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ADTECH

Spannende Zeiten für Adtech: EU-Kommission spricht Beschwerde gegen Google aus

Heiko Staab, 16. Juni 2023
Bild: Rajeshwar Bachu – Unsplash

Am 13. Juni gab die Europäische Kommission bekannt, dass das Kartellamt eine Beschwerde an Google richtet, mit dem Verdacht der Ausnutzung der Vormachtstellung im Adtech-Business. Laut Pressemitteilung wirft die Kommission dem Unternehmen konkret vor, dass es durch die große Abdeckung aller Seiten, sowohl Publisher- als auch Advertiser-Seite, eigene Geschäfte bevorzugt und so die eigene Machtposition ausgenutzt hätte. Als einzige Lösung des Verdachts sieht die Kommission das Abstoßen oder Verkaufen eines der Advertising-Zweige des US-amerikanischen Unternehmens. Ein Kommentar.

Zu den Hintergründen

Die Vorwürfe sind nicht ganz neu. Die Machtposition von Google im Online-Werbemarkt wurde schon seit einigen Jahren infrage gestellt. Die Vereinigten Staaten haben bereits zu Beginn dieses Jahres eine Klage gegen Google in Sachen Adtech angestrengt. Dem Suchmaschinenriesen wurde vorgeworfen, dass sie ihre Position missbrauchten, um sich am Markt der Online-Werbung unrechtmäßig zu bereichern. Google stritt hier jegliches Fehlverhalten ab. Nun folgt die EU-Kommission offenbar diesen Vorwürfen und wirft Google ebenso Fehlverhalten vor.

Inhalt der Vorwürfe

Die Kommission hat vorläufig festgestellt, dass Google mindestens seit 2014 seine dominierende Position ausgenutzt haben soll. Dies sei durch die Bevorzugung seiner eigenen Ad Exchange Adx innerhalb der Bietverfahren auf Werbeplätze, die wiederum von seinem marktbeherrschenden hauseigenen Publisher-Adserver DFP durchgeführt wurden, geschehen. Adx soll hier beispielsweise im Voraus Informationen über den Wert des besten Gebots von Wettbewerbern erhalten haben, um diese zu überbieten und so die Auktion zu gewinnen.

Außerdem wird Google vorgeworfen, die eigene Anzeigenbörse Adx bei der Abgabe von Geboten bevorzugt und so seine Marktposition zur attraktivsten Plattform ausgebaut zu haben.

Deutliche Forderung der Kommission

War die Formulierung der Forderung der EU-Kommission zur Lösung dieser Vorwürfe am Anfang noch etwas vage, spricht sie jetzt am Ende der Pressemitteilung zu der Beschwerde eine ganz klare Handlungsempfehlung aus. Sie selbst stellt fest, dass eine “verhaltensbezogene Abhilfemaßnahme in diesem speziellen Fall wahrscheinlich unwirksam” sei. Aufgrund von Googles Position auf beiden Seiten des Marktes, die der Publisher und Advertiser, sehen sie keine andere Möglichkeit, als dass das Unternehmen einen der Zweige abstößt und seine Tätigkeiten hier einstellt. Eine deutliche Forderung, mit weitreichenden Folgen.

Haltbarkeit der Vorwürfe

Insgesamt ist es als Nichtjurist immer schwer, so etwas komplett einzuschätzen. Aber feststeht, dass sich alle genannten Punkte auf Dinge aus der Vergangenheit beziehen, die Google mittlerweile beseitigt haben soll. Fakt ist aber auch, dass durch das Verhalten Publishern ein Schaden durch mögliche entgangene Umsätze entstanden ist. Aber auch hierzu gibt es bereits rechtliche Schritte. Ich persönlich kann mir daher schwer vorstellen, dass das angedrohte Vorhaben haltbar ist, da es eine rein retrospektive Betrachtung darstellt.

Die Vormacht Googles besteht durch die Nutzung von Daten. Hierzu wurde der EU-Binnenmarkt bereits durch die DSGVO vor fünf Jahren geregelt. Die Spielregeln gelten für alle. Aus meiner Sicht sollte darauf der Fokus in der Betrachtung gelegt werden und bei etwaigem Missbrauch seitens Google natürlich dann auch entsprechend gehandelt werden.

Folgenschwere Entscheidung

Im Sinne des Open Webs halte ich nicht viel davon, Google zu zwingen, Teile der eigenen Adtech abzugeben, auch wenn es für Unternehmen wie uns vielleicht sogar am Ende positive Effekte hätte. Folgen könnten höhere erzielbare Preise sein oder eventuell ja sogar eine Deregulierung des Marktes. Bisher richtet sich gefühlt jedes Gesetz gegen die Marktmacht von Google, betrifft aber am Ende uns alle. Wenn hier diese Macht gebrochen werden könnte, wäre dies vielleicht die Chance, auch andere Themen auf die Tagesordnung zu setzen.

Aus meiner Sicht würde hier aber vor allem der Longtail, also die kleinen Kunden, die Suchmaschinenmarketing betreiben und gegebenenfalls noch die Display-Verlängerung dazu buchen, negativ getroffen werden. Große Kunden beträfe das eher nicht. Und auch wenn es sich um die kleineren Marktteilnehmer handelt, können diese in der Masse einen großen Anteil ausmachen. Schwer vorstellbar, worüber diese Umsätze sonst kommen sollten, wenn nicht mehr über Google.

Eine Abstrafung Googles in diese Richtung hätte also negative Auswirkungen: Zum einen auf kleine Unternehmen zum Vertrieb ihrer Produkte. Zum anderen natürlich auch auf das Open Web, wo diese Umsätze noch immer gebraucht werden. Das sehe ich klar als schwierig und bin der Ansicht, dass die Kommission hier daher etwas über das Ziel hinausschießt.

Insgesamt ist es eine ambitionierte Initiative der EU-Kommission und trifft bei einigen sicher auf fruchtbaren Boden. Auch wenn ich persönlich die Erfolgschancen als gering einschätze, beziehungsweise auch der vorgeschlagenen Lösung kritisch gegenüber stehe, bleibt es in jedem Fall spannend, wie dieser Fall ausgeht. Der Adtech-Branche stehen interessante Zeiten bevor.

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Heiko Staab Über den Autor/die Autorin:

Heiko Staab ist Co-Founder der Traffective-Plattform und strategischer Kopf der Traffective GmbH. Als Director Business Development & Master of Strategy sorgt er für die zukunftsweisende Ausrichtung der Plattform und treibt die Weiterentwicklung der auf hochwertiges Publishing-Inventar spezialisierten Services voran. Mit seiner langjährigen Expertise unterstützt der Techfluencer und Vordenker das Team sowie die Kunden in allen zukunftsweisenden Fragen rund um Programmatic Advertising.

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