Das US-amerikanische Adtech-Unternehmen Mediamath hat Insolvenz beantragt. Dass die Geschäfte schlecht laufen, war bekannt, doch sind viele Marktteilnehmer von einem Verkauf der Demand-Side-Plattform (DSP) ausgegangen. Nun müssen insbesondere die Partner auf der Supply-Side bangen, dass Mediamath seine ausstehenden Rechnungen nur teilweise oder gar nicht begleichen kann. Allein Magnite und Pubmatic schlagen hier mit jeweils über 10 Millionen US-Dollar zu Buche.
Mediamath Inc. mit Sitz in New York wurde 2007 als eine der ersten DSPs überhaupt gegründet und galt mit seiner Milliardenbewertung zwischenzeitlich sogar als Einhorn. Im Laufe der Jahre flossen Investorengelder von über 600 Millionen US-Dollar in das Unternehmen, doch ein Exit kam trotz mehrerer Übernahmegespräche nie zustande. Heute beschäftigt das Unternehmen noch immer mehr als 300 Mitarbeiter, von denen fast alle gehen müssen. In Berlin existiert mit der Mediamath Germany GmbH auch eine deutsche Niederlassung, die im Rahmen einer DACH-Expansion 2015 aus der Übernahme des Trading-Desks Spree7 hervorgegangen ist.
Das US-Branchenmagazin Ad Exchanger hat die schlechte Nachricht verkündet und die E-Mail von Mediamath geteilt, die am vergangenen Freitag an Mitarbeiter und Partner rausging. Dort ist von der monatelangen Suche nach möglichen Käufern oder einem Merger die Rede. “Trotz unserer Bemühungen ist der Deal, den wir diese Woche abschließen wollten, gestern gescheitert. Wir sind nicht mehr in der Lage, das Unternehmen im Rahmen eines normalen Geschäftsbetriebs weiterzuführen. Dementsprechend sind wir gezwungen, unsere Geschäftstätigkeit unverzüglich einzustellen”, heißt es hier.
Die Supply-Side steht hintenan
Die gesamten Verbindlichkeiten des Unternehmens werden in dem offiziellen Insolvenzantrag grob zwischen 100 und 500 Millionen US-Dollar angesiedelt. Der Antrag ist unterzeichnet von Neil Nguyen, der Mediamaths Co-Founder Joe Zawadzki vergangenes Jahr als CEO ablöste und eine Rekapitalisierung mit dem bestehenden Investor Searchlight Capital Partners anstieß. Die Investmentgesellschaft hatte 2018 bereits 225 Millionen US-Dollar investiert und vergangenes Jahr die Mehrheit am Unternehmen zugesprochen bekommen, unter der Bedingung, weitere 150 Millionen zu mobilisieren. Diese sollten dazu dienen, Schulden abzutragen und das Unternehmen auf Kurs zu bringen.
Der Versuch ist offensichtlich gescheitert. Nach den Gehältern, die an erster Stelle beglichen werden müssen, bekommt jedoch zunächst Kreditgeber Goldman Sachs als “secured creditor” nach US-amerikanischem System seine ausstehenden Schulden. Das Darlehen aus dem Jahr 2017 beträgt 150 Millionen, die anscheinend noch nicht abbezahlt sind.
Erst danach sind die Lieferanten an der Reihe, bei denen Media eingekauft wurde. Auf der Gläubigerliste, die in dem Insolvenzantrag enthalten ist, stehen Magnite mit 12,6 Millionen und Pubmatic mit 10,5 Millionen US-Dollar ganz oben. Es folgen Sonobi, Xandr, Adswizz und Smart (Equativ). Selbst Triplelift an siebter Stelle ist einer unter den 23 Kandidaten, die noch über eine Million von Mediamath haben möchten – in dem Fall sogar knapp 3 Millionen. Es kann jedoch Jahre dauern, bis die Schulden beglichen sind, wenn überhaupt, prophezeit Ad Exchanger.
Auswirkungen auf die Adtech-Industrie
Seit Freitag hat niemand mehr Zugang zur Plattform von Mediamath. Die Mediaeinkäufer von Marken- oder Agenturseite müssen sich also kurzfristig nach einer anderen Möglichkeit umsehen. Mediamath hinterlässt eine Lücke im DSP-Anbietermarkt, die Konkurrenten wie The Trade Desk, Google oder Adform gerne ausfüllen wollen. "In den letzten Tagen haben wir spezielle Support-Teams eingerichtet, die Werbetreibende in der Übergangsphase nach der Insolvenz von Mediamath unterstützen können und ihnen helfen, die Auswirkungen auf ihre Kampagnen zu minimieren und für Stabilität zu sorgen", sagt Oliver Whitten, COO von Adform, der eine Chance auf Neugeschäft wittert.
Das Auffangen der Advertiser-Kampagnen scheint weniger problematisch zu sein, doch der Markt verliert mit dem Ausscheiden von Mediamath zudem an der für das Ökosystem so wichtigen Vielfalt. "Es ist traurig zu sehen, dass Mediamath seine Türen schließt. Das Unternehmen war ein echter Pionier und eine der allerersten DSP, mit denen ich in den Anfängen bei Rubicon Project arbeiten durfte", so Whitten weiter. "In vielerlei Hinsicht hatten wir die gleiche Vision für den Markt, nämlich mehr Transparenz zu schaffen, während einige der größten Anbieter eine Blackbox bleiben. Es gibt zu wenige unabhängige Unternehmen, die im offenen Internet für eine echte Auswahl sorgen, und es ist schade, dass einer der bekanntesten Akteure verschwindet."
Die Insolvenz hinterlässt darüber hinaus eine finanzielle Lücke im Adtech-Markt, deren Folgen noch nicht ganz abzusehen sind. Denn wie gut die Gläubiger auf der Sell-Side mit der Situation fertig werden, ist unklar. Entsprechende Anfragen an Magnite und Pubmatic vonseiten ADZINE laufen. Es wird erwartet, dass die Assets von Mediamath stückweise verkauft werden, um die Schulden zu tilgen.
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