Im B2C-Kontext finden Customer-Data-Plattformen (CDP) eine immer größere Verbreitung. Im B2B-Kontext werfen sie hingegen noch sehr viele Fragen bei Unternehmen auf. Das liegt vermutlich hauptsächlich daran, dass sie primär als Lösung für die Abbildung von Kundenprofilen in Echtzeit und deren Orchestrierung über verschiedene Touchpoints hinweggesehen werden. B2B-Unternehmen denken aber nicht in Personen, sondern in Accounts. Dennoch können CDPs für sie von großem Nutzen sein. Die Frage, ob eine CDP für ein Unternehmen Sinn macht, ist sehr komplex und muss aus unterschiedlichen Blickrichtungen betrachtet werden.
CRM versus CDP
B2B-Unternehmen kämpfen damit, eine gesamtheitliche Datensicht zu bekommen – auf ihre Accounts und die darunterliegenden Kontakte. In der Regel sind ein CRM-System und ein Marketing Automation Tool die Kombination der Lösungen, mit denen sie arbeiten, um Use Cases gerade im Lead Nurturing zu bedienen. Doch hat ein Unternehmen eine deutlich größere Anzahl an Touchpoints als Fieldforces, E-Mails und SMS und möchte auch hier seine Accounts zielgerichtet erreichen, funktioniert dieser Ansatz nicht mehr. Ein CRM mag zwar einen großen Teil der Kundendaten konsolidieren, es ist aber nicht darauf ausgelegt, dass Marketing-Expert:innen damit arbeiten und darin segmentieren. Darauf sind Marketing Automation Systeme ausgelegt, allerdings können sie nur eine eingeschränkte Anzahl an Touchpoints bedienen. Eine CDP aber kann beides und schließt die Lücke, die CRM und Marketing Automation nicht schließen können – und ist damit nicht nur für B2C-, sondern auch B2B-Unternehmen interessant. Allerdings herrscht die Meinung vor, dass CDPs nicht in der Lage sind, die zusätzliche Komplexität der B2B-Welt abzudecken.
Umdenken des Account-basierten Marketing
Auf dem CDP-Markt ist gerade zu beobachten, dass immer mehr Vendoren ihre bisherigen Lösungen so erweitern, dass sie ein B2B-orientiertes Datenmodell mit einer Account-Kontakt-Logik abbilden können, was eine Grundvoraussetzung ist, um Account-basierte Szenarien abzudecken. Im Zuge der Auseinandersetzung mit Kundendaten sollten sich B2B-Unternehmen aber auch fragen, wie und mit welchen Kontakten ihrer Accounts sie künftig kommunizieren wollen. Der Fokus auf die Accounts ist auch erstmal legitim, denn sie bleiben lange bestehen, wohingegen Kontakte innerhalb der Accounts kommen und gehen. Die Analyse der Accounts hilft außerdem, zu verstehen, wo Budgets am besten investiert sind. Eine Bündelung von Signalen über den ganzen Account hinweg kann zudem hilfreich sein, um relevante Informationen für Fieldforces zu generieren.
Personalisierung versus Account-basierte Segmentierung
Andererseits geht es bei der Personalisierung um Personen. Ein Account wird keine E-Mail lesen, sondern eine echte Person, ein konkreter Kontakt. Nehmen wir als Beispiel ein Großhandelsunternehmen, das mit einem Hotel Geschäfte macht. Hinter diesem Account hängen die Besitzerin, der Koch, die Backoffice-Managerin. Der Koch kauft mehrmals die Woche persönlich im Laden Lebensmittel ein. Die Backoffice-Managerin ersteht alle paar Wochen im Online-Shop Zubehör, wie Druckerpapier für den Laden. Wie kann man die Kommunikation mit diesen verschiedenen Zielgruppen möglichst sinnvoll angehen?
Eine Möglichkeit besteht darin, die Kommunikation komplett auf die Besitzerin auszurichten, allerdings erreicht man damit nicht direkt diejenigen, die die Kaufentscheidung tatsächlich treffen. Oder aber man versucht, jede der Personen in ihrem Kontext mit relevanten Informationen abzuholen, also beispielsweise den Koch mit Push-Notifications im Store oder via Ads beim Surfen nach Inspirationen und die Backoffice-Managerin bei ihrem Einkauf im Online-Shop. Der Fieldforce-Mitarbeiter wiederum bekommt relevante Informationen und idealerweise Empfehlungen über den Account hinweg, um effiziente Gespräche mit der Besitzerin des Hotels zu führen. Für einen größeren Account kann die Welt wieder völlig anders aussehen, weil dort der Einkauf von einem Kontakt vorgenommen wird, die Entscheidung zum Kauf aber durch eine andere Person im Unternehmen getroffen wird.
Zählt Account-orientiere Kommunikation in Zukunft nicht mehr?
Es gibt also kein Patentrezept, das für jedes B2B-Unternehmen funktioniert. Es muss aber auch keine Entscheidung für oder gegen eine Art der Kommunikation getroffen werden, im Idealfall werden beide Ansätze kombiniert. Ein konkretes Beispiel: via Advertising werden Köche adressiert, welchen Accounts zugeordnet sind, die noch aktiv sind und einen definierten Umsatz generieren. Dementsprechend lassen sich auch bei den CDP-Vedoren Trends in beide Richtungen beobachten. Es gibt hoch spezialisierte CDPs mit Fokus auf Accountbasiertes Marketing. Bekannte Vendoren, die einen ausgewiesenen B2C-Fokus hatten, haben ihre Produkte um dediziert B2B-orientierte Features bzw. Datenmodelle erweitert und wieder andere stellen sich hier relativ agnostisch auf.
Veränderungen auch im Ökosystem bedenken
Die Veränderung in der Kommunikation in Richtung einer stärkeren Fokussierung auf die Kontakte innerhalb der Accounts bedeutet aber auch ein Umdenken im gesamten relevanten Ökosystem. Zwei konkrete Beispiele hierfür sind die Themen Analytics und Data Science.
Wenn unser Beispielunternehmen bislang Kampagnen auf der Account-Ebene umgesetzt hat, muss es nun hinterfragen, ob dieses Reporting immer noch Sinn macht oder durch die Auswertung auf der Personenebene ersetzt bzw. ergänzt werden muss. Ähnliche Fragen muss man sich im Bereich der Scores stellen. Es ist legitim, beispielsweise Churn-Scores auf Ebene des Accounts zu errechnen, weil Fieldforce-Mitarbeiter:innen daraus Rückschlüsse für ihr nächstes Gespräch herausziehen könnten. Bei direkten Interaktionen mit beispielsweise einem Online-Shop dagegen könnte die Berechnung des klassischen Propensity-Scores auf Personenebene mehr Sinn ergeben, wenn wir uns das zuvor genannte Beispiel mit der Backoffice-Managerin vorstellen.
Fazit
Letztlich bietet die Frage nach der Einführung einer CDP B2B-Unternehmen die Gelegenheit, zu überdenken, wie sie in Zukunft mit ihren Kontakten kommunizieren wollen. Dies führt zur Identifizierung konkreter Anwendungsfälle und damit der Festlegung der erforderlichen Daten und ihrer Form. Letztlich ist eine CDP die „Last Mile“ der Daten zu ihrer Aktivierung in den definierten Touchpoints. Vor der Implementierung müssen Unternehmen jedoch prüfen, ob sie darauf bereits ausreichend vorbereitet sind.
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