Obwohl der hiesige Werbemarkt zurzeit eine Berg- und Talfahrt erlebt, kann die Gattung Digital-Out-of-Home (DOOH) stetig steigende Investitionen vorweisen. Zwar macht digitale Außenwerbung insgesamt betrachtet nur einen kleinen Teil der Werbeumsätze aus, doch die Wachstumsraten können sich sehen lassen. So konnten die digitalen Außenwerbeträger im August 36,5 Prozent mehr Brutto-Umsatz erwirtschaften als im Vorjahresmonat. Diese zahlen überraschen Claudius von Soos, Head of Media Sales & Programmatic Advertising beim DOOH-Spezialisten TV-Wartezimmer, wenig. Im Interview nennt er Gründe für das konstante Wachstum der Werbegattung und verrät, welche innovativen Ansätze besonders die programmatische digitale Außenwerbung heute und in Zukunft bietet.
ADZINE: Hallo Claudius, wie weit ist die Digitalisierung der Außenwerbung in Deutschland inzwischen vorangeschritten?
Claudius von Soos: Alles in allem ist die Digitalisierung der Außenwerbung in Deutschland schon recht weit fortgeschritten, wobei die Frage ist, nach welchem Kriterium der Digitalisierungsgrad definiert wird: Rein von der Anzahl der Screens her macht Digital-Out-of-Home derzeit rund ein Drittel aller Außenwerbeträger aus. Im Hinblick auf die Umsätze zeigt sich allerdings ein etwas anderes Bild: Laut dem Nielsen Werbetrend liegt der Marktanteil von DOOH innerhalb der Gattung im dritten Quartal schon bei 40 Prozent – Tendenz steigend.
ADZINE: Wie entwickelt sich die Sparte Digital-Out-of-Home hierzulande derzeit und warum?
von Soos: DOOH gewinnt seit einigen Jahren konstant an Boden, trotz Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation geht die Umsatzentwicklung immer nach oben. Und auch im laufenden Jahr, mit einem insgesamt rückläufigen Werbemarkt, ist DOOH eine der wenigen Mediengattungen, die sich permanent im Plus befindet. Im August beispielsweise hat die Außenwerbung nur dank DOOH schwarze Zahlen geschrieben, die analogen Werbeträger allein wären ins Minus gerutscht.
Der Grund für den Lauf von DOOH ist der Tatsache geschuldet, dass es einfach das Beste aus zwei Welten verbindet: Als eines der letzten echten Massenmedien erzielt es schnell eine hohe Reichweite in der gesamten Bevölkerung wie auch in einzelnen Zielgruppen. Durch seine Platzierung im öffentlichen Raum erreicht DOOH überproportional die mobilen Zielgruppen wie Entscheider und junge Menschen, die zum Beispiel über TV-Werbung nicht mehr gut erreicht werden. Als digitale Werbeträger sind die DOOH-Screens nicht nur kurzfristig und flexibel einsetzbar, dank Programmatic DOOH ist nun auch erstmals auch ein echtes Targeting in der Außenwerbung möglich.
ADZINE: Wie schreitet speziell die programmatische Außenwerbung voran?
von Soos: Mittlerweile sind nahezu alle relevanten DOOH-Netze und -Touchpoints in Deutschland auch programmatisch erschlossen, wodurch permanent neue Kundengruppen auf Digital-Out-of-Home aufmerksam werden, die DOOH vorher noch nicht gebucht haben. Entsprechend wachsen – über den gesamten Markt gesehen – die Umsatzzahlen in diesem Bereich. Aktuell dürften wohl schon 40 bis 50 Prozent der DOOH-Umsätze programmatisch erzielt werden.
ADZINE: Welche Innovationen siehst du in DOOH heute und am Horizont?
von Soos: Obwohl die Branche bereits fast 140.000 digitale Screens anbietet, wird es auch in den kommenden Jahren weiteres Standortwachstum indoor wie outdoor geben. Meiner Einschätzung nach wird es durch (Dynamic Creative Optimization (DCO) und Künstliche Intelligenz noch viel besser möglich sein, die vielen verschiedenen Screens nicht nur rein technisch, sondern vor allem auch mit individuellen Botschaften zu bespielen.
ADZINE: Was steckt hinter Dynamic Creative Optimization?
von Soos: Dynamic Creative Optimization ist eine Form der programmatischen Werbung, bei der sich die Kreation der Werbemittel datenbasiert und nach zuvor definierten Kriterien in Echtzeit zusammensetzt. Dadurch kann die Wirkung von Kampagnen optimiert werden, indem die Werbemittel beispielsweise auf den Kontext, die Situation oder die erreichte Zielgruppe reagieren. In Online, wo Werbekunden mithilfe von DCO personalisierte Anzeigen erstellen und somit in die One-to-One-Kommunikation mit ihren Zielgruppen treten können, ist die Technologie schon ziemlich weit verbreitet. Bei DOOH fängt das gerade erst an.
ADZINE: Inwiefern kann es in der digitalen Außenwerbung zum Einsatz kommen?
von Soos: Das Prinzip bei DOOH ist ähnlich wie in Online, auch hier können die Spots dynamisch und nahezu in Echtzeit erstellt werden. Dabei werden die einzelnen Bestandteile der Spots – beispielsweise unterschiedliche Headlines, die zu verschiedenen Visuals kombiniert werden – ebenfalls vorproduziert und dann draußen auf den Screens dynamisch zusammengestellt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass DOOH kein One-to-One-, sondern ein One-to-Many-Medium ist und daher für einzelne Personen individualisierte Werbung hier in den seltensten Fällen sinnvoll ist. Vielmehr sollte bei DOOH, das ja im öffentlichen Raum stattfindet und meist mehrere Personen gleichzeitig erreicht, das Targeting nach Kriterien wie Touchpoint, Geo-Koordinaten, Ereignisse oder Wetter erfolgen.
ADZINE: Hast du konkrete Beispiele für uns?
von Soos: Fluggesellschaften promoten ihre Angebote über Geo-Targeting nicht nur im Umfeld verschiedener Flughafenstädte, sondern können sie auch in Echtzeit variieren, je nach verfügbarem Angebot für den jeweiligen Flughafen. Oder Supermärkte bewerben Angebote, die nur für einen Markt in der Nähe des jeweiligen Screens gelten. Je nach Abverkaufsentwicklung können die Spots auch über den Tag variiert werden.
ADZINE: Wie kommt Künstliche Intelligenz dabei ins Spiel?
von Soos: Künstliche Intelligenz kann zum Beispiel helfen, wenn nicht nur Elemente wie Ort oder Preis variiert werden sollen, sondern das gesamte Motiv. Über KI kann man hier sehr kurzfristig und automatisch neue Kampagnen-Motive erstellen und direkt on air bringen.
ADZINE: Gibt es sonst Bereiche in DOOH, in denen wir bald mehr KI-Einsatz sehen werden?
von Soos: Im Planungsbereich kann über KI bereits aus einem Briefing eine genaue Zielgruppen-Analyse mit einer Planungsempfehlung der am besten geeigneten DOOH-Kanäle generiert werden. Voraussetzung ist natürlich, dass es genügend und qualitativ hochwertigen Input gibt, um eine möglichst optimale Kampagnenplanung zu realisieren. Wobei ich nach wie vor der Ansicht bin, dass Mediaplanung keine zu 100 Prozent automatisierbare Disziplin ist. Auch persönliche Erfahrungswerte der Planer und kundenindividuelle Präferenzen spielen eine wichtige Rolle, und die kann keine KI ersetzen.
Den wertvollsten Einsatz sehe ich daher bei der Kreation von Motiven. Wenn ich wie bei DOOH sehr viele Touchpoints an geographisch und inhaltlich unterschiedlichen Orten belege, macht es viel Sinn, die individuellen Gegebenheiten bei der Kreation einfließen zu lassen. So werden Kampagnen noch zielgerichteter und damit wirkungsvoller.
ADZINE: Danke für das Gespräch, Claudius!
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