Büropflicht vs. Home-Office: Unternehmen sollten Klarheit schaffen
Verena Zerai, 18. Juli 2023Große US-Techkonzerne sind zuletzt nicht auf übermäßig viel „Zuneigung“ vonseiten ihrer Mitarbeitenden gestoßen, als sie diese dauerhaft in die Büros zurückbeorderten. Von der öffentlichkeitswirksamen Kündigung einiger Top-Leute bis hin zur beruflichen Umorientierung dürfte die Bandbreite der Reaktionen groß gewesen sein. Klar ist: Eine Präsenzpflicht mit der Brechstange wird im dauerhaften „New Normal" nicht funktionieren. Ein Kommentar.
Alle, die HR-Profis eingeschlossen, schätzen die seit Corona zur Norm gewordene Flexibilität. Eine Flexibilität, die konzentriertes Arbeiten an wichtigen Projekten im Home-Office ermöglicht, Eltern erlaubt, früher nach einer Geburt ins Berufsleben zurückzukehren, oder Remote Work im Ausland ermöglicht. Und Perspektivwechsel durch den temporären Geographiewechsel bieten erneuerte, berufliche Kreativität.
Die neu gewonnene Flexibilität hat – wie alles – auch eine Kehrseite: Arbeit fließt mehr denn je ins Private. Teilweise droht Entgrenzung stattzufinden, als bestes Beispiel: Nach dem Abendessen wird noch mal schnell auf dem Küchentisch der PC aufgeklappt, um „ein paar E-Mails“ zu bearbeiten. So ist einerseits mehr flexibles Privatleben möglich, aber auch das Private wird stark durch die Arbeit infiltriert, sodass die Grenzen zwischen diesen beiden Lebensbereichen unsichtbar zu werden scheinen.
Unternehmen brauchen eine Strategie, wie die Mitarbeitenden arbeiten sollen
Hier brauchen Unternehmen klare Regeln und eine Strategie. Und das führt zum Thema, was denn das „New Normal“ für Unternehmen bedeutet?
Klar ist: Zwischen der Anerkennung, dass sich die Arbeitswelt unwiderruflich gewandelt hat, dem Bedürfnis nach einer lebendigen Office- und Unternehmenskultur und gleichzeitig auch genug Flexibilität, sodass sich alle Mitarbeitende mit ihren Prioritäten wiederfinden, sollten sich Unternehmen positionieren.
Meine These: Ohne Begegnung an einem gemeinsamen Arbeitsplatz ist eine gemeinsame Unternehmenskultur, insbesondere ab einer gewissen Größe, nur schwer zu erreichen. Noch zehren die Agenturen und Unternehmen von der Vor-Corona-Zeit. Viele Mitarbeitende kennen sich noch von der täglichen Begegnung am Arbeitsplatz. Aber gerade bei neuen Kolleg:innen sind der Aufbau und die Pflege von Arbeitsbeziehungen wichtig. Wer bereits die Erfahrung gemacht hat, in der Intensivphase von Corona via Videokonferenzen in ein Unternehmen einzusteigen, weiß, was gemeint ist.
Zwang funktioniert im New Normal nicht
Menschen brauchen Nähe und direkten Austausch. Auch Kreativität lebt davon. Gerade Agenturen und Werbeunternehmen brauchen sie. Wie viele Ideen sind nicht spontan beim Gespräch an der Kaffeemaschine entstanden? Oder beim spontanen Brainstorming in der Teeküche?
Hier sind Unternehmen allerdings in der Bringschuld, eine Office-Kultur sowie Strukturen zu schaffen, die dazu führt, dass Mitarbeitende auch gerne ins Büro kommen. Zwang wird im „War of Talents“ schlecht funktionieren.
Die Debatte muss also in beide Richtungen gehen: Unternehmen müssen eine attraktive Unternehmenskultur bieten, Arbeitnehmende müssen diese aber auch wertschätzen. Eine Kultur von gegenseitigem Respekt, flachen Hierarchien, Freiraum und Wertschätzung versteht sich von selbst. Die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben gehört auch dazu. All das muss aber glaubwürdig vorgelebt werden. Hilfreich für das „New Normal" sind auch Strukturen. Zentral ist zu klären, in welchem Umfang Home-Office möglich ist, zu definieren, wann Anwesenheit notwendig ist und wann die hybride Arbeitsform passt.
Erwartungen verdeutlichen und Entgrenzungen verhindern
Natürlich unterscheiden sich je nach Unternehmen, Units und den einzelnen Arbeitsteams die Bedürfnisse und betrieblichen Anforderungen. Diese definieren individuell, in welchem Mix im Büro oder im Mobile Office gearbeitet wird. Hier kann es sinnvoll sein, ein Mindestmaß an Anwesenheit festzulegen. Doch sollte die Einteilung durch die Mitarbeitenden individuell gestaltet werden können. Denn jeder Lebensentwurf ist heute flexibel.
Elementar ist aber, dass Unternehmen Klarheit schaffen, wie sie sich nach der Pandemie aufstellen. Denn nur so können Erwartungshaltungen deutlich werden und die gemeinsame Schnittmenge kann ausgelotet und mit produktivem Leben gefüllt werden. So gilt es auch Entgrenzungen zu verhindern.
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