1995 war Levi Strauss mit einem Werbespot, der musikalisch untermalt war vom Shaggy mit „Mr. Boombastic“, überaus erfolgreich. Der Musiker erreichte damit seinen internationalen Durchbruch. Wenn man sich den Spot mit den heutigen Augen des Jahres 2023 ansieht, dann kommen vielen Menschen schnell Attribute wie „sexistisch“ oder „toxische Männlichkeit“ in den Sinn. Und im zweiten Gedanken dann – mit etwas Abstand –, dass die Empörungs-Leitplanken, die das gesellschaftlich „Erlaubte“ definieren, gefühlt von Jahr zu Jahr enger werden.
Es gibt Innovations-Sessions, bei denen von zehn Ideen acht aussortiert werden, weil man Angst hat, etwas falsch zu machen. Weil der Respekt, öffentlich in Social Media „zerrissen“ zu werden, zu groß ist…
Keine Wetterdaten für Shitstorms
Doch wer sind die Empörungs-Leitplanken-Bauer? Man sagt immer, im Internet kann man alles messen. Für alles gibt es Daten, KPIs, Metriken. Jeder wirbt mit Reportings. Doch warum gibt es keine – nicht mal rudimentäre – Daten über Shitstorms? ChatGPT4 sagt dazu: „Allerdings ist eine Klassifizierung von Shitstorms schwierig zu etablieren, da Shitstorms oft situationsabhängig sind und eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt werden müssten.“ Na logisch, das ist ja genau die Herausforderung, bei der es mich wundert, warum nicht Dutzende von Bachelor- und Masterarbeiten sich dieser Herausforderung annehmen. Und zwar voller Leidenschaft annehmen, um die Empörungskultur, die so eng mit Social Media verwoben ist, besser zu verstehen, zu erklären und dann darauf aufsetzend Management-Techniken zu entwickeln, die weit über das hinausgehen, was heute als „Umgang mit Shitstorms“ propagiert wird.
Treiben statt treiben lassen
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir lieber das Leben, das eigene Leben, Familie, Freunde, gesellschaftlich wichtige Themen und natürlich auch Business-Themen (an)treiben sollen und uns nicht umgekehrt treiben zu lassen. Getrieben von Intensiv-Usern auf Social Media. Denn wie lange dauern Shitstorms üblicherweise? Drei Tage? Sieben Tage? Vierzehn Tage? Wer erinnert sich – ohne Google oder ChatGPT – an drei Shitstorms aus dem Jahr 2022 oder gar 2021? Eben.
Nicht falsch verstehen. Natürlich steht es jedem zu, die eigenen Gedanken – im Rahmen der geltenden Rechtsordnung – zu äußern. Doch Empörung, zum Beispiel über ein erfolgreiches Start-up, das von dem einen – falschen? – Konzern übernommen wird, hat fast immer eine Lebenserwartung wie die Eintagsfliege am frühen Abend. Oftmals geht es dabei gar nicht um das Ziel einer echten Veränderung, sondern vielmehr nur darum, dem eigenen Ärger Luft zu machen. Als Unternehmen muss man das auch mal aushalten können.
Heutige und zukünftige Brands
Was bedeutet das alles für heutige Brands und – fast noch wichtiger – für zukünftige Brands?
Heutige Brands müssen sich des Risikos bewusst sein, dass sie austauschbarer im Vergleich zum relevanten Wettbewerb werden. Weil eben der Lösungsraum für sie enger wird. Der Raum, in dem sich alle Brands eines Marktsegments bewegen. Welche erfolgreichen Brands gäbe es heute nicht, wären sie im Jahr 2023 gestartet?
Und die vielen spannenden und innovativen Brands, die es noch nicht gibt? Wie viele Potenziale werden nicht ausgeschöpft, weil die Empörungs-Leitplanken bedrohliche nahe an den eigenen Ideen und Visionen zu sein scheinen. Zu sein scheinen – nicht sind.
German Mut statt German Angst!
Wo bleibt der Mut? Der Mut, sich von den Konformitäts-Leitplanken und dem Wind der Empörung nicht zu sehr einengen zu lassen. Der Mut, etwas zuzulassen. Der Mut, etwas auszuprobieren. Der Mut, zu seinen Visionen zu stehen. Der Mut zum Dissens. Der Mut zur respektvollen Auseinandersetzung. All das und noch viel mehr.
Und wenn dann mal Shitstorm-Gegenwind kommt, geht es eben auch darum, den Mut zu besitzen und die Haltung zu zeigen, zu seinen Überzeugungen zu stehen und den Gegenwind nicht nur auszuhalten, sondern sich ihm kraftvoll entgegenzustrecken. Für seine Überzeugungen und die Umsetzung der Visionen einzustehen. Für die Erreichung der gesteckten Ziele.
Ist das alles leicht? Nein, aber das hat auch niemand behauptet.
Macht man dabei Fehler? Ja, und das nicht zu knapp. Denn wie heißt es so schön: „Man muss vom Weg abkommen, um nicht auf der Strecke zu bleiben!“
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