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Contextual-Modelle buhlen um Reichweite und Genauigkeit

Anton Priebe, 13. Dezember 2023
Bild: Mansong – Adobe Stock

Mit dem Abschied vom Third-Party-Cookie in greifbarer Nähe sind kontextuelle Targeting-Verfahren stärker in den Fokus der Advertiser gerückt. Mittlerweile tummeln sich diverse Technologieanbieter auf dem Markt, die verschiedene Ansätze für semantische Zielgruppenansprache verfolgen. Einer davon ist Qwarry, ein französisches Startup mit eigener Analysetechnologie, das 2018 gegründet wurde. Mit seinem Hauptsitz in Paris und Niederlassungen in Madrid sowie Hamburg fokussiert sich das Unternehmen darauf, Advertisern und Agenturen cookieloses Targeting anzubieten. COO & Co-Founder Julie Walther und Hasina Ahmad, Programmatic Sales Lead EMEA, sprechen im Interview über die verschiedenen Contextual-Technologien am Markt und die Zukunft des kontextuellen Targetings.

Bild: Linkedin Hasina Ahmad, Qwarry

ADZINE: Es gibt bereits viele Contextual-Anbieter am Markt. Warum seht ihr dennoch eine Lücke für euch? Was macht euren Ansatz innovativ?

Hasina Ahmad: Wir erzeugen Granularität. Wir können nischenbezogene Segmente mit unserer Technologie erstellen und Lookalike-Zielgruppen basierend auf kontextuellen Informationen vorschlagen. Diese Präzisionsrate bekommen Advertiser mit einer Domain- oder Keyword-basierten Strategie nicht hin.

ADZINE: Welche Informationen beziehungsweise Datenpunkte nutzt ihr, um Seiten zu klassifizieren?

Julie Walther: Wir nutzen vielfältige Datenpunkte, um Seiten zu klassifizieren. Dabei arbeiten wir nicht auf Domain- oder Abschnittsebene, sondern tatsächlich auf Seitenebene, betrachten also jede URL für sich. Die unterschiedlichen textlichen Elemente der Seite spielen natürlich eine Rolle, aber auch die Metadaten sind wichtig, um die Struktur der Seite zu verstehen. Wir analysieren die Themen und Keywords der Seite, die abgedeckt werden, und arbeiten mit semantischen Tags.

Dahinter steht eine mehrstufige Analyse, die wir Multi-Scoring nennen. Nehmen wir zum Beispiel einen Artikel, der den deutschen Markt für Hybrid-Autos der letzten fünf Jahre betrachtet. Andere Technologieanbieter würden dieses Umfeld vielleicht als “Automotive” klassifizieren. Darin könnte jedoch auch das Thema “Finanzen”, “Wirtschaft” oder “Nachhaltigkeit” stecken. Wir reichern den Kontext also an. Dank verschiedener Datenpartnerschaften kommen zudem soziodemographische Signale hinzu.

Bild: Linkedin Julie Walther, Qwarry

ADZINE: Inwiefern unterscheiden sich die semantischen Analysetechnologien am Markt? Wo stoßen sie an ihre Grenzen?

Walther: Ich glaube, dass genauso viele verschiedene semantische Ansätze wie Contextual-Anbieter auf dem Markt existieren. Manche Technologien basieren auf Natural Language Processing, andere auf Syntax-Analyse oder neuronalen Netzwerken. Es geht darum, die Nuancen eines Inhalts zu verstehen, insbesondere wenn das Thema sehr speziell wird.

Einige arbeiten mit Tags, die in die Seiten implementiert werden müssen, um an den Content zu kommen und bauen Segmente daraus. Andere, wie wir, setzen auf Informationen aus dem Bidstream und arbeiten in Echtzeit. Das Wichtigste beim Contextual Targeting ist das zugrundeliegende Modell, das für Reichweite und Genauigkeit sorgt.

ADZINE: Welche Rolle spielt Attention beim Contextual Targeting?

Walther: Attention ist zurzeit ein Buzzword. Doch Aufmerksamkeit ist tatsächlich enorm wichtig für Contextual Targeting. Wenn du dir etwa gerade den Artikel über Hybrid-Autos anschaust, dann ist deine Aufmerksamkeit für dieses Thema in diesem Moment am höchsten. Damit ist auch die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass du mit der Werbeanzeige interagierst. Die Effektivität der Werbung ist also am Maximum.

ADZINE: Das Third-Party-Cookie-Aus gelangt in greifbare Nähe. Inwiefern wird sich dies auf das Contextual Advertising auswirken?

Ahmad: Agenturen und Advertiser, die sich noch nicht mit Contextual Targeting auseinandergesetzt werden, werden dies nun tun. Hier gilt, umso früher sie testen, desto eher wissen sie, was gut funktioniert. 2024 wird ein Umdenken auslösen, vor allem steht ein großer Shift im Performance-Bereich bevor.

ADZINE: Wie ist die Stimmung auf dem deutschen Markt? Wird eher abgewartet oder schon fleißig getestet?

Ahmad: Die Deutschen sind Gewohnheitstiere. Wir mögen keine größeren Veränderungen. Alle Agenturen und Trading Desks, mit denen wir uns austauschen, sagen das Gleiche: Man weiß zwar, dass es nicht mehr lange so weitergeht, lässt aber Third-Party-Cookie-Targeting weiterlaufen, solange es noch funktioniert – auch um kein Risiko eingehen zu müssen.

Immerhin sind die Gespräche mittlerweile anders, im Vergleich vor noch einem halben Jahr. Das Thema bekommt mehr Präsenz, auch wenn noch nicht so viel getestet wird, wie man eigentlich sollte. Im französischen Markt hingegen hat Contextual übrigens eine hohe Priorität.

ADZINE: Apropos große Veränderungen – wie wird KI das Targeting in Zukunft verändern?

Walther: KI wird einen höheren Grad von Personalisierung ermöglichen und ein tieferes Verständnis für Konsumentenverhalten schaffen. Sie wird also die Genauigkeit der Modelle verbessern und intelligenteres Contextual Targeting basiert auf Echtzeitdaten zulassen.

Beispielsweise basiert ChatGPT 3.5 auf Daten aus 2021, während die Version 4 auf Daten aus 2023 zurückgreifen kann und sich stetig aktualisiert. Mit Contextual verhält sich das ähnlich. Wenn du zum Beispiel neuronale Netzwerke einsetzt, musst du sicherstellen, dass sie die neuesten Trends kennen. Denn die Newslage ändert sich kontinuierlich. KI kann diese Modelle aktuell halten und genauer machen.

Der nächste Schritt mit Blick auf KI wird die Creatives betreffen. KI wird die Creatives in Echtzeit an den Kontext anpassen.

ADZINE: Wie granular kann semantisches Targeting in Zukunft werden?

Ahmad: Ein Multi-Scoring-Modell kann grundsätzlich ein bei weitem höheres Präzisionsniveau erreichen als ein Keyword-basiertes. So können wir zum Beispiel einen Spiegel-Artikel analysieren, fünf Thematiken erkennen und herausstellen, wie sie bewertet werden. L’Oreál kann mit seiner Shampoo-Werbung heute schon in Umfelder gehen, die über Haare oder Pflege sprechen, anstatt nur grob weibliche Zielgruppen anzusteuern. Mithilfe von Lookalikes kommt so ein treffsicheres Persona-Marketing zustande, ohne auf User-Daten zugreifen zu müssen.

ADZINE: Danke für das Gespräch, Julie und Hasina!

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