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GAMES ADVERTISING

Die Gamer-Persona gibt es nicht (mehr)

Jan Heumüller, 29. April 2024
Bild: Fausto Sandoval - Unsplash

Seit Jahrzehnten ist das Interesse am Gaming als Werbekanal eher bescheiden. Auf Werberseite liegt ein Grund dafür in der Auffassung, dass die Gamer-Persona sich nicht skalieren lässt. Dabei existiert die Gamer-Persona in 2024 nicht mehr, zumindest nicht in der Form, wie sie sich die Werbetreibenden vorstellen.

Wir alle sind Gamer

Die größte Fehleinschätzung besteht darin, dass alle Gamer überwiegend männliche “Geeks” im Alter von 15 bis 20 Jahren sein sollen, welche sich in ihren Zimmern verkriechen, um zu spielen. Tatsächlich ähneln Gamer den gewünschten Zielgruppen vieler Werbetreibenden deutlich mehr als gedacht und decken das breite demographische Spektrum von 7 bis 77 Jahren ab. Die Vorstellung der Werbetreibenden von “dem Gamer” ist daher antiquiert. Dank des kometenhaften Aufstiegs der Mobile Games ist jetzt jeder ein Gamer. Vom Fitnessstudio-Besucher, der Candy Crush spielt, bis hin zu der Seniorin, deren Blick auf der Sudoku-App haftet – Spieler:Innen sind also nicht auf eine bestimmte Demographie beschränkt, was die Werbung extrem skalierbar macht. Im Grunde hat jeder, der ein Smartphone besitzt, heute auch eine Spielkonsole in der Tasche. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung – 3,4 Milliarden Menschen – spielt Spiele. Schätzungen zufolge wird der Umsatz mit Mobile Games in Deutschland im Jahr 2024 bei 1,47 Milliarden Euro liegen.

Die Möglichkeiten, Verbraucher:innen über diesen Kanal zu erreichen, werden immer vielfältiger. Mobile Gamer sind daran gewöhnt, dass Werbung aktiv positive Auswirkungen auf das Spielgeschehen haben kann – im Gegensatz zu Spots in traditionellen Medien wie dem Fernsehen oder dem Kino, die lediglich passiv konsumiert werden (müssen). Eines haben die Kanäle jedoch gemeinsam: Da sich die Menschen in ihrer Freizeit mit ihnen beschäftigen, sind sie dabei in der Regel auch empfänglicher für Markenbotschaften.

In Casual Games wie "Solitaire" schlummert somit großes Potenzial zur Markenbindung. Dennoch sind viele CMOs schlichtweg nicht auf der Höhe der Zeit. Es geht nicht nur um Actionspiele oder FIFA. Einige Unternehmen prüfen inzwischen konsequent, ob ausgewählte Spiele im Einklang mit ihren zentralen Markenwerten stehen, wobei die Qualität der Werbeumfelder angesichts der wachsenden Anzahl der Titel für Marken immer wichtiger wird.

Game over – ein Blick in die Geschichte

Werbetreibende führen seit jeher verschiedene Gründe dafür an, warum sie Spiele nicht in ihren Medienmix aufnehmen wollen. Ein Grund dafür liegt jedoch auch in den vorhandenen Marktstrukturen. Denn während die meisten Spiele-Publisher global agieren, sind Werbemärkte lokal strukturiert. Den meisten Unternehmen im Gaming fehlen die nötigen Sales-Abteilungen vor Ort, um Aufmerksamkeit für ihr Werbeumfeld zu schaffen. Doch technologische Hindernisse spielen ebenfalls eine Rolle. Traditionelle Demand-Side-Plattformen (DSP) waren nicht immer an den In-App-Kosmos angebunden.

Viele Werbetreibende scheinen sich zudem nicht mit den passenden Formaten im Gaming auszukennen. So performen beispielsweise Opt-in-basierte Rewarded Video Ads im Vergleich zu anderen In-App-Bereichen oder Ads auf traditionellen Websites überdurchschnittlich gut. Das Engagement ist hoch und die Nutzer:innen empfinden Rewarded Ads als nicht aufdringlich. Werbetreibende sollten daher diese speziell für Gaming entwickelten Formate für ihre Kampagnen in Betracht ziehen, wie zum Beispiel “Bandenwerbung” (statische Banner auf einer App-Seite) oder “TV-Spots” (in Form eines bildschirmfüllenden Interstitials am Ende eines Levels). Die Nutzer:innen setzen sich gezielt mit dieser Werbung auseinander, da sie organisch in das Gameplay eingebettet wird.

Der Gaming-Werbekosmos bietet solide Messmöglichkeiten für das Engagement, wobei besonders die Verweildauer eine wichtige Kennzahl ist. Spiele sind in der Hinsicht die Nummer eins unter den Werbekanälen, noch vor dem TV. Als weitere Metrik bietet sich ein Blick auf die Aufmerksamkeitswerte an, da sich Attention immer mehr zu einer zentralen Kennzahl im Advertising entwickelt. Die Attention-Werte im Gaming übertreffen die Benchmarks und werden von Insights aus SDKs und der Erkennung von Augenbewegung bestätigt.

Die Buchung der Anzeigen funktioniert heutzutage problemlos. Advertiser können sogar wie von TV gelernt die Primetime im Gaming zwischen 18.00 und 22.00 Uhr anpeilen. Gleichzeitig bieten sich ähnliche Möglichkeiten wie im Mobile Advertising, indem Gaming als sogenannter Second Screen betrachtet wird, während der Fernseher läuft.

Was kommt als Nächstes in Sachen Gaming?

Eine neue Ära bricht an, die von üppigen KI-Investments und -Tool getrieben ist. Dies macht sich auch in der Kreation bemerkbar. Werbetreibende sollten diese Automatisierung nicht verschlafen, um das Messaging und Engagement rund um ihre Creatives frisch zu halten. Indes locken Audio Ads in Spielen neue Werbekunden an. Wenn er richtig umgesetzt wird, wird auch der E-Commerce innerhalb von Handyspielen groß. Dann müssen Gamer nur noch einen Knopf drücken, um eine Jeans zu kaufen, einen Rabattcode zu erhalten oder eine Pizza zu bestellen. Während das offene Internet zu der Zeit mit generativer KI und noch mehr Plattformen zu kämpfen haben wird, die nur zu Werbezwecken existieren, können sich die Game-Publisher entspannen.

Dieser positive Ausblick kommt genau recht, denn der mobile In-App-Sektor gerät durchaus bei der Werbemonetarisierung ins Straucheln, angesichts einer zunehmend ID-losen Werbewelt. Seit Apple seine App Tracking Transparency (ATT) integriert hat, müssen alle iOS-Apps für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten eine Nutzereinwilligung abfragen. Die Opt-in-Rate ging daraufhin deutlich zurück, was den Wert des Inventars schmälert. Google hat derweil damit angefangen, Drittanbieter-Cookies in Chrome zu deaktivieren und macht so für alle sichtbar, was dieser Signalverlust für Auswirkungen auf die Digitalwerbung hat. In den kommenden Jahren könnte der Internetriese ebenso die Android-IDs abschaffen.

2024 ist ein entscheidendes Jahr für unsere Industrie. Die Werbetreibenden stehen vor der gewaltigen Herausforderung, den Signalverlust aufzufangen und neue Modelle und Kanäle zu finden, welche die von ihnen geforderte Skalierbarkeit und Targeting-Genauigkeit bieten, aber gleichzeitig den Datenschutz berücksichtigen. Das Gaming wird weiterhin Aufmerksamkeit auf sich ziehen und eine große Rolle dabei spielen, sowohl für Publisher als auch Marken einen Weg in die datenschutzfreundliche, ID-freie Welt zu ebnen.

Bild Jan Heumüller Über den Autor/die Autorin:

Seit Anfang 2019 baut Jan Heumüller für Ogury, dem Spezialisten für Personified Advertising, das Geschäft in den deutschsprachigen Märkten auf. Heumüller hat über 18 Jahre Erfahrung in der internationalen digitalen Marketing-Branche. Nach Stationen unter anderem bei eVita und ePost war er Geschäftsführer des Softwarespezialisten dacoma und des AdNetworks Ybrant Digital, bevor er als Managing Director Europe bei DataXu, einem führenden Anbieter von Programmatic Marketing Software, das europäische Geschäft verantwortete. Im Anschluss etablierte er TabMo, die führende Creative Mobile DSP, erfolgreich im deutschsprachigen und osteuropäischen Raum.

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