“Wir wollen auf jedem digitalen Screen 3D-Werbung”
Anton Priebe, 11. März 2024Videos von Katzen, die dreidimensional aus der Werbetafel hervortreten und Passanten anschnurren, finden sich im Netz zuhauf. Abgefilmt wurden sie von gewaltigen Billboards in Metropolen wie Tokio oder London. Wenn es nach Lukas Flöer geht, stammen sie schon bald auch aus der Rheinmetropole Köln oder der Elbmetropole Hamburg. Der Gründer des 3D-Außenwerbers Metads arbeitet mit seinem Team seit einigen Monaten daran, dass 3D-Werbung in Deutschland salonfähig wird. Für Spotify hat Metads über den Jahreswechsel eine nationale Kampagne realisiert. Im Interview spricht Flöer über seinen Start in der Bundesrepublik, das technische Verfahren hinter Werbung in 3D und die Details zur Spotify-Kampagne.
ADZINE: Hallo Lukas, “3D-Werbung in Deutschland” – hört sich im ersten Momentan verrückt an, ist aber schon Realität. Ihr seid im Herbst als Pionier auf dem Feld an den Start gegangen und habt seitdem schon einige Kampagnen umgesetzt. Wie entwickelt sich das Feld in Deutschland? Habt ihr schon Konkurrenten?
Lukas Flöer: Ja, tatsächlich haben wir schon Konkurrenz. Das ist auch gut, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Und sind wir mal ehrlich – 3D gibt es im Entertainment und Gaming schließlich schon seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Die Werbeindustrie ist nur ein bisschen später auf den Zug aufgesprungen. Doch innerhalb dieser bleiben wir nach wie vor die einzigen Spezialisten für 3D.
3D ist der nächste logische Schritt hinsichtlich visueller Weiterentwicklung von Werbung. Denn wir müssen der Realität ins Auge schauen: Der Großteil der Menschen findet Werbung nervig, langweilig oder irrelevant. In einer Zeit, wo wir von Werbeblindheit reden und die Anteile der Adblocker-Nutzer Rekord nach Rekord jagen, muss man sich umso mehr fragen, wie man Aufmerksamkeit bekommt. Reichweite allein nützt wenig. Und hier kommt 3D-Werbung ins Spiel als ein Vehikel, um dieses Attention-Problem zu lösen.
Reichweite ist so lange egal, wie sich die Erreichten nicht an die Werbung erinnern. Und genau das gelingt uns durch den 3D-Effekt, einer Art optischen Täuschung. Egal ob auf einem Out-of-Home-Screen, dem TV-Bildschirm oder auf dem Smartphone – 3D lässt Werbung realer wirken. Wenn es so aussieht, als wenn ein Football aus dem Bildschirm fliegt, dann ist es einfach aufmerksamkeitsstark.
ADZINE: Spotify sieht das anscheinend genauso. Was habt ihr für das Unternehmen realisiert?
Flöer: Spotify kam im Rahmen der Wrapped-Kampagne auf uns zu. Dabei handelt es sich um ein Feature, das eine Story von allen Liedern und Interpreten erstellt, die während des laufenden Jahres am häufigsten gehört wurden. Das Feature sollte vor allem in den jungen Zielgruppen gespielt werden. Klarer Fokus war die Gen Z, also jene Werbegeneration, die Werbung tendenziell alles andere als gut findet.
Die Kampagne lief national mit den Fokusstädten Hamburg, Düsseldorf, Köln und Berlin. In Berlin war der Top-Künstler Ski Aggu. Den haben wir beispielsweise in ein 3D-Studio eingeladen, mit knapp 100 Kameras über 3.000 Bilder aufgenommen und auf Basis dieser Daten den Künstler modelliert. Wir haben dann ein sogenanntes Rigging – vereinfacht gesagt ein digitales Skelett – erstellt und den Artist innerhalb der vermessenen Screens animiert. Im Endeffekt haben wir es für den User so aussehen lassen, dass dieser das Gefühl hatte, in das Wohnzimmer von Ski Aggu hineinsehen zu können. Ganz im Sinne seines Songs „Bubu, du lebst mietfrei in mei’m Kopf“.
ADZINE: Wie lange haben die Vorbereitungen gedauert?
Flöer: Vom Einscannen bis zum Go-live waren es am Ende weniger als drei Wochen.
ADZINE: Wie habt ihr für Spotify die richtigen Screens ausgewählt? Gab es klare Targeting-Kriterien, oder wollte die Marke so viele Personen wie möglich erreichen?
Flöer: Spotify hat den Fokus wie gesagt ganz klar auf die Gen Z gelegt. Teils haben wir Flächen exklusiv gebucht und uns bereits Anfang Dezember garantieren lassen und teils haben wir Flächen auf Basis von Location-Daten dynamisch ausgewählt.
Das Interessante in beiden Fällen ist, dass dennoch Location-Daten zwingend benötigt werden. Denn die optische Täuschung, der 3D-Effekt, ist davon abhängig, wo der Großteil der Nutzer vor dem Screen steht. Man muss den Blickwinkel bestimmen, um die Tiefe entstehen zu lassen. Das heißt auch, dass wir für jeden Screen eine individuelle Kreation anlegen. Perspektive, Schatten, Lichter sind für jeden Bildschirm adaptiert.
Sprich, wenn der Kunde ein Targeting wünscht, können wir die uns sowieso schon durch den Kreationsprozess vorliegenden Location-Daten näher analysieren und die Aktivierung auf jene Screens begrenzen, in deren Nähe sich relevant mehr Smartphones bewegen, die der Zielgruppe zuzuordnen sind. Egal ob auf Basis der Demographie oder kontextuellen Daten der Nutzer.
ADZINE: Sind das historische Daten oder guckt ihr in dem Moment des Einkaufs darauf?
Flöer: Sowohl als auch. Manche Screens lassen sich unmittelbar aktivieren, andere werden verzögert aktiviert. Manche Screens habe ich schon davor fest eingeplant und laufen exklusiv oder in einer fest definierten Rotation. Diese unterschiedlichen Aktivierungswege werden natürlich anders bewertet.
ADZINE: Wie kann die optische Täuschung funktionieren, wenn sich die Perspektive im Vorbeilaufen verändert? Muss man da nicht in Echtzeit einkaufen?
Flöer: Am Ende des Tages optimieren wir auf einen Blickwinkel, von dem aus der maximale 3D-Effekt stattfindet. Wenn man so möchte, entsteht für jeden Screen zum Zeitpunkt der Aktivierung eine individuelle Geoheat-Map. Wir schauen uns an, wo der Großteil der Nutzer vor dem Screen steht und nutzen diesen Punkt als Blickwinkel. Doch nur weil jemand drei Meter von dem Wunschpunkt entfernt steht, heißt es nicht, dass er den 3D-Effekt nicht mehr sieht. Auf der komplett anderen Seite des optimalen Blickwinkels dann allerdings schon. Wenn man das nicht berücksichtigt, wirkt es in der Regel gewollt und nicht gekonnt.
Ich persönlich finde, dieser Punkt zeigt, dass von Modeling über die Animation bis hin zur Mediaaktivierung alles Hand in Hand gehen muss, um wirklich den gewünschten Effekt zu erzielen.
ADZINE: Lass uns zurück zu Spotify kommen. Wie lange lief die Kampagne? Wie viele Screens waren involviert?
Flöer: Die Kampagne lief knapp anderthalb Wochen. 500 Screens waren bei der Auslieferung involviert. Wir haben aber natürlich nicht alle Screens in der gleichen Frequenz bespielt.
ADZINE: Kannst du Ergebnisse nennen?
Flöer: Wir konnten mit Blick auf die Werbeerinnerung alles, was wir bislang umgesetzt haben, in den Schatten stellen. Vor allem in der Zielgruppe Gen Z hat die Kampagne sehr gut funktioniert.
Ich kann mich an unseren Check vor Ort erinnern, bei welchem wir eine Gruppe von Mädchen, zwischen 16 und 20 Jahre alt, auf der Straße haben stoppen sehen, um das Ad mit Ski Aggu abzufilmen. Das muss man sich mal vorstellen – die Generation, welche sich Werbung verweigert, filmt diese freiwillig ab! Und das ist kein Einzelfall.
Wir haben für alle Kunden, egal ob aus dem Banking- oder Make-up-Bereich oder Spotify aus dem Musik- beziehungsweise Entertainment-Bereich, die Werbeerinnerung im Gegensatz zur Kontrollgruppe mindestens verdoppelt. Unterm Strich bekommt man mit 3D-Effekten also mehr Aufmerksamkeit.
ADZINE: Wie ist 2024 für euch angelaufen?
Flöer: Wir haben im neuen Jahr einerseits unser Team aufgestockt, damit wir Qualität und Schnelligkeit beibehalten können. Allein im Bereich Kreation arbeiten heute zwölf Leute. Wir gehen raus mit dem Versprechen, dass jede Kampagne in unter zehn Tagen bei uns live gehen kann.
ADZINE: Was steht als Nächstes auf der Agenda?
Flöer: Wir wollen unser Know-how weiter ausbauen und für jeden Kunden in jeder Kampagne das Maximale herausholen. Ob für Comdirect zu Beginn des Jahres in einem völligen neuen Branchensektor. Ob für Sephora mit den ersten CO2-neutralen 3D-Ads. Oder zum Superbowl für RTL mit 3D-Werbung im Kino. Es zeigt, wo wir hinwollen. Wir wollen auf jedem digitalen Screen 3D-Werbung.
ADZINE: Wir sind gespannt, vielen Dank für das Interview!
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