Moderne Tracking-Alternativen ohne Third-Party-Cookies
Prof. Dr. Sascha Hoffmann, Markus Wigbels, 8. Februar 2024Für ein effektives digitales Marketing ist eine zielgruppenspezifische Aussteuerung von Werbemitteln essentiell. Dazu werden intensiv Informationen zu den Interessen und Vorlieben von Internetusern genutzt. Diese werden insbesondere durch die Analyse ihres Surfverhaltens gewonnen. Bislang erfolgt dies vor allem über Third-Party-Cookie-Tracking. Das wird jedoch immer weiter eingeschränkt und spätestens in Q3 2024 keine Rolle mehr spielen, wenn es von Google in seinem Chrome-Browser verboten wird. Aber keine Sorge: Auch künftig werden eine zielgerichtete Aussteuerung und Erfolgsmessung von digitalen Marketingaktivitäten möglich sein. Dafür müssen Unternehmen aber dringend tätig werden und ihr Tracking auf moderne, datenschutzkonforme Verfahren umstellen.
Während es beim klickbasierten Tracking zur Performance-Messung bereits heute solide Alternativen gibt, sind View-basierte Tracking-Methoden im Display-Bereich noch im Aufbau. Die Verteilung und Wichtigkeit der Marketingmaßnahmen eines Werbetreibenden bestimmen hierbei maßgeblich die Auswahl der einzusetzenden technologischen Tracking-Methoden.
First-Party-Tracking
First-Party-Tracking bezeichnet die derzeit vielversprechendste Alternative zu Third-Party-Cookies in nahezu allen Performance-Marketingbereichen, um nach dem Klick auf ein Werbemittel das anschließende Userverhalten auf der Zielwebseite zu messen und so die Wirksamkeit des Werbemittels als Traffic-Zubringer zu erheben.
Insbesondere im Affiliate-Marketing setzen viele Shop-Betreiber bereits auf Link Decoration, bei der bei einem Klick auf einen Tracking-Link, beispielsweise in einem Werbebanner, eine ID generiert und an den Werbetreibenden über die Link-URL als zusätzlicher GET-Parameter an die Website (beispielsweise den Shop) übergeben wird.
Die über den Link aufgerufene Website speichert die übertragene ID in einem First-Party-Cookie oder einer ähnlichen Technologie und gibt diese später an den Tracking-Server des Werbenetzwerks zurück. In der Regel kommuniziert der Client per Script mit den von der Website gespeicherten First-Party-Daten mit dem Werbenetzwerk. Eine zusätzliche Erweiterung ist das sogenannte Server-to-Server-Tracking, das auch als Server-Side-Tracking bezeichnet wird. Hier kommuniziert der Server der Website direkt mit dem Tracking-Server des Werbenetzwerks.
Das Tracking durch Link Decoration wurde vor allem im Affiliate-Marketing von den großen Netzwerken und Technologie-Anbietern in den vergangenen Jahren stark vorangetrieben und stellt dort aktuell bereits den Marktstandard dar. Da jedoch auch Facebook Ads und Google Ads auf diese Methode zugreifen, schränken mit Safari sowie Firefox die ersten Browser Link Decoration bereits ein, um die Bildung von User-Profilen zu unterbinden.
Als Alternative zur Link Decoration dürfte sich daher künftig eher das Real-First-Party-Tracking als leicht abgewandelte Methode profilieren. Hierbei stellt der Shop-Betreiber dem Technologie-Anbieter beziehungsweise dem Affiliate-Netzwerk eine gesonderte Domain zur Verfügung, auf welcher das Tracking technisch installiert wird. Auf diese Weise kann das Cookie auf der eigentlichen Domain des Shops erstellt werden, ohne dass es durch den Browser abgelehnt wird. Die Tracking-Quote ist mit über 90 Prozent sehr hoch.
Tracking und Targeting im Browser
Eine weitere, insbesondere für das Display-Advertising wichtige Tracking-Methode, bei der es vor allem um das Ausspielen und nicht um das Klicken des Werbemittels geht (View Tracking), wurde durch eine Arbeitsgruppe rund um Google entwickelt. Diese als Google Privacy Sandbox bekannte Methode setzt darauf, das Tracking und die Werbeaussteuerung direkt im Browser des Nutzers anzusiedeln.
Im Kern bedeutet dies, dass alle Informationen über das Surfverhalten und die daraus abgeleiteten Interessen des Users lokal in seinem Browser gespeichert und zu sogenannten Topics, interessenbasierten Themen, verarbeitet werden, anstatt sie an externe Server zu senden.
Die programmatische Aussteuerung der Werbemittel findet somit unmittelbar im Browser statt, indem von dort über Javascript-Schnittstellen sowohl die Topics des Users als auch die daraus folgenden Gebote der Werbetreibenden und schließlich das Werbemittel des Auktionsgewinners übermittelt werden. Das ermöglicht es Werbetreibenden, für einen User relevante Anzeigen zu schalten, ohne direkten Zugriff auf seine persönlichen Daten zu haben. Gleichzeitig behält der User mehr Kontrolle und Transparenz darüber, wie seine Daten verwendet werden. So soll es gelingen, Marketinganforderungen und Datenschutz in Einklang zu bringen.
Diese Neuerung stellt für die Werbebranche jedoch einen erheblichen Technologieumbau dar. Vor allem Werbenetzwerke und Datenmanagement-Anbieter müssen ihre Systeme grundlegend anpassen. Um ihnen die Umstellung bis Q3 2024 zu erleichtern, hat Google frühzeitig eine Implementierungszeitachse und weitere Informationen veröffentlicht.
Identity Provider
Eine Alternative zur Bildung von Interessenprofilen im Browser stellen datenschutzkonform erstellte User-IDs dar. Die Grundidee ist, dass ein User Merkmale aufweist, die sich von Website zu Website nicht unterscheiden. Das kann zum Beispiel seine E-Mail-Adresse sein. Dies machen sich Identity Provider zunutze, indem sie gemeinsam mit Websitebetreibern und Werbetreibenden auf Websites einen Anreiz schaffen, dass sich ein User dort einloggt. Dadurch kann eine eindeutige, aber anonymisierte User-ID generiert werden.
Zu den bekanntesten Identity Providern gehören Facebook (Meta), Google & Co., die auf vielen Websites die Möglichkeit bieten, dass User sich dort einfach per Knopfdruck mit ihren Social-Media-IDs einloggen können, ohne einen neuen Account erstellen zu müssen.
Neben den großen Online-Anbietern gibt es aber auch weitere Unternehmen und Verbände, die als Identity Provider fungieren, indem sie unter hohen Datenschutzstandards die User-Datenbanken großer Websites zusammenführen. Ein europäisches Projekt ist hier die NetID von der European NetID Foundation.
Für die User-ID-Technologie hat das World Wide Web Consortium (W3C), als Gremium zur Standardisierung von Internettechnologien, mit dem FEDCM (Federated Credentials Management API) einen technischen Standard vorgestellt, der in die Browser Einzug halten wird. Durch diese Technologie ist es möglich, ein sogenanntes Single-Sign-on durchzuführen, das durch den Browser gesteuert wird.
Single-Sign-on (SSO) ist ein Authentifizierungsprozess, der es einem User ermöglicht, sich bequem mit nur einem Anmeldedatensatz (zum Beispiel Benutzername und Passwort) bei mehreren Anwendungen oder Diensten anzumelden. Werbenetzwerke und Websitebetreiber können dadurch gleichzeitig ein konsistentes Nutzerprofil erstellen.
Dies ist besonders umfassend, wenn die SSO-Anmeldedatensätze unmittelbar im Browser verwaltet werden. Durch das Login im Browser und neue, dort implementierte Technologien ist es möglich, User über mehrere Websites hinweg anonym zu erkennen und User-Profile zu erstellen.
Wenn sich ein User über SSO bei verschiedenen Diensten und sogar auf unterschiedlichen Endgeräten anmeldet, können die gesammelten Daten zudem in sogenannten Data Clean Rooms anonymisiert kombiniert werden, um ein detailliertes und geräteübergreifendes Bild der Vorlieben und Verhaltensweisen eines Users zu erhalten. Auf diese Weise ist auch weiterhin eine gezieltere und effizientere Werbeauslieferung möglich, die sowohl auf die individuellen Interessen des Users abgestimmt und als auch absolut datenschutzkonform ist.
Fazit
Derzeit werden vor allem drei, sich ergänzende Tracking-Varianten als Alternative zu den wegfallenden Third-Party-Cookies diskutiert: First-Party-Tracking mit Link Decoration ist besonders im Performance-Marketing effektiv. Dies funktioniert allerdings nicht universell für alle Browser, da Safari und Firefox bereits erste neue Beschränkungen eingeführt haben. Das browserbasierte Tracking (Google Privacy Sandbox), das vor allem im Display-Advertising relevant ist, respektiert den Datenschutz des Users, indem alle Daten in seinem Browser verbleiben. Dieser Ansatz ist aber vor allem auf Google Chrome ausgerichtet. Und zuletzt Identity Provider beziehungsweise SSO-Systeme, die browserübergreifend eine datenschutzkonforme Profilbildung ermöglichen und insbesondere im europäischen Datenschutzkontext wichtig sind.
Die Effektivität der verschiedenen Tracking-Methoden variiert aktuell, je nachdem, ob es um Klick- oder View-Tracking geht. Die Digitalbranche ist jedoch weiterhin in Bewegung: Mittelfristig können noch neue Tracking-Ansätze hinzukommen bzw. bestehende wegfallen.
Für Werbetreibende und Websitebetreiber ist es daher unabdingbar, am Puls der Zeit zu bleiben und sich kontinuierlich zu aktualisieren. Technologieanbieter haben die Verantwortung, sie durch diesen Wandel zu navigieren und robuste, vielseitige und datenschutzkonforme Lösungen anzubieten.
Die Herausforderungen liegen dabei jedoch nicht nur im technischen Bereich, sondern auch in der ethischen Verantwortung, Marketing und Datenschutz in Einklang zu bringen. Ein mehrsäuliger Ansatz bietet hier die beste Grundlage für eine nachhaltige und effektive Werbestrategie.
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