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ADTECH

Die Videovielfalt erfordert ein Update der Werbeinfrastruktur

Anton Priebe, 2. November 2023
Bild: Rubenz Arizta – Unsplash

Der Markt für Videowerbung wächst seit Jahren kontinuierlich. Die Verbraucher:innen konsumieren zunehmend digitale Bewegtbildinhalte, allerdings in unterschiedlichsten Formaten auf diversen Geräten und Plattformen. Diese fragmentierte Mediennutzung führt dazu, dass sich auch die Infrastrukturen für Werbetreibende weiterentwickeln müssen. Hier gelangt insbesondere das Programmatic Advertising in den Fokus, das datengetriebenen und vor allem auch geräteübergreifenden Mediaeinkauf verspricht. Im Interview erklärt Ekkehardt “Ekke” Schlottbohm, Regional VP Northern Europe von der Supply-Side-Plattform Pubmatic, welche Veränderungen er konkret sieht und wie sich Technologieanbieter darauf einstellen sollten.

Bild: Pubmatic Ekkehardt Schlottbohm, Pubmatic

ADZINE: Hallo Ekke, Connected TV wird im Advertising-Kosmos seit längerem gehypt – zu Recht?

Ekkehardt Schlottbohm: (lacht) Du meinst, dass CTV nun “das Jahr des Mobile” ablöst, auf das wir schon so lange warten? Ja, ich glaube, dass CTV den Hype verdient. Wobei ich nicht von einem Hype sprechen würde, da CTV mittlerweile im Alltag angekommen ist.

Entscheidend dafür ist vor allem die große Geräteabdeckung und damit der breite Zugang zu den Angeboten. Für Werbetreibende haben selbst die großen Content-Anbieter wie Netflix, Disney oder Amazon hybride Modelle aus SVOD und AVOD etabliert. Hier findet momentan ein Shift in Richtung des werbegestützten Streaming-Konsums statt. CTV und seine Chancen für Advertiser sind einfach omnipräsent.

ADZINE: Die Budgets verlagern sich aber nur zögerlich. Der Großteil der Video-Werbebudgets fließt aktuell immer noch woanders hin. Wohin genau fließt der Werbeeuro? Was könnt ihr aus eurer Omnichannel-Perspektive beobachten?

Schlottbohm: Bei Advertisern steht im Fokus, dass sie nachweisen können, ob sie ihre Zielgruppen auch wirklich erreichen. Einfach so eine Kampagne zu buchen, ist gerade nicht drin. Die Advertiser wollen wissen, ob sie mit ihren Buchungen inkrementelle Reichweite schaffen. Daher ist zum Beispiel Mobile-Video ein Riesenthema.

ADZINE: Wie wird sich der Markt für Digital Video deiner Meinung nach weiterentwickeln? In welchen Teilbereichen, abseits von CTV, steckt perspektivisch das größte Wachstum und warum?

Schlottbohm: Mobile. Hier denken die Mobile-Player zunehmend App-basiert, wobei der CTV-Bereich ja auch über Apps läuft. So wird Device-übergreifende In-App-Videowerbung ein noch wichtigerer Bestandteil des digitalen Bewegtbildkosmos. Die Unterscheidung zwischen großem oder kleinem Screen ist gar nicht mehr so wichtig – es geht dann eher um die Nutzungssituation. Für In-App sehe ich also ein sehr starkes Wachstum.

ADZINE: Wie bringt ihr eure Technologie dementsprechend in Stellung?

Schlottbohm: Wir sind mit Mobile- und App-Entwicklern im Gespräch und entwickeln unsere Technologie an der Stelle weiter. Dabei geht es vor allem darum, Daten für verschiedene Messszenarien nutzbar zu machen. In CTV-Apps müssen zum Beispiel Möglichkeiten gefunden werden, um Content-Signale oder andere Faktoren zu messen und zu übergeben, um Kampagnen effizienter zu steuern. Diese Informationen möchten wir natürlich der Einkaufsseite im Bid Request zur Verfügung stellen.

ADZINE: Was fangen die Advertiser mit diesen Informationen an? Inwiefern hat das Auswirkungen auf die Buchungsgewohnheiten?

Schlottbohm: Die Agenturen und auch Advertiser erstellen sich zunehmend eigene Marktplätze, um Inventare zu aggregieren. Damit schaffen sie die Verknüpfung beispielsweise zwischen linearem TV, Mobile, Desktop oder CTV. Hier unterstützen wir selbst bei der Auslieferung und helfen dabei, die Marktplätze aufzubauen. Wir sind aber nicht mehr der primäre Verkäufer der Inventare, sondern eher in der Rolle des Techdienstleisters für Agenturen und Advertiser.

Diese Entwicklung führt dazu, dass weniger über den Open Market eingekauft wird. Im Vordergrund stehen eher garantierte Leistungen, etwa im Rahmen von Programmatic Guaranteed oder I/O.

ADZINE: Was macht das mit dem Programmatic-Ökosystem insgesamt?

Schlottbohm: Da kommen wir zum Thema Supply-Path-Optimization. Die Agenturen und Advertiser haben in den vergangenen Jahren angefangen, ihre Partner auf der SSP-Seite massiv zu reduzieren – auf DSP-Seite waren es eh nie viele. Nun gehen sie einen Schritt weiter und möchten näher an den Supply kommen. Die Verschmelzung zwischen Demand-Side- und Sell-Side-Plattformen hat sich aufgeweicht. Alles rückt näher zusammen.

ADZINE: Das ist ein Trend, der sich schon länger abzeichnet. DSPs kaufen direkt bei Publishern ein und SSPs geben Agenturen direkten Zugang zu ihren Publishern. Werden wir künftig wieder bei simplen Exchanges landen, die sowohl SSP- als auch DSP-Funktionalitäten anbieten? Und ist das nicht ein Schritt zurück?

Schlottbohm: Wieso denkst du, dass wir damit einen Schritt zurückgehen?

ADZINE: Bevor sich die Plattformen spezialisiert haben, lief Programmatic doch über breiter aufgestellte Exchanges, die beide Seiten bedient haben.

Schlottbohm: Stimmt, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir einen Schritt zurückgehen. Man könnte auch sagen, dass die Zeit reif ist, das Angebot anzupassen. Es gab vor Jahren beispielsweise auch schon kuratierte Deals von anderen SSPs, die aber kein Publisher angenommen hat. Jeder wollte allein stehen mit seiner Exklusivität. Jetzt sind kuratierte Deals hingegen ein gutes Mittel, um Skalierung und Targeting auf der Sell-Side herzustellen.

Ich würde es also nicht als Rückschritt sehen, sondern als eine Weiterentwicklung des Markts, weil sich die Anforderungen geändert haben. Außerdem haben sich neue, effizientere Möglichkeiten eröffnet. Supply-Side-Targeting ist hochinteressant und die Verbindung vom Supply zum Demand ist viel direkter.

ADZINE: Was bedeutet diese Entwicklung für den Adtech-Markt? Wo siehst du Konsolidierung am Horizont?

Schlottbohm: Ich sehe, dass es viele Full-Stack-Technologien gibt, die alle Bereiche des Ökosystems abdecken. Wir selbst versuchen die Schritte zu minimieren, indem du sowohl dazu in der Lage bist, Inventare bei uns zu kuratieren und Deals zu exekutieren – wie etwa klassische PMPs zu einer übergeordneten Deal-ID bündeln – als auch Kampagnen zu aktivieren. Da stehen wir ehrlicherweise erst am Anfang, aber das Maß an Kontrolle, das mit dem Angebot aus einer Hand einhergeht, wird von Advertisern und ihren Agenturen sowie Publishern gerne angenommen.

ADZINE: Wird Pubmatic bald zur Full-Stack-Plattform?

Schlottbohm: Nein, dazu bräuchten wir noch viele weitere Komponenten. Wir versuchen, die nächste Stufe der Supply-Path-Optimierung zu gehen. Wenn Buyer bei uns ihre Lieferketten verkürzen wollen, können sie das tun. Dafür haben wir eine Single Solution und das auf globaler Ebene. Programmatic soll einfach sein und nicht komplizierter als ohnehin schon.

Die Struktur ist lange Jahre darauf ausgerichtet worden, dass Daten in die DSP fließen, dort exekutiert werden und in die verschiedenen SSPs gehen. Mit der Reduktion der verschiedenen SSP-Player – Agenturen arbeiten aktuell in der Regel mit drei bis fünf zusammen – verändern sich auch die Prozesse bei der Datenaktivierung. Das ist aus meiner Sicht aber genau die richtige Richtung.

SPO kommt natürlich auch Publishern zugute, da es ihre Einnahmen steigert. Es bietet Publishern den Vorteil, einen direkteren Pfad zu ihren potenziellen Werbeeinnahmen zu schaffen. Transparenz spielt eine entscheidende Rolle für Käufer bei der Auswahl ihrer Supply-Path-Partner. Die Bereitstellung dieses Maßes an Transparenz bedeutet, dass Buyer ihre Ausgaben von intransparenten Supply-Pfaden zu transparenten verlagern werden.

ADZINE: Abschlussfrage – du engagierst dich neuerdings beim IAB Europe. Wie ist es dazu gekommen und was tust du in dieser Funktion?

Schlottbohm: Ich habe mich im Mai dazu entschieden, mich aus der Corporate-Sicht als Teil des Boards of Directors zur Wahl zur stellen. Ich sehe das bestätigt mit Thomas Duhr als jetzigem Chairman, der sich sehr engagiert und den IAB Europe weiterentwickeln möchte.

Ich glaube, dass Themen wie zum Beispiel das TCF 2.2 oder der Digital Services Act sehr wichtig sind. Dafür sollte man als europäischer Markt Verantwortung übernehmen.

ADZINE: Danke für das Gespräch!

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