Adtech-Branche fokussiert sich 2024 auf den Datenschutz
Anton Priebe, 11. Januar 2024Das neue Jahr ist frisch angebrochen und wartet mit allerlei Herausforderungen für die Werbeindustrie auf. ADZINE hat fünf Datenexpertinnen und -experten gefragt, welche Trends sie am Horizont ausmachen können, die der Werbekosmos 2024 auf dem Schirm haben sollte. Eine Entwicklung kristallisiert sich hier besonders heraus: Datenschutz wird vom Nice-to- zum Must-have. Datenschutzfreundliche Werbelösungen sind demnach auf dem Vormarsch.
Datenkollaboration und Privacy-Enhancing Technologies
Dass First-Party-Daten wichtiger werden, steht außer Frage, meint Maximilian Groth, Co-Founder und CEO vom Data-Clean-Room-Anbieter Decentriq. “Vielmehr wird der Fokus darauf liegen, wie diese Daten praktisch genutzt werden können, um digitale Kampagnen effektiver zu gestalten.” Hier sieht Groth eine Zukunft, in der Marken, Agenturen und Publisher – einschließlich neuer Player wie Retailer – auf neutralen Datenkollaborationsplattformen eng zusammenarbeiten. “Dabei werden innovative Identifikationstechnologien wie Utiq eine Schlüsselrolle spielen”, so der Datenexperte. Technologische Lösungen für die Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit sollen demnach in ihrer Akzeptanz weiter wachsen.
Seine Mitstreiterin Aline Zenses, die als Dach-Chefin die hiesigen Geschäfte bei Infosum verantwortet, sieht ebenfalls neben den rechtlichen insbesondere die technischen Aspekte in diesem Jahr in den Vordergrund treten. Sie richtet das Augenmerk auf Integration, Systemkompatibilität, Datenqualität und -standardisierung sowie die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen. “Dies ist notwendig, da Verschlüsselungen, wie sie für Daten im Ruhezustand verwendet werden, oder auch SSL/TLS-Protokolle für die Übertragung von Daten, für Datenpartnerschaften nicht ausreichen. Denn dort befinden sich die Daten in Benutzung und sind besonders anfällig”, erklärt Zenses. Hier kämen heute Privacy-Enhancing Technologies (PETs) ins Spiel. Der nächste Schritt sei es, Ressourcen und den kontrollierten Zugriff auf verteilte sensible Daten in einem Marktplatz für Datenverarbeitung und -analytik zusammenzuführen. Das Potenzial der Datenpartnerschaften sei enorm. “Wenn wir sicherstellen, dass diese Partnerschaften auf den Grundsätzen des PECC (Privacy Enhanced Collaborative Computing) beruhen, können wir im kommenden Jahr den Grundstein für eine datenschutzsichere Zukunft legen”, ist Zenses überzeugt.
Alternative IDs, Anonymisierung und der Wert der Nutzereinwilligung
Data Clean Rooms tun sich also als vielversprechende Lösung bei der Verarbeitung von Daten zu Marketing-Zwecken hervor. “Der Zugang zu First-Party Data und die Zusammenarbeit über Clean Rooms spielen 2024 eine entscheidende Rolle”, bestätigt Luise Weiss, VP Global Revenue beim Location-Spezialisten Adsquare. Sie glaubt, dass in diesem Zusammenhang alternative IDs wie Unified ID 2.0, EUID und NetID erheblich wichtig werden und dass dadurch langfristig etwa 25 Prozent des Programmatic-Inventars abgedeckt werden können. Weiss zeigt die Rolle der Supply-Side bei der Kuratierung von Daten auf. “Daten gewinnen vermehrt auf der Supply-Seite an Bedeutung, wobei die gezielte Kuratierung im Mittelpunkt steht; sie ermöglicht Werbetreibenden einen dynamischen und kontrollierten Zugang zu ihren Zielgruppen über bevorzugte Medienpartner”. So wurden ihr zufolge im vergangenen Jahr bei der OMD EMEA bereits mehr als zwei Drittel der aktivierten Zielgruppen mittels Curation zusammengestellt. “Entweder direkt von SSP-Partnern oder von Datenpartnern innerhalb der SSP”, sagt Weiss.
Der Umgang mit Daten muss sich ändern – darin sind sich alle einig. “In 2024 wird der Status quo der Datenpraktiken endgültig herausgefordert und der Werbemarkt steht an einer Weggabelung”, prophezeit Stephan Jäckel, Geschäftsführer der Telekom-Tochter Emetriq. Die schwindenden Third-Party-Cookies verstärken ihm zufolge in erster Instanz die Dominanz großer, datenreicher Plattformen. Dies übt Druck auf die anderen Player aus. “Die Frage ist, ob das anderweitig fragmentierte Werbeökosystem leistungsfähige Alternativen bieten und First-Party-Daten in ihrer Reichweiten skalieren kann”, meint der Targeting-Experte. Auf der einen Seite würden neue Identifier wie Utiq an Bedeutung gewinnen – mit dieser Einschätzung ist er ganz bei Maximilian Groth und Luise Weiss. Doch gleichzeitig seien innovative Ansätze gefragt, die ohne personenbeziehbare Daten und Identifier auskommen und dennoch wettbewerbsfähig sind. “In diesem Zusammenhang werden wir noch viel von Anonymisierung und synthetischen Audiences hören – eine Entwicklung, bei der Europa durch strengen Datenschutz weltweit führend sein wird, auf die auch EU-Regulatoren gespannt warten”, weiß Stephan Jäckel.
Beim Stichwort Regulation wird Adelina Peltea hellhörig. Als frisch gebackene Chief Marketing Officer bei der Consent-Management-Plattform Usercentrics ist das ein Heimspiel. “2024 wird der Digital Markets Act (DMA) einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie Daten für Werbezwecke genutzt werden”, weiß die Expertin. Die großen Tech-Unternehmen müssen laut Peltea gemeinsam mit Website- und App-Betreibern sicherstellen, dass Daten nur für den von den Nutzern genehmigten Zweck erhoben und verwendet werden. Google hätte hier bereits im November 2023 den Consent Mode v2 angekündigt. “Der Markt scheint langsam zu erkennen, welchen Wert Daten haben, die mit Zustimmung der Nutzer erhoben wurden”, glaubt die Fachfrau. Das spielt Usercentrics in die Karten. “CMPs werden nicht nur bei der Datenerhebung eine wichtige Rolle spielen, sondern auch bei der Optimierung der Interaktions- und Zustimmungsraten”, ist Peltea überzeugt.
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