Was steht dem digitalen Mediaverkauf bevor?
Anton Priebe, 26. Januar 2024Mit dem Wachstum von Programmatic, das zunehmend auch traditionelle Kanäle umfasst, bei gleichzeitigem Schwund der Third-Party-Cookies und sich wandelnden Ansprüchen auf Einkaufsseite sieht sich der digitale Mediahandel gleich mehreren großen Herausforderungen gegenüber. ADZINE hat bei den Adtech-Anbietern nachgefragt, welche Entwicklungen sie beim Verkauf von Medialeistung 2024 vorhersehen. Dabei zeigt sich, dass CTV als Treiber für den programmatischen Mediahandel in den Vordergrund rückt. Das Zusammenspiel zwischen den Technologien verändert sich und nicht nur die Bewertung von Kampagnen, sondern auch die Rollenverteilung in den Unternehmen selbst befinden sich im Wandel.
Programmatic wächst mit TV als Treiber
Laut Johannes Paysen, Zentraleuropachef der Sell-Side-Plattform Magnite, befinden wir uns 2024 an einem Wendepunkt für den Ein- und Verkauf von TV-Inventaren. Es soll automatisierter werden. Zwar stecke werbegestütztes Streaming-TV noch in den Kinderschuhen, aber “sowohl Medieninhaber als auch Werbetreibende lernen mehr über dieses Medium und wie man es am besten nutzt”. Auch die programmatische Umsetzung von linearer TV-Werbung wird demzufolge zunehmen. “Kürzlich hat Visoon angekündigt, dass sein gesamtes Portfolio an linearem TV-Inventar programmatisch verfügbar sein wird, und ich erwarte, dass weitere Unternehmen diesem Beispiel folgen werden.” Paysen ist überzeugt: “In diesem Jahr werden mehr Unternehmen die Effizienz und die datengesteuerten Vorteile von Programmatic nutzen, insbesondere für Bewegtbild auf dem großen Screen.”
Dabei sieht sein Mitstreiter Leonhard Sauer, seines Zeichens Country Manager Central Europe beim ebenfalls börsennotierten Pubmatic, sogar den Trend hin zu “Total Video”. Der Omnichannel-Einkauf soll wachsen und Programmatic als das Bindeglied dienen. “Wir glauben, dass wir an der Schwelle zu einem Total-Video-Ansatz stehen, der es Einkäufern und Publishern ermöglicht, die Daten und Targeting-Möglichkeiten sowie die Effizienz, die die programmatische Automatisierung bietet, vollständig zu nutzen”, sagt Sauer.
Direktere Beziehungen zwischen Ein- und Verkauf
Nachdem in 2023 mehr Supply auf den Connected-TV-Markt geströmt war, prognostiziert der Experte nun das Streben nach mehr Effizienz und Kontrolle über die Lieferketten aufseiten der Mediaeinkäufer. Somit dürften Direct Deals im CTV-Kosmos anziehen. Sauer sieht ein “anhaltendes Wachstum von PMP- und Programmatic-Guaranteed-Transaktionen für CTV” voraus.
Abseits der CTV-Inventare verlagert sich der Handel ebenfalls eher hinter geschlossene Türen und – noch stärker – in den Bereich der Deals, meint Annika Korte, Yield Managerin vom Monetarisierungsexperten Symplr. Dafür sorge unter anderem der Abschied vom Third-Party-Cookie. “Eine vermehrte Verlagerung der Inventar-Verkäufe ins Dealgeschäft ist in diesem Zusammenhang eine immer bedeutender werdende Entwicklung”, sagt Korte. “Über PMP-, Run-On-Channel- oder Run-On-Site-Deals wird bereits eine recht genaue Zielgruppe definiert, die ergänzt durch Contextual Targeting und vom Publisher bereitgestellte Signale den Streuverlust auf ein Minimum reduziert.” Zudem würden Deals in Zeiten von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisenzeiten Preis- und Einkommenssicherheit auf Advertiser- beziehungsweise Publisherseite bieten. “Ob diese Entwicklung ohnehin stattfinden würde oder die Abschaltung der Third-Party-Cookies einen katalytischen Effekt hat, darüber lässt sich streiten”, so Korte weiter.
Serverseitige Implementierung der Technologien nimmt zu
Nicht streiten lässt sich hingegen nach Suvi Leino, Head of Marketing beim Programmatic-Spezialisten Relevant Digital, über den Zuwachs der serverseitigen Implementierungen im Programmatic-Kosmos. “Zu den wichtigsten Treibern in 2024 gehören ein verstärkter Fokus auf kontinuierliche Tests und eine serverseitige Implementierung, um den wachsenden Anforderungen an die Infrastruktur gerecht zu werden”, sagt Leino. Im Mobile-Bereich soll ihr zufolge besonders Prebid eine Schlüsselfunktion einnehmen. “Die Rolle von Prebid bei der Monetarisierung mobiler Anwendungen nimmt stark zu, was den Wettbewerb zwischen verschiedenen Nachfragequellen verstärkt und die dringend benötigte Transparenz erhöht.”
Mit der serverseitigen Kommunikation der Technologien wird naturgemäß weniger Energie verbraucht, was dem Nachhaltigkeits-Trend der Digitalwerbung zugutekommt. “Eine bemerkenswerte Entwicklung ist die wachsende Rolle der Nachhaltigkeit bei der Beeinflussung von Entscheidungsprozessen”, sagt Leino. Dies erfordert die Zusammenarbeit mehrerer Bereiche beim Mediaverkauf. “Echtzeit-Analysen aus allen Vertriebskanälen und andere Tools zur Anpassung von Prozessen sind entscheidend für den optimierten Ressourceneinsatz und Nachhaltigkeitsbemühungen, die Identifizierung gut funktionierender Assets und das Treffen fundierter Entscheidungen.”
Fokus auf Kennzahlen verlagert sich
Ein Wandel steht dem digitalen Mediaverkauf auch bei der Bewertung des Inventars bevor. So sieht Juliane Becker, Head of Sales beim mobilen High-Impact-Marktplatz YOC, Veränderungen bei den Kennzahlen voraus, auf die Kampagnen hin optimiert werden. “Durch die weitreichenden Potenziale von Engagement und Attention werden neben Standard-Metriken wie Viewability oder CTR ‘Advanced KPIs’ eine zentrale Rolle für die Steuerung und Optimierung von Kampagnen einnehmen”, sagt Becker. “Wir sehen den Fokus vor allem in der konkreten Messbarkeit von Engagements, der Qualität des Placements innerhalb der Site, Brand Safety sowie der generellen Inview-Time des Werbemittels”.
Getrieben durch Trends wie die fortschreitende Automatisierung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Marketing werde die Differenzierung für Marken im kommenden Jahr ohnehin schwieriger, meint die Expertin.
KI verändert Rollen im Mediahandel
Mit dem wachsenden Einsatz der KI geht laut Britta Heitkamp, Account Manager beim Order-Management-Spezialisten Gotom, eine veränderte Rollenverteilung im Mediahandel einher. “Was bereits in 2023 enorme Wellen geschlagen hat, wird 2024 die digitale Werbewelt maßgeblich in der Erstellung von Werbeinhalten und folglich in ihrer Zusammenarbeit revolutionieren: Richtig eingesetzt wird (generative) künstliche Intelligenz User Experience und Service neu denken sowie die Inhaltskuratierung und -produktion von Text-, Bild- und Videoinhalten simplifizieren sowie automatisieren”, ist Heitkamp überzeugt. Demnach werde die digitale Werbebranche dadurch vor die Herausforderung gestellt, sich strategisch neu aufzustellen und gleichzeitig die Chance geboten, Rollen neu zu denken und Ressourcen effizient neu zu verteilen.
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