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ADTECH

Werbung, die sich mit dir unterhalten will

Anton Priebe, 5. Februar 2024
Bild: Etienne Boulanger – Unsplash

Die meisten Werbetreibenden sind zufrieden, wenn ihre Anzeige von der Zielgruppe wahrgenommen wird. Der Kommunikationsexperte André Mendo hingegen ist überzeugt davon, dass dies nicht ausreicht. Deswegen hat er im vergangenen Herbst die Wagawin Europe mitgegründet. Diese speist sich aus Assets des ehemals in München gegründeten Adtech-Unternehmens Wagawin. Das asiatische Geschäft, die Marke sowie die Technologie von Wagawin wurden zuvor von der W2 Group aus München übernommen. Für das operative Geschäft in Europa wurde kurz danach besagte Wagawin Europe gegründet, bei der die W2 Group Mehrheitseigentümer ist. André Mendo baut als Mitgründer und Geschäftsführer das Geschäft hierzulande neu auf. Über sogenannte Conversational Ads oder Augmented-Reality-Erlebnisse lädt Wagawin Europe die User zum Dialog ein. Die Ansprache mit einer besonderen Kreation in Kombination mit Zielgruppendaten und den im Dialog generierten Erkenntnissen soll auf allen Kanälen funktionieren. Im Interview erklärt Mendo, warum sich Advertiser mit Conversional Ads beschäftigen sollten, warum die Kundenreise heute problematisch nachzuvollziehen ist und wieso er nichts von Attention als Metrik zur Optimierung von Werbekampagnen hält.

Bild: Wagawin André Mendo, Wagawin

ADZINE: Hallo André, Conversational Ads sind euer Steckenpferd. Magst du kurz erklären, was dahintersteckt? Der Begriff wird von den Anbietern im Markt unterschiedlich definiert.

André Mendo: Der Begriff wird tatsächlich vielseitig interpretiert. Wir verstehen darunter, dass wir auf Basis der existierenden Creatives unserer Kunden einen Frage-Antwort-Katalog entwickeln, mit dem wir herausfinden, ob individuelle User eine hohe Affinität zum beworbenen Produkt beziehungsweise zur Dienstleistung haben oder nicht. Banner- und Video-Creatives werden also nicht mehr passiv konsumiert, sondern laden zu echten Dialogen ein.

Die Ausspielung der Kampagne erfolgt dabei über ein KI-basiertes Scoring, welches in Echtzeit dutzende Parameter verarbeitet. Neben den Antworten aus den Dialogen selbst sind das unter anderem kontextuelle Signale, Timings, Geräteinformationen oder die unterschiedlichen Antwortgeschwindigkeiten. Wenn letztere beispielsweise länger oder kürzer ausfallen, wird das entsprechend der Fragestellung bewertet und fließt in das Scoring ein.

Bei all dem ist es wichtig zu wissen, dass wir uns nicht als Vermarkter verstehen. Wir sind Publisher-unabhängig. Wir bedienen uns am frei verfügbaren programmatischen Inventar und selektieren ausschließlich im Sinne des Kunden, auf welchem Inventar wir die relevantesten User erreichen. Und diese Selektion wird mit jedem Dialog genauer.

ADZINE: Warum sollten sich Werbungtreibende für dieses Werbeformat interessieren?

Mendo: Es ist für jeden Werbungtreibenden, der Online-Werbung macht, interessant, da das Format dem Kunden am Ende entweder Geld einspart oder für das gleiche Geld eine höhere Reichweite erzielt. Wie wir wissen, hat jede Kampagne ungewollte Streuverluste. Was bringt es dem Werbungtreibenden, eine Werbebotschaft zehnmal an den gleichen User auszusenden, der schlichtweg kein Interesse an der beworbenen Sache hat?

In Zeiten reduzierter Marketingbudgets und der – zurecht – immer lauter werdenden Frage „Was bringt mir das eigentlich am Ende des Tages?“, helfen wir den Werbungtreibenden, die relevanten User innerhalb ihrer Zielgruppe zu finden. Dadurch werden Streuverluste signifikant reduziert, wodurch die Kampagneneffizienz steigt. Darüber hinaus erhalten unsere Kunden neue Erkenntnisse über ihre Zielgruppen und die Funktionsweise ihrer Kampagnen, die sie für all ihre digitalen Kampagnen verwenden können.

ADZINE: Apropos Kampagneneffizienz – lässt sich die Customer Journey heutzutage überhaupt noch ausreichend abbilden, um den ROI der Werbung nachzuvollziehen?

Mendo: Für die meisten Werbungtreibenden gilt hier: Nein. Das ist im Wesentlichen auf drei Punkte zurückzuführen.

Erstens die Messbarkeit analoger Mediengattungen: Marketing findet nicht nur digital, sondern auch analog statt. TV, Print und Plakat sind jedoch nicht rückkanalfähig. Der ROI kann unter Umständen noch halbwegs abgeleitet werden, aber die eigentliche Customer Journey bleibt im Verborgenen, da ich als Werbungtreibender eben nicht weiß, welcher TV-Kontakt auf welchem TV-Sender in welchem Werbeblock der Entscheidende war und eine Aktion beim User ausgelöst hat. Aber ganz sicher tragen diese Kontakte zur Markenbildung bei und haben einen Impact auf Online-Kampagnen. Eben nur nicht sauber mess- und damit optimierbar. Wir helfen hier jedoch unseren Kunden ein Stück weit und können mit Augmented Reality den unsichtbaren, beispielsweise analogen Plakatkontakt digital sichtbar machen und diese Datenpunkte mit in die laufende Online-Kampagne einbringen.

Zweitens das fehlende juristische Verständnis: Wir erleben sehr oft, dass die Möglichkeiten auf Kundenseite, wie das Onsite-Tracking und Datenerhebungen durch die Juristen im Hause der Werbungtreibenden erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden. Es fehlen dort die juristischen Online-Experten, die sich umfassend und in der Tiefe in der Materie auskennen. Das ist auch nachvollziehbar, da die Juristen in der Regel andere Gebiete abdecken und dann als Generalist eine komplexe Online-Thematik bewerten müssen, was in der Regel dazu führt, dass Wachstumschancen für das Unternehmen verhindert werden.

Drittens das Datenmanagement: Das hängt ein Stück weit mit Punkt zwei zusammen. Der Deutsche hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern größere Berührungsängste mit Daten. Sei es aufgrund von Unwissenheit, wie diese erhoben und genutzt werden können, der Angst vor juristischen Bewertungen oder auch aufgrund der in Deutschland sehr langsam stattfindenden digitalen Transformation.

ADZINE: Was hältst du vom Hype-Thema Attention? Ist das eine ernstzunehmende Währung für Kampagnen?

Mendo: Dass ich über Attention eine höhere Markenbekanntheit generiere, liegt ja in der Natur der Sache und ist seit Jahrzehnten eine bekannte Marketingformel. Attention ist jedoch nach meiner Auffassung etwas, das mit einer großartigen Kreation geschaffen wird und nur in geringem Maße durch Mediaplatzierung beeinflusst werden kann. Dabei würde ich grundsätzlich als Werbungtreibender und Mediaagentur voraussetzen, dass mein Vermarkter ausschließlich attraktive und aufmerksamkeitsstarke Werbeplatzierung anbietet. Zudem finde ich es schwierig, eine neue Währung im Markt zu etablieren, für die es keine einfache, einheitliche, zeitnahe, vollständige und übergreifende Messung gibt.

Aus diesen Gründen gehen wir einen Schritt weiter und setzen auf messbare Engagements. In dem Moment, in dem der User in den Dialog mit unseren Werbemitteln tritt, haben wir die gute Kreation um das Element der User-Aktivierung erweitert. So binden wir den User an das Werbemittel und erhalten zusätzlich Informationen über individuelle Interessen, welche wir gewinnbringend für unsere Kunden nutzen.

ADZINE: Hand aufs Herz – gibt es überhaupt Werbung, mit denen sich User gerne auseinandersetzen?

Mendo: Ein klares Ja! Werbung ist immer dann interessant, wenn sie unterhaltsam ist oder einen Informationswert für den Empfänger hat. Idealerweise beides in Kombination.

True Story: Wenn ich CTV nutze und innerhalb einer Stunde das gleiche, für mich nicht relevante Video-Ad, mit einem Produkt für Frauen ganze achtmal sehe, bin ich nicht nur maximal genervt, sondern erbost, dass diese Plattform mir die Zeit und dem Werbungtreibenden das Geld stiehlt.

Umgekehrt brauche ich nur einen Kontakt, wenn ich Werbung für Autozubehör sehe, um dann aktiv zu werden – weil es mich eben interessiert. Und das genau ist unsere Mission. Die Leute, die von der Werbung genervt sind, reduzieren, weil nicht relevant, und die, die affin sind, weiter mit werblicher Information versorgen, bis sie idealerweise das Produkt oder die Dienstleistung gekauft haben.

ADZINE: Danke für das Interview, André!

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