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Eine digitale Neujahrsresolution, die vor Nachhaltigkeit strotzt

Thomas Koch, 5. Dezember 2023
Bild: Casey Horner – Unsplash

Die digitale Werbewelt erwartet 2024 ein ganzes Bündel an Themen. Das mit Abstand wichtigste ist dabei Nachhaltigkeit. In den letzten Jahren haben wir nicht genügend getan, um die Emissionen der Werbebranche abzubauen. 2024 holen wir das alles nach.

Das neue Jahr rast mit ungebremster Geschwindigkeit auf uns zu. Zeit, sich Gedanken über eine Neujahrsresolution zu machen, die zwei Forderungen gerecht wird: Erstens einen erkennbaren Sinn, neudeutsch Purpose, zu erfüllen und zweitens unsere Kampagnen nachhaltig erfolgreicher zu machen. Das ist kein geringer Anspruch und wir sind keine Träumer, aber das Jahr wird uns vor eine Menge Herausforderungen stellen. Am besten also, wir fangen gleich jetzt in der Planungsphase damit an.

Inzwischen fließt jeder zweite Werbeeuro in Digitalkampagnen. Da kommt angesichts der Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit eine besondere Verantwortung auf die Marketing-, Werbe- und Digital-Entscheider:innen im Lande zu. Sie beschäftigen sich in den verbleibenden Tagen des Jahres intensiv mit dem Thema, weil ihr Unternehmen zu denen gehört, die ab nächstem Jahr einen Nachhaltigkeitsbericht verfassen müssen oder weil sie ihren Kindern eine Welt hinterlassen wollen, in der es zu leben lohnt. Jeder mag für sich entscheiden, welcher Grund schwerer wiegt.

Ziel: Emissionen der Werbung halbieren

Viele Entscheider:innen haben längst verstanden, dass unsere alleine von Werbung und Provisionen finanzierte, digitale Welt sage und schreibe vier Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verursacht. Und dass die Werbung selbst für ein weiteres Prozent aufkommt. Bevor diese Zahlen, die bislang nur in unserer Fachwelt kursieren, zu einer öffentlichen Diskussion führen, müssen wir sie halbieren. Es ist keine Zeit mehr, um über die Einsparmenge zu diskutieren. Diese Zeit haben wir längst tatenlos verstreichen lassen.

Die digitale Welt mit ihren digitalen Medien und ihrer digitalisierten Werbung sind besonders gefordert. Nicht nur, weil sie für die Hälfte der Werbung verantwortlich ist, sondern weil die Emissionen der digitalen Werbung sukzessive weiter steigen. Ohne einzugreifen, haben wir zugelassen, dass Onlinewerbung zu einer immer größeren Dreckschleuder wurde – anstatt den Ausstoß an CO2 einzudämmen.

Jeder Prozentpunkt mehr an programmatischer Werbeauslieferung steigert die Emissionen. Der Anteil programmatischer Werbung liegt derzeit je nach Schätzung zwischen 56 Prozent (BVDW) und 72 Prozent (OVK). Und wir geben keine Ruhe, bis nicht die 90-Prozent-Marke überschritten ist. Dabei müsste es das Ziel sein, Programmatic auf ein Maß und einen Mehrwert zu bringen, die mehr Sinn ergeben.

Programmatic muss grüner werden

Wenn Technologie zu einem Problem werden sollte, dann ist es die gleiche Technologie, die eine Lösung bereithält. Über ein sinnvolles Maß an Programmatic zu diskutieren, ist durchaus eine intellektuelle Herausforderung. Forscher und Marketing-Professoren weltweit machen uns seit Jahren darauf aufmerksam, dass es falsch ist, Zielgruppen zu stark zu verkleinern, wenn Wachstum das oberste Ziel einer Marke ist. Dann braucht sie vielmehr eine hohe Reichweite weit über ihr derzeitiges Käuferpotenzial hinaus – anstelle von Mini-Zielgruppen.

Außerdem gibt es längst eine Menge Verfahren, die Energie-intensiven Bid Requests zu minimieren und so die allergrößten Mengen an CO2 überhaupt nicht erst entstehen zu lassen. Vermeiden statt kompensieren ist das Gebot der Stunde. Dabei hilft uns erneut Technologie.

Programmatic beschert uns zudem das Problem der MFA-Seiten: „Made For Advertising“-Websites, die überwiegend Bots statt Menschen erreichen und von Kriminellen erstellt werden, um das Werbegeld der Marken abzusaugen. Der US-Werbekundenverband ANA schätzt, dass bereits 15 Prozent aller Digital-Spendings auf MFA-Seiten landen. Wenn das nicht schlimm genug wäre, so stehen diese Seiten auch noch für mehr als 20 Prozent der CO2-Emissionen.

Tech und KI sind die Lösung

Im Tech-Universum und unter Einsatz von KI ist es ein Leichtes, diese Seiten zu identifizieren und somit auf der Stelle ein Fünftel der durch Digitalwerbung verursachten Emissionen zu vermeiden. Gänzlich ohne Verlust an Wirkung, wohlgemerkt. Laut Scope3 liegt der Carbon Footprint aller deutschen Digitalkampagnen bei 620.000 Tonnen in Jahr. Schon an diesen Beispielen erkennt man, dass es zur Lösung der größten Nachhaltigkeitsprobleme keine Rocket Science benötigt und wir auf diese Weise extrem hilfreiche und sinngebende Anwendungen von Tech und KI entdecken.

Die ersten Protagonisten erkennen die vielfältigen Vorteile, die sich durch nachhaltigere Kampagnen ergeben. Gero Maskow, Managing Director bei Crossmedia: „Wenn es darum geht, den CO2-Abdruck von Werbung zu senken, steht Digital oben auf der Liste, weil hier die Reduktion von CO2 nicht unbedingt mit einem Effizienzverlust einhergehen muss, sondern dafür sorgen kann, dass die Wirkung der Kampagnen sogar steigt.“ Und Norman Wagner, Geschäftsführer von Utiq, verrät in einem Interview: „Ich kann den CO2-Abdruck leicht reduzieren, wenn ich zu Qualitätsmedien gehe.“

Digitale Medien sind der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit

Die gute Nachricht: Wer bisher glaubte, ein nachhaltiger Mediaplan oder Media-Mix gefährde seine Marketing- und Media-KPIs, sieht sich getäuscht. Die cleveren Media-Profis sind längst einen Schritt weiter und senken den CO2-Ausstoß, während sie gleichzeitig die Qualität der Zielgruppenansprache anheben. Die Ergänzung des Media-Mix oder Umgewichtung des Medien-Anteils zugunsten von umweltfreundlicheren Medien wie Online Display, Online Audio oder Digital-OOH steigert die Reichweite und oftmals auch die Wirkung jedes Mediaplans, während der Carbon Footprint signifikant sinkt.

Die nächste gute Nachricht: Es sind oft nur leichte Anpassungen am Media-Einsatz erforderlich, um eine große Wirkung hin zu mehr Nachhaltigkeit zu bewirken. In einem Fall konnten wir durch einen intelligenten Mix aus längeren und kürzeren Spots für TV und Online den CO2-Ausstoß um 29 Prozent, fast ein Drittel, senken.

Natürlich müssen auch die klassischen Medien mitziehen, wenn es um das große Ziel geht, den Ausstoß der Werbung zu senken. Der Einsatz von Papiermedien (Werbeprospekte) sollte überdacht oder auf Recycling-Papier umgestellt werden. Ein Werbekunde, der jüngst an einem einzigen Tag mehr als 700 TV-Spots im Pay-TV ausstrahlte, wird gewiss umdenken. Werbeshootings werden künftig häufiger im Inland stattfinden.

Wir brauchen im nächsten Jahr mehr Entscheider:innen in werbungtreibenden Unternehmen und Agenturen, die das Thema auf ihre persönliche Agenda setzen. Wir brauchen Vorbilder, denen es Freude macht zu folgen. Wir brauchen Cases, die beweisen, dass Nachhaltigkeit unsere Mediapläne grüner – aber auch erfolgreicher macht. Dann verlieren auch die letzten Zögerer ihre Zurückhaltung. Dann wird 2024 ein Jahr, auf das wir stolz sein können.

Bild Thomas Koch Über den Autor/die Autorin:

Thomas Koch („Mr. Media“) ist 71 Jahre alt und seit 50 Jahren im Media-Business. Vierzehn Jahre verbrachte der Mediaplaner zunächst in namhaften Werbeagenturen, u.a. als Media-Chef bei GGK in Düsseldorf und Ted Bates Worldwide in Frankfurt. 1987 machte er sich in Düsseldorf mit thomaskochmedia (tkm) selbständig. tkm wird zur größten unabhängigen Mediaagentur Deutschlands. 2002 fusionierte Koch seine Agentur mit Starcom, wird CEO von tkmStarcom und somit der siebtgrößten Mediaagentur Deutschlands. 2007 stieg er aus und 2008 in die Geschäftsleitung der unabhängigen Mediaagentur Crossmedia ein. 2010 ist er Mitgründer von Plural Media Services in Berlin und coacht in Krisengebieten junge, regierungsunabhängige Medien. Von 2011 an berät er mit seiner Beratungsfirma tk-one Unternehmen, Medienhäuser und Agenturen. 2017 gründet er zusätzlich The DOOH Consultancy als erste Beratungsagentur für Digital-Out-of-Home.

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