Werbewirkungsmessung – Die nächste Evolutionsstufe der Digitalwerbung
Anton Priebe, 19. April 2024Werbung ist kein Selbstzweck. Sie soll eine Wirkung erzielen und letztlich das Geschäft ankurbeln. Seit jeher versuchen Werbetreibende zu ermitteln, welchen Effekt ihre Werbemaßnahmen haben. Die Digitalwerbung ist mit dem großen Versprechen gestartet, dass alles messbar wird. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht und aktuell kocht die Diskussion über die Werbewirkungsmessung wieder hoch. Frank Sültmann von Gum Gum erklärt im Interview, woran das liegt und wie Advertiser heutzutage sowohl effektive als auch messbare Werbung schalten können.
ADZINE: Hallo Frank, Werbewirkung war schon immer Thema im Advertising, denn ohne Effekt kann man sich die Werbung auch sparen. Inwiefern kommt die Frage nach der Wirkung von Media aktuell wieder auf?
Frank Sültmann: In der Tat sind Themen wie Aufmerksamkeitsmessung und kontextuelles Targeting nicht neu. Doch man muss in Evolutionsstufen denken.
Die DSGVO und die Entwicklung der Walled Gardens haben in der Digitalwerbung sehr viel verändert. Gemeinsam mit den kontinuierlich steigenden Touchpoints zu den Nutzern erschweren sie die Messbarkeit der Werbemaßnahmen. Wir sind erneut an einem Punkt, an dem man sich fragen muss, was man eigentlich messen kann und will, und was ich mit diesen Daten letztlich anfange. Es geht darum, die einzelnen Bruchstücke wieder zusammenzubringen, um das beste Ergebnis für die Geschäftsentwicklung abzuleiten. Das ist im Falle der Werbung der Einfluss auf den Markenstatus.
ADZINE: Also im Prinzip steckt dahinter eine Simplifizierung, eine Rückbesinnung, um der Fragmentierung der Werbekanäle entgegenzuwirken. Wie misst man deiner Meinung nach heute digitale Werbekampagnen? Performance-Messung ist relativ einfach, jemand konvertiert oder nicht, aber wie funktioniert das im Branding?
Sültmann: Alles technisch Messbare ist zunächst einmal ein Indikator: ausgelieferte Sichtkontakte, Klicks, Verweildauer auf redaktionellem Inhalt oder Werbung. Das Gleiche gilt für die Sichtbarkeitsmessung. Natürlich soll Werbung sichtbar sein, aber das bedeutet nicht, dass der Nutzer sie auch gesehen hat. Hier kommt die Messung der Aufmerksamkeit ins Spiel. Attention-Messung ist unserer Meinung nach der Schlüssel für digitale Werbekampagnen.
Auf der anderen Seite gab es mit Blick auf den Markendreiklang aus Bekanntheit, Sympathie und Verwendung schon immer Werte, die du schlichtweg nicht mitmessen kannst. Dafür brauchst du Befragungen in Fokusgruppen mit Test- und Kontrollgruppen. Dies lässt sich wiederum ins Digitale übertragen durch Eye-Tracking-Technologie, Online-Panelisten und Machine Learning. KI hilft, dass Methoden sowie Insights skaliert werden können.
Das Prinzip bleibt gleich. Doch die technischen Möglichkeiten zur Messung haben sich weiterentwickelt.
ADZINE: Wie nutzen Advertiser diese Erkenntnisgewinne letztlich für die Optimierung ihrer Kampagne?
Sültmann: Advertiser nutzen kontextuelle Technologien, um die Relevanz einer Platzierung durch die Analyse von Bildern, Text, Audio und Video wirklich zu verstehen. Mit diesem Wissen bringen sie ihre Marke mit Nutzern mit der richtigen Einstellung zusammen. Das Resultat ist eine verbesserte Aufmerksamkeit, die Markenstatus und Absatzförderung positiv beeinflusst.
ADZINE: Wo hakt es dabei aufseiten der Advertiser noch?
Sültmann: Es ist ein Umdenken erforderlich, beispielsweise bei der dynamischen Werbemittel-Erstellung. Früher haben Marketingleiter die Werbemittel freigegeben. Das gibt es heute nicht mehr. Genau wie Webseiteninhalte werden Werbekampagnen immer dynamischer. Die Kontrolle über die Markenkommunikation verändert sich also.
Außerdem haben wir im Laufe der Evolution irgendwann gelernt, dass Umfelder nur die Brücke zur Zielgruppe sind. Daher hat man sich nur auf die Demografien konzentriert. Ob das gut funktioniert hat, sei dahingestellt. Jetzt bewegen wir uns wieder zur Erzeugung von Relevanz durch den Kontext. Das sind besonders für einen traditionellen Werbungstreibenden Herausforderungen mit Blick auf interne Strukturen und Partner, mit denen er zusammenarbeitet.
Wir haben heutzutage ein Matching-Problem. In einem überfüllten digitalen Ökosystem ist es für Marken enorm herausfordernd, Zielgruppen mit relevantem Inhalt, visuell prägnant und im Augenblick der mentalen Verfügbarkeit anzusprechen, um Aufmerksamkeit und Begehrlichkeit zu erzielen. Kreativität, Kontext und Messmethoden müssen dazu Hand in Hand agieren.
ADZINE: Ihr selbst sprecht vom “Mindset” der Nutzer, wenn sie sich im Internet bewegen. Wie sieht letztlich eine Kampagne aus, die das Denkverhalten der Menschen beeinflusst und nicht einfach nur gesehen wird?
Sültmann: Unser Ansatz ist es, Aufmerksamkeit durch die Analyse kontextueller Signale sowie dynamische Werbeformate zu schaffen und messbar zu machen. Diese Ansätze sind nicht neu. Doch wir bringen diese Bestandteile in einem Kampagnen-Aktivierungsansatz zusammen und schaffen so Präzision und Leistungsfähigkeit. Kurz gesagt: Wir ermitteln in Kampagnen, welche kontextbezogenen Kategorien die meiste Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen.
Interessant ist dabei vor allem, was der Mediaplaner mit den Informationen macht. Wie kann er sie in die Argumentation, das Reporting, die Empfehlung für die nächste Kampagne mit einbauen? Lässt sich die Aufmerksamkeit noch weiter steigern, oder ist ein Sättigungsgrad erreicht? Das gleiche Phänomen gibt es auch bei der Zielgruppenerreichung. Nur weil ich mehr Geld reinstecke, erreiche ich nicht viel mehr neue Menschen. So ist es bei der Aufmerksamkeit auch.
ADZINE: Um ein effizientes Targeting zu bauen, müsst ihr die Internetnutzer verstehen. Wie funktioniert das?
Sültmann: Wir lernen mit jeder Kampagne, mit jedem Publisher, mit dem wir zusammenarbeiten, aber eben auch mit jedem Panelisten, den wir mitmessen, mehr über Verhaltensmuster. So verstehen wir Aufmerksamkeitsspannen und welche Werbeformate gut in gewisse Content-Kategorien passen. Bei allem, was wir tun, unterstützen uns Technologien wie Computer Vision oder Natural Language Processing.
ADZINE: Wie bekommt man in Zukunft den Spagat zwischen Werbewirkung mit personalisierter Werbung und dem Schutz der Privatsphäre hin?
Sültmann: Mit jedem Touchpoint zu den Nutzern kommen mehr Technologien und damit auch mehr Herausforderungen oder Möglichkeiten hinzu, zu messen, auszuliefern und zu optimieren. Das kann man nicht alleine schaffen.
Die ganze Branche ist gefragt, einen Mittelweg zu finden, zwischen Alleinstellungsmerkmalen und der Öffnung für andere Systeme. Jeder muss sich so vernetzen, dass seine Lösung am Ende für den werbungtreibenden Kunden effizient und effektiv einsetzbar ist.
Das ist die größte Herausforderung, denn die Touchpoints werden ja noch weiter zunehmen.
Die Art, wie wir kommunizieren, wird sich weiterhin verändern. Die Frage, wie die optimale Werbewirkung erreicht werden kann und welche Methode zu welchem Ansatz passt, wird man sich immer wieder stellen.
ADZINE: Danke für das Gespräch, Frank!
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