Akute Publisher-Baustellen – vom Aufbau eigener Daten bis hin zur KI
Anton Priebe, 4. Juli 2023Die Erlösmodelle der Website-Betreiber sind mittlerweile vielfältig, doch für viele ist Werbung noch immer ein wichtiges Standbein und für so manche durchaus das wichtigste. Die Publisher stehen seit jeher vor der schwierigen Aufgabe, ihre Inhalte bestmöglich mit Werbung zu monetarisieren, wobei dies heute eindeutig eine komplexere Angelegenheit ist als noch vor einigen Jahren, weiß André Merz, Head of Symplr. Mit eigenem Adtech-Stack hilft Symplr Publishern dabei, der Werbevermarktung die Komplexität zu nehmen. Im Interview spricht Merz über die derzeit größten Herausforderungen bei der Erlösmaximierung und geht dabei unter anderem auf die Rolle von First-Party-Daten und Inhaltsempfehlungen sowie die drohende Konkurrenz vonseiten Künstlicher Intelligenz ein.
ADZINE: Hallo André, magst du eingangs kurz erklären, was hinter Symplr steckt? Ihr habt mit MSO Digital ja eine Agentur im Rücken, die sich ursprünglich um die Advertiser kümmert, bewegt euch aber mit Symplr auf die Publisher zu, richtig?
André Merz: Symplr existiert seit anderthalb Jahren und ist ein Monetarisierungs-Service für Publisher. Wir bieten Yield-Optimierung mit MSO Digital schon seit über zehn Jahren an, doch im Paket mit Online-Marketing war das schwierig zu unterscheiden.
Im Prinzip macht MSO Digital alles, um unter anderem Traffic auf eine Seite zu lenken. Symplr ist dafür zuständig, diesen Traffic zu monetarisieren.
ADZINE: Entwickelt ihr die Tools mit Symplr selbst oder greift ihr auf Lösungen zurück, die bereits im Markt vorhanden sind?
Merz: Wir haben einen eigenen Adtech-Stack entwickelt, bei dem wir die Vorteile vorhandener technischer Lösungen intelligent kombinieren. So sind wir in der Lage, client- und serverseitig Demand über Google, Amazon & Co. auf den Seiten unserer Kunden TKP-optimiert auszuliefern.
ADZINE: Was sind denn deiner Meinung nach die größten Herausforderungen für Publisher derzeit? Welche Punkte bereiten denen gerade die meisten Kopfschmerzen?
Merz: Die oft diskutierte Abschaltung der Third-Party-Cookies treibt die Publisher gerade massiv um und stellt sie vor Herausforderungen. Der Wert von First-Party-Daten steigt in dem Zusammenhang signifikant. Daher geht es vorrangig darum, wie diese Daten generiert werden können – auch ohne Login-Prozesse oder Vergleichbares. Das Schwinden der Cookies bedroht viele Geschäftsmodelle, weil der Wert des Inventars ohne Gegenmaßnahmen sinken könnte.
ADZINE: Was ratet ihr den Publishern in der Sache?
Merz: Auf strategischer Ebene würde ich mir als Publisher überlegen, wie ich meine Besucher dazu bringe, dass er oder sie sich einloggt oder zumindest mit einer E-Mail-Adresse zu erkennen gibt. Ein Ansatz könnte ein Forum oder eine Kommentarfunktion sein, für das beziehungsweise die man sich mit der E-Mail freischalten lassen muss. Beispielsweise könnte ein Gartenblog in diesem Forum Diskussionen über die behandelten Themen anstoßen.
Eine andere Möglichkeit wäre, Mehrwerte zu schaffen, die per E-Mail versendet werden. Das könnten zum Beispiel Mietvertragsvorlagen per PDF, Malvorlagen für Kinder oder die Schulferien in Niedersachsen übersichtlich gestaltet sein. Publisher sollten versuchen, den Traffic so zu steuern, dass sie ihn authentifizieren oder zumindest qualifizieren.
Auf technischer Ebene gibt es ja schon eine Menge Lösungen. Wir sind mit allen relevanten Stakeholdern im Austausch, also unter anderem mit alternativen ID-Anbietern et cetera.
ADZINE: Ist die Monetarisierung von Inhalten grundsätzlich schwieriger geworden?
Merz: Ganz klar, ja. Mit der Einführung der DSGVO und dem Consent-Management sind Punkte hinzugekommen, die das Geschäft deutlich erschweren. Heute ist es schon eine Herausforderung, eine Seite datenschutzkonform zu betreiben. Früher hat man einfach Werbung auf seiner Seite verbaut und monetarisiert. Jetzt bringen beispielsweise alleine Initiativen wie Ads.txt oder Sellers.json zwar Transparenz, aber auch mehr Komplexität hinein.
ADZINE: Einen wichtigen künftigen Baustein für die Adressierbarkeit von Zielgruppen sieht der Markt in Contextual Targeting. Was ratet ihr euren Kunden in diesem Punkt?
Merz: Wir sind kurz davor, eine eigene Contextual-Targeting-Lösung auf den Markt zu bringen. Abseits von der Symplr-Ebene gibt es aber bereits sehr viele Lösungen auf dem Markt. Doch herrschen hier deutliche Qualitätsunterschiede. Als Publisher sollte man da genau hinschauen und A/B-Tests fahren. Am besten lassen sich Tools anhand von harten Kampagnenmetriken wie CTR, Viewability oder ROI aufseiten der Advertiser bewerten.
ADZINE: Ein Steckenpferd von euch sind Inhaltsempfehlungen. Ihr habt dafür selbst eine Lösung in Zusammenarbeit mit einem Publisher entwickelt, die ihr euren Kunden zur Verfügung stellt. Welche Rolle spielt die Empfehlung von Inhalten für Publisher?
Merz: Unserer Meinung nach eine sehr wichtige. Wenn man schon Traffic auf einer Seite hat, sollte man ihn so gut wie möglich monetarisieren. Wenn ein User dank der Empfehlungen mehrere Seitenaufrufe generiert, wird natürlich die Werbung neu geladen. Mehr Page Impressions bedeuten mehr Umsatz.
ADZINE: Was spricht gegen die Technologien der großen Anbieter wie Taboola und Outbrain oder auch Trbo oder Plista?
Merz: Die Empfehlungsqualität ist deutlich besser und dadurch auch performanter. Außerdem ist sie werbefrei. Die Idee ist es, durch mehr Seitenaufrufe in einer Sitzung mehr Umsatz mit Werbung zu generieren. Die anderen Anbieter liefern in ihren Empfehlungen Werbung mit aus, über deren Qualität sich streiten lässt.
Darüber hinaus sind mehrere Seitenaufrufe und eine niedrigere Absprungrate in einer Sitzung positive SEO-Signale für Suchmaschinen. Hier haben wir bei Publishern, die unser Tool einsetzen, eine deutlich positive Entwicklung der Sichtbarkeit bei Sistrix beobachten können. Wenn Nutzer in einem Empfehlungstool auf Werbung klicken, verdient ein Publisher kurzfristig Geld – aber der User ist eben auch weg.
ADZINE: Wie stellen sich Publisher für die Zukunft auf? Wie sollte deren Prioritätenliste aussehen?
Merz: Ein Publisher tut gut daran, sich mit dem Bereich Künstliche Intelligenz wie ChatGPT zu beschäftigen. Sie sollten sehr genau beobachten, was hier passiert. Ich denke, dass sich Geschäftsmodelle verändern werden und ein Publisher aufpassen muss, ob sein heutiges Geschäftsmodell auch noch in drei Jahren funktioniert.
ADZINE: Inwiefern?
Merz: Inhalte werden austauschbarer, weil sie mit den Tools in relativ kurzer Zeit generiert werden können. Andere Publisher könnten auf die Idee kommen, ähnliche Inhalte zu publizieren, wenn sie so einfach zu erstellen sind. Daher ist es wichtig, dass Publisher einzigartige Inhalte schaffen, also eigene Bilder oder Videos auf die Seite stellen oder über eigene Erfahrungen berichten, die nicht so einfach mit einem Tool wie ChatGPT zu kopieren sind. Ich denke da an anfällige Inhalte wie Evergreen-Content oder Reiseberichte, die beispielsweise mit einem Drohnenvideo vor Ort versehen werden können.
ADZINE: Was sollte noch auf der Prioritätenliste stehen?
Merz: Die mobile Nutzung verlagert sich immer stärker in Apps. Wenn ein Publisher über die Möglichkeiten verfügt, sollte er sich Gedanken machen, eine eigene zu entwickeln. In Deutschland findet ein App-Boom statt und man kann in einer App mit seiner Community geschlossener kommunizieren, als es im Open Web der Fall ist.
Außerdem natürlich das bereits genannte Thema First-Party-Data.
ADZINE: Danke für die Einblicke, André!
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