Viewability als eine der großen Herausforderungen im CTV-Umfeld
Anton Priebe, 28. Juli 2023Qualitätssicherung ist eines der wichtigsten Themen in der Werbeindustrie und betrifft auch die neuen Kanäle wie Connected TV (CTV). Der Mess- und Analysedienstleister Doubleverify hat festgestellt, dass eine von drei Impressions in Umgebungen ausgespielt werden, in denen der Fernseher potenziell ausgeschaltet sein könnte. In der Theorie wäre es somit möglich, dass ein Drittel aller Anzeigen in CTV nicht sichtbar sind. Im Interview mit ADZINE spricht Christian Russ von Samsung Ads über die Herausforderungen in Sachen Sichtbarkeit in CTV-Umfeldern, wie Viewability hier definiert wird und welche Qualitätsmerkmale CTV-Werbung aufweist. Russ baut Samsung Ads, die Werbesparte von Samsung Electronics, seit 2018 von London aus in Deutschland auf – zunächst allein, mittlerweile mit Teams in Düsseldorf und München.
ADZINE: Hallo Christian, wie entwickelt sich die werbegestützte CTV-Landschaft in Deutschland derzeit?
Christian Russ: Sehr positiv! Die Entwicklung der Smart-TVs ist vergleichbar mit denen der Smartphones. Denn deren Nutzung unterscheidet sich in beiden Fällen erheblich von der eines nicht-smarten Geräts.
Die Durchdringung der Haushalte mit einem Connected-TV in Deutschland liegt bei circa 70 Prozent. Die der Smart-TVs beträgt etwa 55 Prozent, wobei letztere deutlich schneller wächst. Auf den Smart-TVs wird Content anders konsumiert als auf Röhrenfernsehern. Je weiter also die Durchdringung ansteigt – und da ist mit 55 Prozent noch viel Luft nach oben –, desto stärker wird sich auch der Konsum von klassisch linear Richtung Streaming verlagern. Und je mehr sich die Eyeballs Richtung Streaming bewegen, desto stärker verschieben sich auch die Investitionen der Werbetreibenden.
Gleichzeitig sehen wir, dass sich immer mehr Qualitätsanbieter für FAST öffnen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass bei Comedy Mix von Samsung TV Plus Formate verfügbar sind, die vorher nur bei Netflix hinter der Paywall verfügbar waren. ZDF Studios hat eigens einen Terra-X-Sender auf Samsung TV Plus gelauncht und Dazn produziert eine eigene Show mit Champions-League-Highlights für uns: Dazn Fast+. Solche Inhalte hätte es in FAST vor zwei Jahren nicht gegeben.
ADZINE: Bei der positiven Entwicklung bleiben Diskussionen um die Qualität nicht aus. Viewability ist ein Evergreen-Thema in der Online-Werbung, wenn es um Qualitätssicherung geht. Worin liegen die Herausforderungen in Sachen Sichtbarkeit, wenn wir uns im CTV-Umfeld bewegen?
Russ: Die Herausforderung besteht darin, dass der Bildschirm beim Connected TV theoretisch ausgestellt sein könnte, während das verbundene Gerät läuft. Das ist wie beim Laptop, den man an einen Monitor anschließt, der noch aus ist. Nur ist es in diesem Fall eben der Fernseher, an den eine Spielkonsole, STB oder ein Streaming-Stick angeschlossen ist. Im Zweifel weiß das an den Fernseher angeschlossene Gerät nicht, dass der Fernseher aus ist und liefert deshalb weiter “sichtbare” Impressions aus, die aber natürlich nicht sichtbar sind.
Als Smart-TV-Hersteller haben wir dieses Problem allerdings nicht. Unser Service Samsung TV Plus ist exklusiv über das Menü auf unseren Fernsehern zugänglich und funktioniert damit natürlich nur, wenn der Bildschirm auch an ist.
ADZINE: Wie ist Sichtbarkeit in CTV definiert? In Online-Video gibt es den 50/2-Standard.
Russ: Es existiert meiner Meinung nach noch kein offizieller Standard. In der Zusammenarbeit mit Doubleverify setzen wir 100 Prozent der Pixel für zwei Sekunden voraus. Der Fernsehbildschirm hat dabei den Vorteil, dass grundsätzlich die komplette Werbung darauf sichtbar sein sollte – wenn er denn an ist. Man kann ja nicht scrollen oder ähnliches.
Die Challenge besteht eher darin, dass jemand nach einer Sekunde Werbepause direkt umschaltet. Die Video Completion Rate, also wie viele Impressions komplett zu Ende geschaut wurden, liegt bei uns mit einer Benchmark von über 90 Prozent sehr nahe an der von DV gemessenen Sichtbarkeitsrate. Somit ist “nicht sichtbar” also praktisch gleichzusetzen mit “direkt umgeschaltet”.
ADZINE: Bekommen CTV-Advertiser Zahlen ausgewiesen für Bereiche wie Brand Safety, Ad Fraud oder Viewability? Auf dem Desktop können sie sich beispielsweise einen Alert einrichten und wenn die Sichtbarkeitsrate einer Position bei Publisher XY nicht stimmt, sind sie in der Lage, da genauer hereinzugucken. Welche “Hygienefaktoren” interessieren die Advertiser in CTV?
Russ: Wir sind in Deutschland einer der ersten Anbieter gewesen, die eine Consent-Management-Plattform für unseren Streaming-Service eingeführt haben. In dem Inventar, für den wir einen Consent haben, kann über diverse Partner gemessen und verifiziert werden.
Der Markt ist tatsächlich am meisten an Brand Safety, Ad Fraud und Viewability interessiert. Wir arbeiten nicht nur mit DV, sondern auch mit IAS, Moat oder Sizmek zusammen, um genau diese Bereiche auszuweisen. Die meisten Dienste bieten solche Zahlen aber noch nicht an.
ADZINE: Was sind weitere Qualitätsmerkmale von CTV-Werbung, die Content-Anbieter auf dem Schirm haben sollten?
Russ: Stell dir vor, du schaust The Office auf Comedy Mix oder ein Fußballspiel live bei Dazn. Wenn nun gerätebezogen nach 60 Sekunden eine Werbepause kommt, könnte sie mitten im Witz starten, oder du würdest etwas vom Spiel verpassen. Bei Qualitäts-Content muss die Werbepause, der Ad Pod, also wie beim linearen TV so gestrickt sein, dass sie Sinn ergibt und der Inhalt nahtlos dort wieder beginnt, wo er aufgehört hat. Ansonsten leidet die User Experience und damit natürlich die Werbeakzeptanz.
ADZINE: Für die Werbeindustrie klingt CTV oftmals wie der Heilige Gral. Aber wenn die Werbung im CTV-Bereich so stark zunimmt, sollten doch die Zuschauer auch zunehmend davon genervt sein, oder nicht?
Russ: Grundsätzlich wird Werbung Studien (How to reach Smart TV User, Samsung Ads und GroupM) zufolge in Qualitätsumfeldern besser wahrgenommen und je relevanter sie ist, desto eher akzeptieren Konsumenten sie. Außerdem akzeptieren Zuschauer Werbung umso mehr, wenn der Content kostenlos ist. Je länger die Werbepausen sind, desto mehr nimmt diese Akzeptanz allerdings ab.
Wir müssen also weiterhin in die Qualität investieren, relevante Werbung ausliefern und die Balance innerhalb der Werbepausen ausloten. Relevanz schaffen wir in CTV anhand der Datensätze. Aber klar, wenn wir die Werbepausen genauso lang gestalten wie im linearen Fernsehen, werden die Konsumenten auch hier genervt sein.
Das ist sicherlich ein Drahtseilakt, aber letztlich geht es den Konsumenten um die Inhalte. Ob die im linearen TV laufen oder bei Samsung TV Plus liegen, ist dem Zuschauer letztendlich egal. Wir haben als Industrie sicherlich noch einige Hausaufgaben zu machen. Allein dass wir über Viewability sprechen, die in Online-Video schon lange Standard ist, zeigt das schon.
ADZINE: Danke für das Interview, Christian!
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