Der Cookie-Schwund als Chance fürs Open Web
Anton Priebe, 14. August 2023Den Schwund der Third-Party-Cookies sehen die meisten Marktteilnehmer als Problem. Unter anderem wird das gewohnt effektive Retargeting komplizierter, denn Nutzerdaten sind rarer. André Pätzold, vor kurzem vom Vermarkter Spiegel Media zur Adtech-Plattform Outbrain gewechselt, sieht darin vielmehr eine Chance für das Open Web. Sein neuer Arbeitgeber erweitert dementsprechend sein Angebot und wagt sich vom Performance Advertising zunehmend in Branding-Gefilde. Im Interview spricht Pätzold über seine Rolle auf der Adtech-Seite sowie die Neuausrichtung und die Zukunft von Outbrain.
ADZINE: Hallo André, du bist von Vermarkterseite aus zur Vermarktungstechnologie gewechselt. Wie hast du dich bislang in deiner neuen Rolle eingefunden?
André Pätzold: Der Unterschied ist gar nicht so groß, denn Outbrain agiert auf dem deutschen Markt nicht wie ein Adtech-Unternehmen, sondern überwiegend wie ein Vermarkter. Wir haben ähnliche Gespräche wie andere Vermarkter im Digitalbereich, natürlich mit ganz anderen Möglichkeiten bei der Skalierung und Ausspielung internationaler Kampagnen auf Basis unserer engagementbasierten Auslieferungstechnologie. Insofern wird es doch wieder technologisch. Aber ich spreche weiterhin mit Agenturen und Marketern auf Unternehmensseite, wie ich es bislang auch bei meinen vorherigen Stationen gemacht habe.
ADZINE: Verschärfte Datenschutzverordnungen und diverse Veränderungen in der Technologielandschaft stellen sowohl Vermarkter als auch Advertiser aktuell vor Herausforderungen. Lass uns speziell auf Retargeting als Werbedisziplin eingehen. Inwiefern wirkt sich dessen zwangsverordnete Rückgang im Rahmen von Werbekampagnen auf die Digitalwerbung der Zukunft aus?
Pätzold: Viele Unternehmen werden vor der Herausforderung stehen, dass cookiebasierte Werbelösungen nicht mehr möglich sein werden. Klar im Vorteil werden Unternehmen sein, deren Angebote gerade nicht auf Cookies basieren – zu diesen gehört auch Outbrain mit unserer kontextuellen Expertise. Klassisches Retargeting, wie wir es vor einigen Jahren noch kannten, steht letztendlich auch nur stellvertretend für die Veränderung in unserem Ökosystem. Ich sehe da gar nicht schwarz für den Anteil der Digitalwerbung in der Zukunft. Im Gegenteil, in allen Lebensbereichen sind wir doch heute digitaler als noch vor zehn Jahren: mit Chancen für innovative Technologieunternehmen, neue Kommunikationsanlässe und -orte für Werbetreibende.
ADZINE: Ist dies also ein Problem oder vielmehr eine Chance für das Open Web? Outbrain gilt ja als ein Verfechter des “offenen” Werbeökosystems.
Pätzold: Wir sehen natürlich die Chancen im Open Web und verstehen uns bewusst als Alternative zu den Closed Shops der Search- und Social-Plattformen. Wir haben uns über die klassische Bild-Text-Anzeige vor zehn Jahren weiterentwickelt und bieten ein umfangreiches Portfolio an Advertising-Lösungen an, inklusive unserer neuen Branding-Lösung Onyx, die aufmerksamkeitsstarke Video- und Displayformate beinhaltet. Mit unserem Inhouse-Design-Service gehen wir noch einen Schritt weiter für Werbekunden, die ein einzigartiges Werbeerlebnis schaffen möchten.
ADZINE: Wie können Advertiser im Open Web das Beste aus den raren Nutzerdaten machen?
Pätzold: Wir nutzen verschiedene Signale, die auf redaktionellem Kontext, Nutzerinteresse und Engagement basieren, um die relevantesten Anzeigen und redaktionellen Empfehlungen auszuspielen. Die Kombination aus Artikeln, die User lesen, und der Kontext, der sie letztendlich zu einer Handlung veranlasst, liefert unserer Meinung nach mehr relevante Erkenntnisse über Userprofile und Interessen.
ADZINE: Wie du schon angedeutet hast, verschiebt sich euer Performance-Ansatz aktuell hin in Richtung Branding. Was steckt dahinter?
Pätzold: Wir sehen insbesondere im Branding-Bereich eine hohe Nachfrage nach Lösungen und greifbaren KPIs, die besser beschreiben, was ein Werbemittelkontakt letztendlich bei User:innen tatsächlich auslöst und wie dieser auf die Kampagnenziele einzahlt. Viewability ist als alleinige Metrik nicht mehr ausreichend und wird um das Konzept der Attention-Messung ergänzt. Für unser neues Branding-Angebot Onyx arbeiten wir daher eng mit dem Attention-Metrics-Anbieter Adelaide zusammen. Unsere Erfahrungen mit Adelaide zeigen, dass Attention ein wichtiger Treiber für Engagement ist – Sichtbarkeit alleine reicht hier nicht aus. Outbrain ist aufgrund der über 15 Jahre Erfahrung in der Engagement-Optimierung in einer guten Position, Branding und Performance miteinander zu verbinden und somit zur zentralen Anlaufstelle für Full-Funnel-Kampagnen im Open Web zu werden.
ADZINE: Was können Adtech-Anbieter tun, um ein nachhaltiges Werbeökosystem für die Zukunft zu schaffen? Und vor allem: Was sollten sie nicht tun?
Pätzold: Outbrain ist hier in einer Doppelrolle. Über unsere Serving- und Optimierungstechnologien, die Publisher integrieren, sind wir zwar auch im Adtech-Bereich zu verorten, für unsere Werbetreibenden sind wir allerdings vor allem Vermarktungspartner. Wir müssen also in diesen beiden Welten die Interessen unserer beiden Partnergruppen in Einklang bringen. Zentral sind dabei aber die End-User. Als engagement- und ergebnisorientierte Plattform ist für uns das Userverhalten entscheidend. Ergebnisse, ob nun Awareness oder harte Abverkäufe, entstehen nur, wenn die Aufmerksamkeit und das Interesse der User geweckt wird, die Produkte zu ihnen passen und auch die dargebotenen Inhalte ihren Vorstellungen entsprechen. Innovation entsteht bei uns also aus der “schönen” Notwendigkeit, bessere Kundenerlebnisse, bessere Ergebnisse für Werbetreibende und eine bessere Monetarisierung für Publisher zu schaffen.
ADZINE: Abschließend werfen wir einen Blick in die Kristallkugel. Was hast du in den kommenden Monaten mit Outbrain vor? Wie geht es mit euch als einer der Adtech-Anbieter dieses Ökosystems weiter?
Pätzold: Meine Aufgaben konzentrieren sich auf die Vermarktungsseite von Outbrain. Ich sehe weiterhin große Wachstumspotenziale in unserem Performance-Kerngeschäft. Darüber hinaus bauen wir unser Angebot im oberen Bereich des Marketing-Funnels weiter aus. Besonders freue ich mich darüber, die Marke Outbrain in Österreich und der Schweiz weiter zu etablieren. Zusammen mit Deutschland bildet diese Region einer der wichtigsten Märkte für Outbrain und wir werden hier unsere langjährigen Partnerschaften mit führenden Publishern und Werbetreibenden weiter stärken und ausbauen.
ADZINE: Danke für das Interview, André!
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