Trotz Googles erneuter Verschiebung der Cookie-Deadline bleibt Cookieless eines der Topthemen der Werbeindustrie. Aufseiten der Werbetreibenden lässt sich jedoch noch immer lediglich ein vorsichtiges Herantasten beobachten – vier Jahre nach der ersten Ankündigung des Konzerns, künftig auf Third-Party-Cookies verzichten zu wollen. Die Adtech-Unternehmen sind hingegen überzeugt, mit ihren Lösungen bereits die richtigen Antworten gefunden zu haben. Aline Zenses, DACH-Chefin vom Clean-Room-Anbieter Infosum, spricht im Interview über Gründe für das Zögern der deutschen Advertiser und Wege in die Cookie-Unabhängigkeit.
ADZINE: Wir sprechen seit Jahren über Cookieless und alle paar Monate kommt ein vorsichtiger Test-Case. Wie cookieless sind die deutschen Advertiser denn mittlerweile, Aline?
Aline Zenses: Es ist tatsächlich ein langer, langer Weg. Historisch betrachtet ist es für unsere komplexe Industrie aber gar nicht so verwunderlich, dass es länger dauert, wie beispielsweise die Einführung neuer Technologien und Datenschutzrichtlinien gezeigt hat. Die Lösung liegt darin, die Parteien richtig zusammenzubringen. Also Vermarkter, Werbetreibende und Datenpartner.
Die Advertiser brauchen dabei noch etwas mehr Unterstützung als die anderen Marktteilnehmer. Das liegt daran, dass die meisten von den Angeboten am Markt überflutet werden. Fluch und Segen der Werbetreibenden zugleich ist, dass sie sich vor lauter Anfragen und Leuten, die ihnen etwas vorstellen wollen, gar nicht retten können. Daran ändert auch die erneute Verschiebung der Third-Party-Cookies in Chrome nichts – denn unsere Branche weiß, dass sie aufhören muss, an alten Wegen festzuhalten.
ADZINE: Dass Advertiser lange Zeit überfordert waren, kann ich nachvollziehen. Aber Google hat die Ankündigung vor vier Jahren gemacht. Die Marken waren doch nicht vier Jahre lang ständig überfordert.
Zenses: Veränderungen werden nicht immer willkommen geheißen. Erst wenn Druck entsteht und man sieht, dass links und rechts etwas passiert, stellt man sich darauf ein. In Deutschland kommen aber Advertiser auf uns zu und wollen aktiv einen Case mit uns realisieren.
Google ist immer noch eine zentrale Säule im deutschen Advertising. Dabei haben Safari und Mozilla, mit einem Marktanteil von 30 Prozent, schon lange keine Third-Party-Cookies mehr im Browser. Der Cookie-Schwund bietet somit einen fantastischen Zeitpunkt, um den Tech-Stack aufzuräumen und sich neu zu organisieren.
ADZINE: Wie lösen sich die Advertiser konkret von der Cookie-Abhängigkeit?
Zenses: Es ist sowohl ein interner als auch ein externer Blick nötig. Intern müssen die richtigen Teams miteinander zusammenarbeiten und Ziele definieren. Sie müssen dabei über den niedrigeren CPC oder einen erhöhten CPA oder sonstiges hinausblicken. Danach schaut man sich die eigene Infrastruktur an und guckt extern, wer die richtigen Partner dafür sind.
Das Schöne ist, dass die Unternehmen heute erkennen, dass Datenschutz gut fürs Geschäft ist. Vor zwei, drei Jahren hätte der eine oder andere die Aussage eher belächelt, aber das hat sich geändert und lässt sich mit Cases untermauern. Einige Marken sind motiviert, First Mover in ihrer Branche zu sein, um den Wettbewerb auszustechen. Das wird dann von Geschäftsführungsseite getrieben.
ADZINE: Ihr selbst bietet mit eurem Clean Room auch eine Cookieless-Lösung an. Wissen die Advertiser inzwischen, was ein Data Clean Room ist?
Zenses: Die großen globalen Unternehmen sind oft besagte First Mover. Es kommt auf die Partner und Agenturen an, mit denen sie zusammenarbeiten, und ob sie eine First-Party-Daten-Strategie für ihren Kunden entwickelt haben. Es gibt aber auch die Fälle von den regionalen Stadtwerken, die datenschutzkonform mit ihren Kunden kommunizieren möchten.
Das ist vergleichbar mit Programmatic vor zehn Jahren. Von Real Time Bidding wollte damals keiner etwas wissen. Es ist eine Entwicklung, durch die wir durchgehen müssen.
ADZINE: Warum sehen wir so wenig Cases?
Zenses: Ein simples Problem kann bei den Werbetreibenden das technische Setup sein. Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der hoch motiviert und bereit war, dann aber festgestellt hat, dass der erforderliche Consent für die Nutzung der First-Party-Daten zu Werbezwecken fehlte. Der musste erst einmal sein komplettes Consent Management inklusive Tool umstellen und wir warten dann darauf, loslegen zu können. Solche Dinge können die ganze Sache natürlich verlangsamen.
ADZINE: Wie lässt sich dies ändern?
Zenses: Das ist einer der größten Umbrüche in unserer Branche – so etwas geht nicht von heute auf morgen, sondern braucht Zeit. Deshalb ist es für uns wichtig, mit allen Akteuren im Markt im Austausch zu bleiben, weiter Aufklärungsarbeit zu leisten und mit unseren Innovationen den Wandel voranzutreiben. Während hierzulande der Fortschritt noch etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt, können die Ergebnisse, die wir bisher vor allem in Großbritannien, Australien und den USA sehen, als Richtschnur dienen und zeigen, was auch hierzulande möglich ist. Nur so können wir als Branche die Entwicklung vorantreiben.
ADZINE: Steigen die Budgets für die Cases oder sind es immer noch kleine Testbudgets?
Zenses: Das sind schon größere Kampagnen und keine kleinen Tests mehr. Insbesondere das Thema Multi-Party nimmt Fahrt auf.
ADZINE: Was hält Google eigentlich von den Data Clean Rooms?
Zenses: Der Launch von PAIR zeigt ja ganz deutlich, dass auch Google Data Clean Rooms für relevant hält.
ADZINE: Nehmen wir an, die Werbetreibenden warten einfach weiter ab und gucken, was passiert. Welche Folgen hätte dies?
Zenses: Dann werden wahrscheinlich nur noch die großen Player im Markt Geld verdienen und alle anderen leise aber sicher aussterben. Aber momentan sieht es eher so aus, dass sich Unternehmen zusammentun, die eigentlich Mitstreiter sind. Es bilden sich außerhalb der Walled Gardens Allianzen, die gemeinsam den Markt vorantreiben wollen.
ADZINE: Worüber reden wir, wenn es keine Third-Party-Cookies mehr gibt?
Zenses: Ich befürchte für dich, Anton, dass wir dann immer noch über sehr ähnliche Themen reden, aber auf einem höheren Niveau. Das ist in Programmatic ja nicht anders. Wir werden uns als Branche weiterentwickeln und viele spannende Cases haben. Gute Data-Collaboration-Cases mit mehreren Beteiligten und richtig gute Resultate – davon bin ich überzeugt.
ADZINE: Danke für das Gespräch, Aline!
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