Das Thema Connected TV (CTV) ist in der Werbebranche mittlerweile allgegenwärtig, hat sich doch die Nutzung der Verbraucher immer mehr in Richtung zeitunabhängigen Bewegtbildkonsum verschoben. Werbetreibende erhoffen sich vor allem, hier Zielgruppen erreichen zu können, die über lineares TV längst nicht mehr angesteuert werden können. Über CTV als Zukunftsmarkt wurde bereits viel gesprochen. Wie sieht es aber aktuell in der Praxis aus? Was sind Chancen und Risiken des Werbekanals? Welche Technologien und Daten kommen dabei zum Einsatz? ADZINE hat bei Experten nachgefragt.
Connected TV wird häufig als der “heilige Gral” der Werbeindustrie verkauft und scheint für Werbetreibende viele Vorteile zu bieten. Doch was sind die tatsächlichen Chancen und Risiken in der Praxis? Tanno Krauß von Freewheel sieht großes Potential darin, “dass CTV das klassische TV als Leitmedium nicht nur ergänzt, sondern beides kontinuierlich miteinander verschmilzt. So paaren sich eine große Reichweite, hohe Kontaktqualität, beziehungsweise Wahrnehmungsqualität von Inhalt und Werbung, mit der bestmöglichen Zielgruppen-Aussteuerung.
Mit dem “neuen” Fernsehen kommen natürlich auch neue Daten- und Messdienstleister auf den Markt. So sieht es Christian Nienaber vom TV-Daten-Spezialisten Adscanner ähnlich wie Tanno Krauß und erklärt, dass CTV die Vorzüge vom Big Screen mit den Vorteilen des digitalen Campaignings verbinden kann. “Lean Back trifft auf Targeting und Personalisierung, Long Form Content auf Frequency Capping und sichere Umfelder”, so der Experte.
Und auch die Fernsehhersteller mischen zunehmend auf dem CTV-Markt mit und werden als Datenlieferanten aktiv. Christian Russ von Samsung Ads, der Media- und Werbesparte von Samsung Electronics, etwa hebt indes die Erosion der linearen TV-Audience hervor. “Grundsätzlich liegt der Vorteil von CTV darin, Zielgruppen zu erreichen, die über lineares TV schlicht nicht mehr oder kaum noch angesprochen werden können.” Im gleichen Atemzug pflichtet Russ Nienaber bei. “Dabei nutzen wir alle bekannten Vorteile des Big Screens, mit dem Zusatz verbesserter Targetingmöglichkeiten.”
Was sind die tatsächlichen Risiken bei CTV?
Das klingt natürlich alles zunächst einmal äußerst vielversprechend. Doch wo Licht ist, ist meistens auch Schatten. So sieht Tanno Krauß etwa ein Risiko darin, dass die TV-Landschaft generell für alle Beteiligten unübersichtlich ist. “Zuschauer finden relevante Inhalte oft nur mit großem Aufwand. Die Fragmentierung des Ökosystems geht zulasten aller Beteiligten: Zuschauer wollen nicht zehn verschiedene Abos abschließen und Werbekunden wollen sich nicht aus diversen CTV-Anbietern etwas zusammensuchen – nicht nur, weil es einen Schleier über die Nettoreichweite legt, sondern auch, weil es noch keinen einheitlichen Tracking-Standard gibt.” Zu den Risiken gehören aktuell also die hohe Anzahl an Anbietern, die eine Buchung verkomplizieren, die unklaren, oftmals proprietären Messverfahren und die fehlende Nettoreichweitenvalidierung. “Hier fehlt es vor allem an Bemühungen aller Player, einheitliche Lösungen zu finden”, meint auch Christian Nienaber. Analog hebt Christian Russ von Samsung Ads die fehlende Vergleichbarkeit mit klassischem TV, das Third-Party-Measurement und die Verifizierung der Metriken hervor.
Technologien und Daten für CTV
In der Praxis steht in erster Linie die Frage im Raum, welche Plattformen heute bei CTV-Buchungen überhaupt involviert sind. “Grundsätzlich sind natürlich der Adserver und bei programmatischen Kampagnen die jeweilige SSP und DSP bei CTV-Buchungen involviert. Je nach Kundenwunsch kommen noch Daten und / oder Tracking-Plattformen dazu”, erklärt Tanno Krauß. Bezüglich der Daten, die fürs Targeting ins Spiel kommen, verweist Krauß auf die Daten der Publisher-Partner. “Verschiedene Targetings, wie zum Beispiel auch Geo-Targeting, kommen so bereits zum Einsatz und können mithilfe externer Datenanbieter mittlerweile auch erweitert und beispielsweise über die E-Mail-Adresse gematcht werden.”
Samsungs Ads greift hierzu auf den eigenen Datenschatz zurück und nutzt neben klassischen Umfeld-Buchungen und demografischen Targetings auch Device-Daten. “Bei Samsung erfolgt dies natürlich nur mit explizitem Consent unserer Nutzer*innen. Da wir inzwischen zehn Millionen Smart-TVs – verteilt auf etwas mehr als jeden fünften deutschen Haushalt – adressieren können, sind diese Daten nie hochgerechnet, sondern 1:1 deterministisch. Natürlich wird auch Geo-Targeting eingesetzt. Es ist sogar möglich, auf Basis der Spracheinstellung zu targeten”, erklärt Russ.
Klassische Umfeldbuchungen scheinen dennoch wichtiger Bestandteil in der Targeting- und Daten-Strategie zu sein. Dabei hat Christian Nienaber vom TV-Daten-Spezialisten Adscanner den Eindruck, dass die Gemengelage im Moment eher unübersichtlich ist. “Neben Agenturen, die beim Thema CTV voll auf klassische Umfeldbuchungen nach etablierten TV-Planungsprozessen setzen, finden sich auch Anbieter, die voll auf programmatische, verhaltensbasierte Bestückung des Contents mit Werbung setzen. Angesichts der schieren Masse der Anbieter und Inhalte wäre eine automatisierte Bebuchung bei validierter Nettoreichweite optimal. Das Targeting sollte daher geräte- und verhaltensbasiert erfolgen.”
Einiges ist in Bewegung
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass CTV in der Werbewelt angekommen ist. Die Chance wird vor allem darin gesehen, Zielgruppen ansprechen zu können, die über lineares TV nicht mehr erreicht werden. Gleichzeitig wird so die Brücke ins Digitale und in die Targeting-Landschaft geschlagen. Als großes Risiko wird hingegen das Thema Fragmentierung und Unübersichtlichkeit angesehen. CTV braucht vor allem standardisierte Buchungs- und Messverfahren, um dem Versprechen des “Heiligen Grals” näherzukommen.
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