ADZINE: Markus, was erwartest du für den deutschen Markt?
Frank: Ich sehe eine ähnliche Entwicklung für den deutschen Markt. Werbung wird immer dort eingespielt, wo sie relevant ist, wo sie gesehen wird und wo sie auch wahrgenommen werden kann – in einer für Konsument:innen vertretbaren Form. Native Formate sind relevant und werden per se besser akzeptiert als klassische Banner. Dass Inhalte von Werbung überlagert werden, gehört ohnehin der Vergangenheit an, weil Konsument:innen es nicht akzeptieren. Die Zukunft gehört nativen Werbeeinbindungen an genau den Stellen, die für die Nutzer:innen die größte Relevanz haben. Und auch ich gehe davon aus, dass künftig noch mehr Geschäftsmodelle auf Werbung basieren werden, weil Abo-Modelle nur eine begrenzte Zielgruppe finden können.
Für den deutschen Markt lässt sich auch beobachten, dass Marken sehr genau wissen wollen, auf welchen Websites sie laufen. Hierzulande wird redaktioneller Premium-Content daher enorm wichtig bleiben. Websites mit ausschließlich KI-generierten Inhalten und ohne Mehrwert für Nutzer:innen wird die Werbeindustrie langfristig nicht finanzieren.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview!
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