Beyond the Third-Party-Cookie – Zur Revolution der Marketing-Infrastruktur
David Berger, André Schulz, 11. Juni 2024Das bevorstehende Ende der Third-Party-Cookies läutet eine fundamentale Änderung in der digitalen Werbelandschaft ein. Advertiser suchen nach neuen Lösungen, ihre Zielgruppen weiterhin gezielt adressieren zu können. Für Publisher wird es weiterhin wichtig sein, attraktives und für Advertiser relevantes Werbeinventar bereitstellen zu können. Für beide braucht es dafür die Fähigkeit, User auch ohne Third-Party-Cookies eindeutig identifizieren zu können.
Während einst bewährte Ansätze wie das Contextual Targeting und “Content-driven” Marketing wieder an Bedeutung gewinnen (da weniger Fokus auf individuelle Nutzerdaten, sondern mehr auf Kontext und Inhalt der Platzierung), benötigen Unternehmen ganzheitlichere und weitreichendere Lösungsansätze, um ihre zukünftigen Marketing- und Werbe-Strategien grundlegend neu auszurichten. Lösungsansätze, die es im Kern schaffen müssen, drei Aspekte miteinander zu verknüpfen: gesteigerte Datenhoheit über reine First-Party-Datenbestände, eindeutige Identifizierbarkeit von Usern und Kunden, sowie Vertrauensaufbau gegenüber Usern und Kunden im Umgang mit deren Daten.
Für die Gewährleistung dieser Aspekte sind die richtigen technischen Lösungen und deren Zusammenspiel in einer integrierten Tool- und System-Infrastruktur essenziell: eine Infrastruktur, die es erlaubt, sowohl die Beziehung zu bestehenden Kunden zu vertiefen als auch neue Kunden gezielt und mit relevanten Inhalten anzusprechen. Zwei Technologielösungen, die in dieser Transformation eine entscheidende Rolle spielen können: serverseitiges Tracking und First-Party-ID-Lösungen.
Serverseitiges Tracking für erweiterte Datenhoheit
Serverseitiges Tracking ist jene Form der Datenerhebung, die den Einsatz von Client-seitigen Skripten und Cookies umgeht und Daten direkt vom Website-Server an die Server von, beispielsweise, Analytics- oder Marketing-Tools bereitstellt. Dadurch entsteht eine rein auf First-Party-Daten basierende Datenerhebung, die Unternehmen eine neue Ebene an Datenhoheit ermöglicht und gleichzeitig den Datenumfang erhöht, indem technische Restriktionen, wie Ad-Blocker oder Tracking Preventions, negiert werden. Neben bereits bekannten Tool-Lösungen aus dem Tracking- und Analytics-Bereich (z.B. Tealium, Segment, Usercentrics), haben sich in den letzten Jahren auch Anbieter hervorgetan, die sich auf die First-Party-basierte Form der Datenerhebung spezialisiert haben, wie beispielsweise die Data Capturing Platform Jentis.
First-Party-ID-Lösungen – deterministische Identifizierung, persistent und rechtskonform
Identitätslösungen dienen im Allgemeinen der eindeutigen Identifikation von Nutzern im digitalen Raum, ohne auf Third-Party-Cookies zurückgreifen zu müssen und gewinnen dadurch in einer cookielosen Zukunft stark an Bedeutung. Grundsätzlich kann die Identifikation entweder deterministisch oder probabilistisch geschehen. Die deterministische Identifikation ist dabei jene, die genauer, im Zweifelsfall rechtlich unbedenklicher und einer Identifikation über einen Third-Party-Cookie am ähnlichsten ist.
Neben anderen bestehenden ID-Lösungen, die entweder eine Kombination aus deterministischer und probabilistischer Identifikation anbieten (z.B. ID 5) oder aber rein deterministisch auf Basis von E-Mail-Adressen und / oder anderen User-Daten arbeiten (z.B. First-ID, UID 2.0, Merkle M1 ID oder ID+), gibt es eine europäische Lösung der deterministischen Identifikation, die eine gänzlich andere technische Grundlage wählt: Utiq. Utiq ist ein Joint Venture der vier größten europäischen Telekommunikations-Unternehmen Deutsche Telekom, Orange, Telefonica sowie Vodafone und nutzt den Zugang zu direkten Vertragsbeziehungen mit Nutzern in Kombination mit einem technischen Verfahren zur Übersetzung pseudonymisierter Telco-Signale.
Das Zusammenspiel im Marketing- und Werbe-Ökosystem
Lösungen wie serverseitiges Tracking und First-Party ID Solutions können dazu beitragen, Schlüsselfaktoren eines neuen Marketing- und Advertising-Verständnisses zu gewährleisten. Doch welche positiven Auswirkungen können sich die im Marketing- und Werbe-Ökosystem partizipierenden Akteure davon erwarten?
Der Mehrwert für Advertiser
Dank der hohen Stabilität und der deterministischen ID-Verknüpfung ermöglichen insbesondere deterministische First-Party-ID-Lösungen eine exakte De-Duplizierung von Nutzern auf Publisher- sowie Advertiser-Webseiten. Das ermöglicht es Advertisern ihre Reichweiten präzise zu messen, um so ihre Kampagnen besser planen, optimieren und evaluieren zu können. Dank umfassenderer und qualitativ hochwertigerer Datenerfassung auf den eigenen Kanälen (Websites und Apps) – bedingt durch serverseitiges Tracking – haben Advertiser zudem die Möglichkeit, bessere Audiences für die Kampagnenplanung zu erstellen. In der Kombination aus erhöhter Stabilität und Persistenz mit qualitativ hochwertigen Daten ermöglichen die beiden Lösungen ein umfassendes Customer Journey Management, verbessern die Attribution, erlauben genauere Personalisierung und optimieren den Media-Mix, was zu einer effektiven Steigerung des Return on Ad Spend (ROAS) führt.
Der Mehrwert für Publisher
Publisher möchten einerseits ihr Werbeinventar profitabel vermarkten und Werbung gezielt an die richtige Zielgruppe ausliefern, andererseits die inkrementelle Reichweite für Advertiser erhöhen.
Eine deterministische ID-Lösung ermöglicht es auch nicht-eingeloggte User stabil über mehrere Sessions, Kanäle, Geräte und Browser hinweg zu erkennen. Das bildet die Grundlage für die Erstellung von hochwertigen Zielgruppen, die den Advertisern angeboten werden können. Die Kombination aus gesteigerter Qualität von First-Party-Daten (durch serverseitiges Tracking) und erhöhter Stabilität in der Nutzererkennung (durch eine deterministische ID-Lösung), schafft auch hier besonderen Mehrwert. Publisher können dadurch ihre Websites und Werbeinventare datengestützt entwickeln und optimieren, um so perspektivisch Budgets zurückgewinnen, die in den letzten Jahren zu großen Plattformen abgewandert sind.
Der Mehrwert für das Gesamt-Ökosystem
Advertiser und Publisher sind Teil eines umfassenden Ökosystems, das durch Dynamiken und Interaktionen zwischen zahlreichen weiteren Akteuren und Systemen geprägt ist.
Die Einführung von deterministischen ID-Lösungen und serverseitigem Tracking prägt die strategische Ausrichtung dieses Marketing- und Werbeökosystems maßgeblich und bietet eine Chance für ein neues, nachhaltigeres und reguliertes Zusammenspiel. Diese Lösungen haben das Potenzial als Impulsgeber für eine saubere Datenzirkulation zu fungieren, die gleichzeitig die Privatsphäre der Nutzer schützt. Unternehmen sollten diese Entwicklung somit nicht lediglich als notwendige Reaktion auf das Ende der Third-Party-Cookies sehen, sondern viel mehr als Möglichkeit über die Weiterentwicklung ihrer Martech- und Adtech-Infrastruktur ein neues Marketing- und Werbeverständnis zu prägen. Eines, in dem Advertiser ihre Zielgruppen effektiv erreichen und Publisher durch verbesserte Vermarktungsmöglichkeiten Einkommenspotenziale zurückgewinnen können. Das Ergebnis wäre ein angenehmeres Web-Erlebnis und neues Vertrauen von Usern.
Zentrale Anwendungsfälle im digitalen Marketing auch ohne Third-Party-Cookies
Zentrale Anwendungsfälle des digitalen Marketings (die es von der einstmals analogen Marketingwelt abgehoben haben), können dank der beschriebenen Lösungen nach wie vor – zum Teil sogar besser und gezielter – umgesetzt werden:
- Cross-Channel & Cross-Device User-Erkennung: Das Wiedererkennen ein- und desselben Users ermöglicht es, personalisierte Inhalte konsistent und nicht-redundant über verschiedene Touchpoints hinweg auszuspielen, was zu verbesserter User Experience und höheren Conversion Rates führt. Die beschriebenen First-Party-Lösungen ermöglichen eine User-Stabilisierung über mehrere Kanäle und Devices hinweg und erreichen dabei sogar eine höhere Persistenz als es Third-Party-Cookies bisher konnten (keine Browser-Abhängigkeit).
- Targeting: Zur Steigerung der Effizienz von Werbebudgets ist es essenziell User- und Kundendaten so zu nutzen, dass sie mit Advertising-Plattformen für ein dort stattfindendes gezieltes Targeting verbunden werden. First-Party-Lösungen helfen dabei, Audiences basierend auf umfangreichen First-Party-Daten zu bilden und diese dank stabiler Cross-Channel-/Cross-Device-Daten in Advertising Channels erfolgreicher wiederzufinden.
- Marketing-Attribution: Die größte Herausforderung in der Attribution: Aktivitäten entlang individueller Customer Journeys und deren unterschiedlichen Kanälen zu verknüpfen. Viel besser noch als die im Ende begriffenen Third-Party-Cookies können die vorgestellten First-Party-Lösungen dazu beitragen, dass individuelle Journeys mit hoher Persistenz stabilisiert werden können (das Utiq-Signal bleibt z.B. für 90 Tage erhalten). In Kombination mit einer durch serverseitiges Tracking erhöhten First-Party-Datenbasis führt das zu detaillierterer und besseren Attributions-Modellierung.
Fazit
Technische Lösungen ermöglichen auch nach dem Aus der Third-Party-Cookies weiterhin eine gezielte Zielgruppenansprache für Publisher und Werbetreibende. Durch verbesserte Kontrolle werden Datenschutzbedürfnisse besser berücksichtigt. Lösungen wie serverseitiges Tracking und First-Party-IDs basieren ausschließlich auf Nutzereinwilligung. Die langfristigen Einwilligungsraten bleiben dabei zwar abzuwarten, erste Tendenzen zeigen jedoch, dass auch mit ausschließlich expliziter Einwilligung hohe Reichweiten generiert werden können.
Wie immer gilt: Die beschriebenen potenziellen Vorteile dieser Lösungen entfalten sich erst im Einklang mit einer klaren strategischen Zielsetzung und sorgfältiger technischer Integration. Eine ganzheitliche Herangehensweise, die verschiedene Tools integriert, wird für den nachhaltigen Erfolg entscheidend sein.
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