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Blaupause für Video-Adtech-Stack gesucht

Karsten Zunke, 7. November 2023
Bild: Sergey Zolkin – Unsplash

Um Kampagnen kanalübergreifend in Bewegtbildumfeldern auszuspielen, müssen verschiedenste Technologien ineinandergreifen wie Rädchen in einem Uhrwerk. Doch jede Uhr tickt anders. Noch. Komfortabler wäre es, wenn sich ein Adtech-Setup definieren ließe, das als Blaupause für das Multichannel Video Advertising dienen kann. Ich so etwas möglich? Und was müsste getan werden, um dorthin zu gelangen? ADZINE hat sich in der Bewegtbild-Szene umgehört.

Bild: Index Exchange Stéphane Printz, Index Exchange

Die digitale Landschaft für Bewegtbild ist fragmentiert und sie entwickelt sich rasant weiter. Das gilt für die Medien ebenso wie für die Technologien, die das Digital Video Advertising ermöglichen. Deutsche Verbraucher:innen verbringen immer mehr Zeit auf digitalen Kanälen, insbesondere auf vernetzten TV- und mobilen Geräten. „Dieser Wandel unterstreicht die Bedeutung eines programmatischen Omnichannel-Ansatzes, der ein nahtloses digitales Erlebnis schafft und das Publikum auf allen Kanälen anspricht“, sagt Stéphane Printz, Regional Managing Director Mittel- und Osteuropa bei Index Exchange. Durch den programmatischen Einkauf über eine SSP und DSP, können Werbetreibende ihre Gebotsstrategien in Echtzeit an das Verbraucherverhalten anpassen und gleichzeitig Effizienz und Transparenz in großem Maßstab priorisieren. „Um das Potenzial einer Omnichannel-Kampagne zu maximieren, sollte ein Adtech-Stack auf Adressierbarkeit und Transparenz basieren, um sicherzustellen, dass Werbetreibende die richtigen Zielgruppen erreichen und Einblick in das haben, was sie kaufen“, sagt Printz. Transparente Reports könnten Werbetreibenden umsetzbare Erkenntnisse liefern und so Kampagnenoptimierungen unterstützen.

Zahlreiche Komponenten müssen ineinandergreifen

Bild: SQL Jens Pöppelmann, D-Force

Für eine übergreifende Bewegtbildwerbung sind jedoch viele technische Systeme nötig. Neben dem klassischen programmatischen Setup von DSP, CDP/DMP und SSP braucht es vor allem kanalübergreifende Tools und Lösungen, die beispielsweise die Anlieferung eines Werbemittels oder Spots für das Playout in unterschiedlichen Kanälen wie ATV, CTV und Online-Video, aber auch Cinema, DOOH und linearem TV ermöglichen. „Zudem benötigen wir ganzheitliche Reportings mit konvergenten Leistungsdaten und KPIs aus allen für Bewegtbild relevanten Medien und Kanälen, damit entsprechend geplant und optimiert werden kann“, sagt Jens Pöppelmann, Geschäftsführer der D-Force „Und wir müssen VAST 4 ausbauen, um eine integrierte Audience Verification auf ATV, CTV und Online-Video sicherstellen zu können.“ In einem Punkt sind sich daher alle Experten einig: Es gibt eine Menge Baustellen und entsprechend viel zu tun, um einen Adtech-Stack zu ermöglichen, mit dem Multichannel Video Advertising reibungslos funktioniert und Videowerbung auf eine neue Stufe gehoben werden kann.

Video-Adtech-Stack sollte viele Kriterien erfüllen

Bild: Mindshare Nassim Abdi Colli, Mindshare

Um erfolgreiche, kanalübergreifende Bewegtbildwerbung aus der Sicht von Werbetreibenden sicherzustellen, müsste nach Einschätzung von Nassim Abdi Colli, Head of Telekom bei der Agentur Mindshare, ein Adtech-Stack zahlreiche Kriterien erfüllen: Multichannel-Fähigkeit, ein präzises Targeting, Datenintegration, Leistungsanalyse, Programmatic Advertising, eine geräteübergreifende Verfolgung, Sicherheit und Personalisierung, Unterstützung von Ad-Formaten, Datenschutz und rechtliche Einhaltung sowie die Integration mit anderen Marketing-Tools. „Insgesamt sind diese Kriterien entscheidend, damit Werbetreibende sicherstellen können, dass ihre Tech-Stacks den Anforderungen einer erfolgreichen kanalübergreifenden Bewegtbildwerbung gerecht werden“, sagt Colli. Sie rät daher dazu, die Auswahl des Tech-Stacks gut zu durchdenken, um die spezifischen Ziele und Anforderungen der Werbekampagnen zu erfüllen.

Dafür sei es auch wichtig, dass Werbetreibende ihren digitalen Reifegrad kennen und klare Medien-KPIs für ihre Kampagnen festgelegt haben. „Es gibt nicht den einen perfekten Tech-Stack für alle Lösungen, daher ist eine offene Herangehensweise erforderlich“, ist Colli überzeugt. Dazu zählt sie eine klare Test- & Learn-Agenda, um sich dem Thema anzunähern. Ergänzend dazu können aus ihrer Sicht detaillierte Marketing-Mix-Modelle dabei helfen, Antworten hinsichtlich des Return on Investments (ROIs) auf Ebene der verschiedenen Medienkategorien – und sogar auf Format-Ebene – zu liefern.

Das Idealszenario ist weit weg, neue Silos sind nah

Bild: Hearts & Science Clara Diehl, Hearts & Science

„Ein Adtech-Stack, das die kanalübergreifende Aussteuerung von Bewegtbild möglich machen würde, wäre natürlich ein Idealszenario“, sagt Clara Diehl, Managing Partner Hearts & Science. Ihrer Einschätzung nach entwickelt sich der Markt aktuell aber gar nicht unbedingt in diese Richtung. „Insbesondere wenn jetzt neue und hoffentlich reichweitenstarke Angebote wie Amazon Prime in den werberelevanten Markt kommen, entstehen wieder neue Silos“, sagt Diehl und ergänzt: „Auch die Integration von klassischem TV – was nach wie vor der stärksten Reichweitentreiber ist – wird uns mittelfristig nicht gelingen.“

Doch die Expertin sieht auch Licht am Horizont. So könnte es der Branche schneller gelingen, die ausgelieferten Kontakte im Hinblick auf inkrementelle Reichweiten und auch Performance-bezogene KPIs übergreifend zu messen, was Rückschlüsse für Optimierungspotentiale und künftige Kampagnenplanungen zulassen würde. „Ich würde hier also eher beim Kampagnentracking ansetzen, als darauf zu warten, dass sich der Markt auf ein gemeinsames Adtech-Stack einigt“, sagt Diehl.

Auch nach Einschätzung von Daniel Jäger, Head of Group Media der Deutschen Telekom, macht das breite Spektrum verschiedener inhaltlicher und technischer Angebote, bei denen Inventarzugänge sowie die Plattformen, Produkte, Tools, Daten und Formate sehr fragmentiert sind, einen echten Multichannel-Video-Advertising-Ansatz aktuell unmöglich. Damit übergreifendes Multichannel Video Advertising einfach von der Hand geht, müssten viele Voraussetzungen geschaffen und Wünsche erfüllt werden.

Bild: Telekom Daniel Jäger, Telekom

„Grundsätzlich wünschen wir uns einen Adtech-Stack, der uns ein Vermarkter-, Device- und channelübergreifendes Targeting und Tracking ermöglicht und dabei möglichst überschaubar beziehungsweise einfach handhabbar ist. Aufgrund des aktuell stark fragmentierten digitalen Ökosystem sehen wir jedoch derzeit eine solch einfache Lösung nicht. Insbesondere gilt dies im Bereich Multichannel Video Advertising“, sagt Jäger. Hinzu komme, dass ein Adtech-Stack allein dieses Problem nicht lösen werde. „Zur Konsolidierung bedarf es gemeinsamer Marktstandards. Dazu müssen Silos aufgebrochen werden.“

Standards unwahrscheinlich, aber Technik ist nur die halbe Miete

Somit stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine Blaupause für einen Video-Adtech-Stack geben kann. Aus rein technischer Sicht wäre für Jäger ein Blueprint denkbar. Dazu müssten jedoch alle Marktteilnehmer zusammenarbeiten. „Die unterschiedlichen Silos, Interessen, Daten, Produkte und mangelnde Standards verhindern bisher die Entwicklung einer solchen Blaupause. Leider ist derzeit auch keine Besserung in Sicht“, sagt Jäger. Es sei davon auszugehen, dass sich der Markt auf absehbare Zeit nicht auf die erforderlichen Standards einigen kann. „Umso wichtiger ist es, die Forderung nach diesen Standards immer wieder zu bekräftigen.“

Die Lage scheint vertrackt und ist wahrscheinlich selbst durch standardisierte Lösungen nicht per se lösbar. Und obwohl technische Anforderungen bei diesem komplexen Thema eine große Rolle spielen, möchte Pöppelmann das Augenmerk an dieser Stelle bewusst auf einen anderen Aspekt lenken: „Technik ist in diesem Kontext nur die halbe Miete“, sagt der Experte. Die Branche könne noch so leistungsfähige Systeme konzipieren und entwickeln, wenn die darauf aufbauenden Produkte aber nicht funktionieren – weil sie nicht sauber mit allen am kanalübergreifenden Ökosystem beteiligten Publishern abgestimmt wurden – und wenn es für die Technik keinen Support gibt, der Probleme schnell löst und wenn es überdies auch noch an Beratung und Schulung im Umgang mit den Systemen mangelt, dann könne keine noch so ausgefeilte Lösung eine Kampagne retten. Für Pöppelmann ist neben dem rein technischen Leistungskatalog mit Blick auf den Tech-Stack immer auch die Kommunikation unter den Beteiligten ein kritischer Erfolgsfaktor. „Es geht daher nie nur um die Software, sondern auch um die Wetware, das heißt den Faktor Mensch, und seine Expertise sowie Bereitschaft und Fähigkeit, harmonisierend zu denken und zu agieren.“

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