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Direktvertrieb für Publisher – Back to the Roots?

Anton Priebe, 5. März 2024
Bild: Austin Ban – Unsplash

Programmatic Advertising teilt sich grundsätzlich in drei verschiedene Bereiche auf: Open Auction, Private Marketplaces und Programmatic Direct beziehungsweise Guaranteed. Auch wenn die offenen Marktplätze hierzulande durchaus ein ansehnliches Stück des Milliardenkuchens abbekommen, herrscht in der deutschen Vermarkterlandschaft seit jeher ein Hang zu direkten Deals und dem Aufsetzen von privaten Marktplätzen. Daneben hat das nicht-programmatische I/O-Geschäft, vor allem für Sonderformate, ebenfalls einen starken Stand. Wenn es nach Max Henrychowski, DACH-Chef der Audience-Plattform Permutive, geht, sollten sich Vermarkter und ihre Publisher noch stärker auf den Wert ihrer eigenen Daten besinnen und das Ruder bei deren Monetarisierung selbst in die Hand nehmen. Denn ihm zufolge hat der offene programmatische Marktplatz zunehmend mit Problemen zu kämpfen. Gleichzeitig unterstützen Fortschritte in der kontextuellen Intelligenz die Sell-Side bei der Datenvermarktung in Eigenregie. Im Interview erklärt Henrychowski, wieso der Direktvertrieb in der Digitalvermarktung noch mehr Aufwind bekommt und welche Rolle Kohorten-Targeting dabei spielt.

Bild: Permutive Max Henrychowski, Permutive

ADZINE: Hallo Max, was kann man sich unter einer Audience-Plattform vorstellen? Eigentlich sind DMP oder CDP klassische Begriffe, um Datenplattformen zu beschreiben.

Max Henrychowski: Im Kern ist die Audience-Plattform genau das, aber aus einer anderen Perspektive. Die Technologie zielt aktuell hauptsächlich auf die Nutzung im Publisher-Markt ab und wir sind die einzig verbliebene Plattform, die sich in und mit diesem Markt entwickelt.

Die Audience-Plattform analysiert das Datenspektrum der Publisher, zeigt ihnen, was sie dem Markt anbieten können und ermöglicht ihnen gleichzeitig, in die Direktvertriebsschiene zu gehen. Es geht also darum, wie Publisher mit ihren Audiences Geld verdienen können.

ADZINE: Vor welchen Herausforderungen stehen die Publisher heute, wenn sie mit ihren Daten Geld verdienen wollen?

Henrychowski: Die Herausforderung ist aus der Historie der letzten Jahre geboren. Viele Verlagshäuser haben ihre Vertriebsmannschaften abgebaut und auf die programmatischen Einnahmen vertraut. Dieser Markt bricht mehr und mehr ein und viele Häuser wollen dem proaktiv begegnen. Es braucht also eine DMP, die nicht nur in Echtzeit aktivieren kann, sondern den Verlegern auch hilft, aus ihrem Datenschatz kluge Entscheidungen für den Direktvertrieb zu treffen.

Alle Tools, die auf Third-Party-Cookies oder IP-Adressen beruhen, werden bald obsolet. Umso wichtiger ist es jetzt, eine Übersicht über die tatsächliche Customer Journey auf seinen Webseiten und seine Daten zu erhalten. Hier kommen Audience-Plattformen ins Spiel. Dadurch, dass unsere Technologie direkt auf den Endgeräten der Nutzer arbeitet und in allen Kanälen funktioniert, können wir ab der ersten Impression das Verhalten der Besucher analysieren und die Daten beispielsweise kontextuell für die Werbevermarktung einbinden. Außerdem können im Direktvertrieb erheblich höhere TKPs erlangt werden.

ADZINE: Die Verarbeitung der Daten direkt auf den Endgeräten nennt sich Edge-Computing. Inwiefern hilft das bei der Werbevermarktung? Ist Non-Consent-Traffic hier ein Stichwort?

Henrychowski: Durch Edge lässt dich die Bewegung der User auf der Seite tracken. Der User bleibt erstmal ein Datenpunkt, der durch den Publisher-Kosmos wandert. Aber durch die Art und Weise, wie sich der User bewegt, kannst du ihn zum Beispiel kontextuell bedienen. Das lässt sich dann für die Modellierung nutzen und durch Edge entsprechend in Echtzeit. Das Thema Consent bleibt hier immer beim Publisher, da wir nur als “Data Processor” auftreten.

ADZINE: Wie gehen eure Publisher dem Non-Consent-Traffic um?

Henrychowski: Opt-out stellt tatsächlich für alle ein großes Problem dar. Wir reden hier ja nicht mehr nur von bewussten Nutzerentscheidungen zum Opt-out, sondern von Browsern, die dies von Haus aus unterstützen. Verbleiben tun dann circa 30 Prozent adressierbare Nutzer im Open Market Place, auf die sich aktuell etwa 80 Prozent des Werbebudgets konzentrieren. Das heißt natürlich auch, dass circa 70 Prozent der Nutzer für die Advertiser nicht sichtbar, beziehungsweise adressierbar sind und sich mit klassischen Adtech-Tools bedienen lassen. Mit unserem Ansatz können unsere Publisher bis zu 100 Prozent des Traffics aktivieren und Advertisern Reichweite und Premium-Segmente anbieten.

ADZINE: Hast du dafür ein konkretes Beispiel?

Henrychowski: Ein klassischer Fall dafür ist der Fly-by-Traffic, den Google über die Suche auf einen Artikel deiner Seite schickt. Diesen Besucher kann man mit gewissen Modellierungsfähigkeiten auch ohne Consent grob in eine Gruppe wie “Tech-Enthusiast” einordnen. Wenn der Publisher also die Technologie so aufgesetzt hat, dass sie direkt beim ersten Seitenaufruf arbeiten kann, erfolgt eine schnelle Zuordnung in das entsprechende Segment und passende Anzeigen können ausgespielt werden. Außerdem kommt hier der Vorteil von Publishern ins Spiel, die gewisse Zielgruppen anziehen und sich dank ihrer starken Marke für den Direktvertrieb interessant machen.

ADZINE: Ihr arbeitet speziell mit Kohorten-Targeting, das durch Google zum großen Thema geworden ist.

Henrychowski: Genau, wir haben das Thema zum Kern unserer Plattform gemacht. Kohorten oder “Publisher-definierte Zielgruppen” funktionieren im Großen und Ganzen aus zwei Gründen: Einerseits ersetzen sie Cookies als Währung des offenen Webs. Dies ermöglicht es, alle verfügbaren Zielgruppen zu erreichen und nicht nur diejenigen, die Cookies haben.

Andererseits haben Publisher eine direkte Beziehung zu allen Besuchern ihrer Website. Das bedeutet, dass sie bei der Definition ihrer Zielgruppen nicht denselben Beschränkungen unterliegen wie Drittanbieter. So können sie alle Nutzer unabhängig von ihrem Third-Party-Status in Publisher-definierte Zielgruppen einteilen. Diese Zielgruppen sind daher viel aussagekräftiger und lösen die Erreichbarkeitsprobleme, die wir heute auf dem Markt sehen.

ADZINE: Aber ihr geht mit eurer Modellierung darüber hinaus?

Henrychowski: Wir arbeiten mit First-Party-Daten für Eins-zu-eins-Targeting, Lookalike-Segmenten, kontextuellen und Affinity-Segmenten. Affinity-Segmente bilden die Verbindung zwischen Userdaten mit Opt-in und Bewegungsdaten. Sie helfen den Publishern, ihre Adressierbarkeit zu maximieren, indem sie Opt-out-Zielgruppen ebenfalls erreichen. Hier kommen wir zurück zum Beispiel mit dem Fly-by-Traffic von Google. Durch die Nutzung von Website-Signalen und Erkenntnissen aus Opt-in-Zielgruppen wird die Affinität von Nutzern, die den Consent verweigern, vorhergesagt. Die Affinität der Audience wird über alle URLs hinweg bewertet, sodass eher Seiten als einzelne Nutzer ins Visier genommen werden.

Da dies alles in der Plattform von unseren Kunden selbst angepasst werden kann, erlaubt es die Anpassung an spezielle Anfragen von Advertisern oder Agenturen. Ich kann als Publisher also zielgenau auf Wünsche eingehen.

ADZINE: Da sind wir wieder beim Direktvertrieb, den ihr euch auf die Fahne schreibt. Ist das nicht ein Rückschritt von dem ursprünglichen Programmatic-Gedanken? Alles hinter geschlossene Türen zu verbannen?

Henrychowski: Programmatische Vermarktung ist natürlich praktisch und ich glaube nicht, dass sie enden wird. Die Frage ist nur, wie sie neu gedacht werden muss, denn das dauerhafte Tracking im Internet muss und wird aufhören. Selbst Google spricht hier von einem Umdenken und einer programmatischen Zukunft, in der die First-Party-Daten der Publisher eine große Rolle spielen werden.

Ich denke, dass sich mehr private Marktplätze bilden werden. Premium-Umgebungen mit Targeting auf der Grundlage von First-Party-Daten sind zwar teurer, aber die Erfolgsquoten geben ihnen recht. Advertiser bekommen hochwertige Zielgruppen und markensichere Platzierungen mit der entsprechenden Erfolgsmessung. Publisher erzielen höhere TKPs.

Was den Direktvertrieb angeht – wir sehen im Schnitt 30 Prozent mehr Umsatz und höhere Rebookings bei unseren Kunden bei konstanter Adressierbarkeit.

ADZINE: …wenn der Demand stimmt.

Henrychowski: Das ist der Punkt. Viele der Verlage haben lange keinen Direktvertrieb mehr gemacht. Das muss neu gelernt werden und dazu bieten wir gerne Weiterbildung für unsere Kunden und Interessenten an.

ADZINE: Danke für das Interview, Max!

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