Das Ende der Third-Party-Cookies kommt in Sichtweite. Google hat angekündigt, die Drittanbieter-Cookies mit dem Startschuss für 2024 sukzessive abzuschalten und meint es diesmal anscheinend tatsächlich ernst. Zunächst sollen ein Prozent der Chrome-Nutzer nicht mehr per Third-Party-Cookie erreichbar sein und Ende 2024 will der Konzern gar keine Cookies mehr nutzen. Google stellt seinen Advertisern für Targeting und Messung dann die Tools aus der eigenen Privacy Sandbox zur Verfügung – doch das sind nicht die einzigen Werkzeuge am Markt. Mit der “Cookiecalypse” am Horizont haben sich einige Anbieter früh in Position gebracht, die Nutzer mit alternativen Methoden identifizieren. Mit Utiq ist nun sogar ein weiterer ID-Player auf der Bildfläche erschienen, der die Aufgabe der Third-Party-Cookies datenschutzkonform übernehmen möchte. Zum Start konnte das Telko-Joint-Venture hierzulande die Adtech-Plattform Adform als Launch-Partner gewinnen, die sich mit alternativen IDs bestens auskennt. Im Interview gibt deren DACH-Chef Alexander Weißenfels einen Überblick über den Status quo in Sachen Cookieless in der deutschen Werbelandeschaft, erklärt, wie es zu der Zusammenarbeit mit Utiq kam und wirft einen Blick in die Zukunft.
ADZINE: Hallo Alex, wie entwickelt sich der Markt für Cookieless-Lösungen derzeit in Deutschland?
Alexander Weißenfels: Viele Advertiser befassen sich mit Cookieless, doch wissen sie noch nicht, wie sie das Thema lösen sollen. Das ist durchaus erschreckend, weil wir gerade auf die Zielgerade abbiegen. Die Seite der Werbetreibenden befindet sich also hierzulande in einer Vorbereitungsphase.
Auf der Verkaufsseite hingegen muss nur noch ein Schalter umgelegt werden. Die großen Vermarkter und Publisher sind gut vorbereitet und haben Lösungen parat. Wir sehen auch in unseren Daten und Reports, dass die Adaption von Cookieless-Lösungen zunimmt.
ADZINE: Sprechen wir ausschließlich von alternativen IDs?
Weißenfels: Genau. Wir haben uns schon früh auf alternative IDs konzentriert und unsere Plattform vor Jahren so umgebaut, dass sie jede ID entgegennehmen kann, falls sie unseren Datenschutzkriterien entspricht.
Wir haben insgesamt 39 IDs integriert, davon sind in Deutschland circa zehn relevant. Darunter fallen sowohl klassische, vom Publisher generierte IDs als auch kommerzielle IDs wie ID5, die NetID als Konsortium oder neuerdings auch Utiq.
ADZINE: Wie groß ist der Markt für alternative IDs? Wie viel Werbebudget steckt dort drin?
Weißenfels: Grundsätzlich sind alle programmatischen Use Cases mit alternativen IDs abbildbar. Angefangen von Reichweitenkampagnen mit Frequency Capping bis hin zu den datengetriebenen Use Cases. Der Markt ist also genauso groß wie der mit Third-Party-Cookies betriebene heute.
ADZINE: Welche IDs sind in Deutschland führend?
Weißenfels: Wir sehen zunächst einen großen Teil von Publisher-eigenen IDs, die über den Bidstream kommen. Aber auch NetID und ID5 sind schon stark vertreten.
ADZINE: Bald kommt der Mobile-Identifier Utiq hinzu. Ihr seid offizieller Launch-Partner von Utiq. Wie ist es dazu gekommen?
Weißenfels: Wir arbeiten seit zehn Jahren erfolgreich mit der Telekom zusammen, ähnliches gilt für Vodafone. Somit hatten wir schon ein vertrauensvolles Verhältnis mit zwei der beteiligten Telkos. Außerdem teilen wir einen ähnlichen Wertekompass. Utiq stellt wie wir stark den Konsumenten in den Fokus und pocht auf Datenschutz und Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt haben wir mit unserer Multi-ID-Lösung durchaus einen Marktvorsprung.
ADZINE: Wie geht es bei euch und Utiq nun weiter?
Weißenfels: Utiq ist sicherlich in intensiven Gesprächen mit Publishern, weil sie Reichweite aufbauen müssen. Die ersten Publisher-Domains sind live geschaltet worden und ich denke, dass wir bald mehr hören werden.
Auf der Einkaufsseite herrscht jedenfalls sehr großes Interesse an der Lösung. Viele Advertiser wollen Utiq testen. Das Marktinteresse ist gigantisch, sicherlich auch getragen durch das Vertrauen in die Lösung, da vier Telkos dahinterstehen. Mit dem deterministischen Ansatz verspricht sie Akkuratesse und Reichweite.
Ich persönlich war begeistert, als ich vor 24 Monaten das erste Mal von Utiq gehört habe. Es wird sich ja nicht nur eine ID am Markt durchsetzen, sondern vielmehr werden es vielleicht fünf bis sieben. Diese Lösung hat aber zumindest das Potenzial, “die eine” zu werden.
ADZINE: Noch funktioniert Utiq nur auf mobilen Geräten, doch es steht im Raum, seinen Wirkungskreis auf Desktop oder auch CTV auszuweiten. Wie schätzt du die Chancen dafür ein?
Weißenfels: Der Ansatz würde dadurch etwas softer werden, denn hinter einem Mobiltelefon verbirgt sich genau eine Person. Das Festnetz wiederum steht für einen Haushalt, meistens mit mehreren Personen. Grundsätzlich halte ich das aber für einen guten und richtigen Weg.
ADZINE: Bevor es jedoch eventuell so weit kommt, wird Google zunächst die Third-Party-Cookies in 2024 Stück für Stück abschalten. Was wird sich nach der Deadline kommendes Jahr ändern? Wie wird die ID-Landschaft aussehen?
Weißenfels: Wir werden eine Konsolidierung unter den circa zehn Anbietern beobachten, die wir aktuell im DACH-Markt sehen. Ob das schon nächstes Jahr der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall wird sich ein Mix aus deterministischen und probabilistischen ID-Anbietern durchsetzen.
ADZINE: Wird die Deadline die Werbeindustrie hart treffen? Die Advertiser sind schließlich noch zögerlich mit Blick auf die Cookie-Alternativen?
Weißenfels: Einige Advertiser werden sicherlich kurz vor der Deadline nervös werden, weil sie zu lange gewartet haben. Allerdings besteht ja die Notwendigkeit, weiterhin datengetrieben zu werben. Dementsprechend wird schnell eine Veränderung im Mindset stattfinden müssen. Auf Advertiser-Seite muss man sich eben für die relevanten ID-Lösungen entscheiden und diese implementieren.
ADZINE: Werden mehr Werbegelder in Contextual-Lösungen fließen?
Weißenfels: Contextual ist eine Taktik und wird neben dem programmatischen Ansatz auch weiterhin genutzt werden. Ich glaube aber nicht, dass sich der Share massiv verändert.
ADZINE: Was ist mit den Walled Gardens? Wird das Werbebudget letztlich dort landen?
Weißenfels: Das ist durchaus ein realistisches Szenario, wäre aber der Worst Case. Wir brauchen das offene, werbefinanzierte Internet allein schon, um weiterhin einen kostenfreien Zugang zu Informationen zu haben.
ADZINE: Was tut ihr, damit dies nicht passiert?
Weißenfels: Aufklärungsarbeit leisten. Vor allem darüber, dass es auch nach dem Wegfall der Third-Party-Cookies Alternativen für datengetriebene Werbung geben wird, die man heute schon testen kann und sollte. Der Schritt in die Walled Gardens ist natürlich ein einfacher und es ist okay, einen Teil seines Werbebudgets dort hineinzugeben. Aber man verliert seine Datenhoheit und möchte letztlich auch noch andere Endkonsumenten erreichen.
ADZINE: Zu der Aufklärungsarbeit gehören Cases, doch so viel sehen wir dort nicht. Die Tests sind überschaubar, dabei gibt es alternative IDs nicht erst seit gestern.
Weißenfels: Die Cases gibt es – wir sehen sie im Daily Business. Aber es wird nicht laut darüber gesprochen. Trotzdem denken aktuell viele große Werbetreibende über Setups nach. Hier wird in Kürze mehr kommen.
ADZINE: Gut, dann üben wir uns weiter in Geduld. Abschlussfrage – wie wird sich der Markt für programmatische Werbung innerhalb der nächsten drei Jahre entwickeln?
Weißenfels: Wir befinden uns noch in einer Erholungsphase, aber die Tendenz im Werbemarkt geht jetzt wieder nach oben. In Deutschland ist der Anteil von Programmatic grundsätzlich schon sehr hoch, doch es werden neue Kanäle und Gattungen hinzukommen. Alle Medien werden digital und alles, was digital wird, wird programmatisch gehandelt.
ADZINE: Danke für das Gespräch, Alex!
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