Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft – die US-Big-Tech-Riesen werden immer größer und mächtiger. Ja, sie sind gar so gigantisch geworden, dass sie kleineren Adtech-Unternehmen regelrecht die Luft zum Atmen nehmen. Und das schädigt nicht nur unsere Wirtschaft, sondern bedroht auch zunehmend das wohl heiligste Gut Europas: die Demokratie. Ein Kommentar.
Der gemeinsame Marktwert der fünf amerikanischen Digitalriesen ist dieses Jahr um 50 Prozent auf rund neun Billionen Dollar angewachsen. Zur Einordnung: Das ist fast ein Viertel des Gesamtwerts des Leitindex S&P 500, der die 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA umfasst und der in diesem Jahr um lediglich 17 Prozent gestiegen ist. Zugegeben: Das klingt für die Tech-Giganten nach American Dream aus dem Bilderbuch. Nichtsdestotrotz ist es eine gefährliche Entwicklung, wenn einer der wichtigsten Indizes der globalen Finanzmärkte nur noch einen kleinen Ausschnitt der Wirtschaft abbildet – Klumpenrisiko lässt grüßen. Doch nicht nur deshalb empfinden so manche Big Tech als „too big“. Auch aus anderen Lagern kommen kritische Stimmen, die immer mehr und lauter werden. So wird den Big Five vorgeworfen, mit unsauberen Methoden uneinholbare Monopole gebildet zu haben. Sie sollen weltweit den Traffic – und damit die Umsätze des Werbemarkts im Internet – kontrollieren und ganz nebenbei gewaltige Gewinne abschöpfen.
Diese Kritik scheint berechtigt. So wurde erst im September gegen Google beziehungsweise den Mutterkonzern Alphabet seitens des US-Justizministeriums das größte Kartellverfahren der letzten zwei Jahrzehnte eingeleitet, während die EU schon im Sommer die Reißleine gezogen hat. Im Juni hat diese den Digital Markets Act verabschiedet, der eine ganze Reihe großer US-Tech-Unternehmen als sogenannte „Gatekeeper“ einstuft und sicherstellen soll, dass ebendiese ihre Position nicht länger missbrauchen. Aber: Reicht das – oder braucht es mehr? Mehr Druck, mehr Zusammenhalt, einen Schulterschuss der europäischen Adtech-Szene?
Wir müssen Big Tech gemeinsam die Stirn bieten!
Wer in der hiesigen Adtech-Branche zuhause ist, dem wird jeden Tag schmerzlich bewusst: Apple, Meta und Co. bilden ein Imperium, gegen das sich nur schwer ankämpfen lässt. Seit Jahrzehnten schon geben die großen US-Player den Ton an. Sie dominieren den europäischen Markt und offerieren dabei durchaus gute Produkte. Unsere europäischen Interessen und Bedürfnisse kümmern sie jedoch herzlich wenig. Denn auch wenn sie mit ihren technologischen Errungenschaften die freie Rede, ein liberales Miteinander und Transparenz propagieren – die Realität sieht anders aus.
Die Big Five regulieren den globalen Datenfluss. Der allergrößte Teil des Internet-Traffics in Europa läuft über ihre Plattformen beziehungsweise Netzwerke – orchestriert von Algorithmen, die nur sie allein kennen. Wie sie arbeiten und Daten kontrollieren, bleibt ein Betriebsgeheimnis. Ihre Geschäftspraktiken werfen immer wieder Fragen auf. Und die ursprüngliche Idee eines freien Internets mit unendlich vielen Möglichkeiten, Informationen auszutauschen und zu verbreiten, haben die Konzern-Gründungsväter ohnehin längst verkauft. Es geht ihnen nur noch um Macht und Gewinnmaximierung – und um das zu erreichen, sind sie bereit jegliche Konkurrenz im Keim zu ersticken.
Doch die Konkurrenz – das sind wir. Europäische Adtech-Unternehmen, die europäische Werte leben, transparent agieren und sich an die Regeln halten, anstatt regulatorische Lücken auszunützen. Die zur lokalen Wertschöpfung beitragen, es als Privileg betrachten, hier ansässig zu sein und hier Steuern zu zahlen. Denen Themen wie GDPR, Privacy by Design oder Ad Verfication und der sorgsame Umgang damit echte Anliegen sind. Die einzeln vielleicht keine Chance gegen die systemische Macht der US-Giganten haben, gemeinsam aber viel erreichen können.
Auch Publisher sind gefragt, klare Kante zu zeigen
Unabhängigkeit gibt es in unserer Medienlandschaft schon lange nicht mehr umsonst. Um guten Journalismus anbieten zu können, finanziert sich der Großteil der Medienhäuser über Werbung. Im digitalen Zeitalter kommt dabei insbesondere der Onlinewerbung eine Schlüsselrolle zu. Und wer, um zu überleben, auf Onlinewerbung angewiesen ist, lebt meist in dem Glauben, um die die diesbezüglichen Angebote der Tech-Riesen nicht herumzukommen. Und das ist kein Wunder! Immerhin sind diese in den letzten Jahren wie die Heuschrecken über unsere Märkte hergefallen, haben uns ihre intransparenten Modelle aufgezwungen und uns in Geiselhaft genommen. Sie sind – wie Medienwissenschaftler Martin Andree in einem Gespräch mit dem NDR sagt – mittlerweile gar zu einem Monster herangewachsen, das über die mediale Grundversorgung entscheidet. Freier Zugang zu Informationen sieht anders aus. „Wenn wir nichts tun, dann ist die Zukunft sehr leicht vorhersehbar“, so Andree. „Ein Großteil unserer Medienwirklichkeit wird dann in den Plattformen sein. Und die kontrollieren dann diese Medienwirklichkeit. (...) Wir haben keinen wirklichen Zugriff darauf. Und damit entgleitet uns die Kontrolle über unsere Demokratie.“
Doch: Das muss nicht sein! Denn: Wir haben auch in Europa ein großartiges Adtech-Angebot von Unternehmen, die dieselben Vorstellungen von Freiheit und Sicherheit haben wie die hier ansässigen Medienhäuser. Die ähnliche Lebensweisen, Werte und Traditionen pflegen. Die Vielfalt schätzen und sich der Demokratie verpflichtet fühlen.
Aber: Damit das auch in Zukunft so bleibt, müssen wir ab sofort mehr denn je alle zusammen an einem Strang ziehen – in Europa für Europa!
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