Mit dem wachsenden Interesse der Verbraucher an gestreamten Audioinhalten in Deutschland wächst auch das Interesse der Werbetreibenden, Anzeigen in der Online-Audio-Welt zu platzieren. Doch insbesondere im Programmatic-Kosmos betreten damit viele Neuland. Im Interview beleuchtet Verena Finkeisen, Senior Consultant Programmatic beim größten deutschen Audio-Vermarkter RMS, wie die deutsche Publisher-Landschaft für Online Audio aufgestellt ist, woher die Daten für die Zielgruppenansprache in dem Medium stammen und welche Targetings in der Praxis gebucht werden.
ADZINE: Hallo Verena, wie sieht die Publisher-Landschaft für Online Audio in Deutschland aus? Welches sind hierzulande die Plattformen bzw. Sender mit der größten Reichweite?
Verena Finkeisen: Die Publisher-Landschaft für Online Audio in Deutschland ist vielfältig und fragmentiert, verfügt dabei in Summe über eine beachtliche Reichweite, die von uns mit einem Portfolio aus mehr als 100 Publishern und über 2.400 Streams gebündelt wird. Insgesamt sprechen wir hier von 38 Millionen Unique Listenern werberelevanter Reichweite pro Monat, die wir in einem buchbaren Produkt vereinen.
Zu den reichweitenstärksten Publishern zählen die Angebote von Laut FM, Radio Paloma, Radio NRW, Antenne Bayern und FFH, um nur einige aus den Top 10 zu nennen. In puncto Publisher-Landschaft und Vermarktung gibt es in Deutschland im Grunde nur zwei wirklich große relevante Player im Audio-Bereich: Zum einen uns mit circa 64 Prozent Marktanteil und zum anderen Spotify mit 24 Prozent werberelevanter Reichweite. Die restlichen Marktanteile verteilen sich auf viele kleine Anbieter.
ADZINE: Ein wachsender Bereich eures Digitalgeschäftes ist Programmatic Audio. Wo können die Spots konkret programmatisch eingekauft werden?
Finkeisen: Wir bieten das gesamte verfügbare Audio-Inventar auch über den programmatischen Einkaufsweg an. Das geschieht auf der Audio Only SSP von Adswizz, die an 26 internationale Demand-Side-Plattformen angebunden ist. Die Adswizz SSP ist ein Private Marketplace, der ausschließlich über Direktanbindungen zu den vermarkteten Publishern verfügt. Der Einkauf der Inventare erfolgt dabei entweder über pre-targeted Private Deals oder über Programmatic Guaranteed.
ADZINE: Du hast in deinem Beitrag für uns, der kürzlich erschienen ist, fehlende technische Standardisierung als Herausforderung für Programmatic Audio genannt. Wie kann dies angegangen werden? Was muss in der Praxis geschehen, um die Audio-Landschaft technisch zu vereinheitlichen?
Finkeisen: Wie erwähnt, ist der digitale Audiomarkt in Deutschland fragmentiert. Daher sind Inventare, die nicht von großen Plattformen wie zum Beispiel Spotify kommen, in puncto eingesetzter Tech-Stacks in der Vermarktung aktuell noch eher heterogen. Das ist für einen – im Vergleich zu anderen programmatisch verfügbaren Kanälen – relativ „jungen“ Kanal wie Online Audio auch ganz normal. Die Standardisierung der eingesetzten Technologien so zu gestalten, dass eine homogenere Datenstruktur für die Vermarktung entsteht, ist eine Gestaltungsaufgabe der einzelnen Publisher, welche die programmatische Marktentwicklung beschleunigen und vereinfachen kann.
Darüber hinaus ist es auch auf der Ebene übergeordneter Gremien und Institutionen, wie dem IAB, wichtig, Online Audio zu berücksichtigen. Das scheint nicht selbstverständlich, wie das Beispiel der standardisierten User Consent Abfrage (TCF 2.0) zeigt, die ausschließlich auf Screen-basierten Devices funktioniert. Im Audio-Bereich gibt es jedoch eine steigende Anzahl Screen-loser Devices, zum Beispiel Smart Speaker. Online Audio muss daher als Gattung stärker in diesen Gremien vertreten sein, um auf Besonderheiten aufmerksam zu machen, wenn es um verpflichtende technische Standardisierungen geht, die für den gesamten digitalen Werbemarkt funktionieren sollen.
ADZINE: Trotz der noch fehlenden Standardisierung sind wie in der restlichen Digitalwerbewelt Audience-Targetings möglich – vor allem Cookieless. Dafür kommt eine User-ID ins Spiel, die verschiedene Datenpunkte bündelt. Was sind das für Datenquellen?
Finkeisen: Die Listener ID setzt sich – je nach Endgerät, auf dem der Nutzer gerade Audio hört – aus unterschiedlichen Datenpunkten zusammen. Grundsätzlich basiert sie auf First-Party-Daten des jeweiligen Publishers, der den gehörten Stream zur Verfügung stellt, sowie Device-Informationen, Geo-Daten, kontextuellen Daten und technischen Informationen. Diese werden dann anhand eines komplexen Modelings mit weiteren Daten von renommierten Drittanbietern, wie beispielsweise Emetriq, kombiniert und anhand eines Cross-Device-Graphen weiteren, demselben User zugehörigen Daten zugeordnet.
ADZINE: Magst du ein paar Beispiele für häufig gebuchte Targetings nennen?
Finkeisen: Die Audio DMP verfügt insgesamt über mehr als 120 verschiedene Targeting-Segmente: Von Soziodemographie, über Interessen und Kaufabsichten, bis hin zu audiospezifischen Targetings ist alles dabei. Die am häufigsten verwendeten Targetings sind die Soziodemographie-Klassiker Alter, Geschlecht, Haushaltsnettoeinkommen, Haushaltsführer und die berufliche Situation. Ebenfalls beliebt sind branchenspezifische Targetings wie das Kaufinteresse an Autos und Reisen, oder das audiospezifische Device-Targeting auf Smart Speaker.
ADZINE: Du hast in dem genannten Beitrag auch erklärt, dass sich das gewohnte, DSP-seitige und Cookie-basierte Targeting hin zu SSP-seitigen, Cookie-losen Pre-Targetings verlagert. Wie wird diese Form des Targetings vom Markt angenommen? Hast du Zahlen für uns?
Finkeisen: Das Auslaufmodell Third-Party-Cookie zwingt den gesamten digitalen Werbemarkt zum Umdenken. Noch halten Marktteilnehmer an Cookie-basierten Targeting-Konzepten fest, ganz nach dem Motto: Das hat sich bewährt. Jedoch ohne zu berücksichtigen, dass die dahinterliegenden Profile durch die jetzt schon stark reduzierte Anzahl von Cookies an Genauigkeit verlieren.
Da sich nach wie vor keine marktübergreifende Cookieless-Targeting-Lösung für das Open Internet abzeichnet, werden die Anbieter schon bald alle in irgendeiner Form mit ihren eigenen Daten als Basis für Targetings arbeiten müssen – also mit First-Party-User-Identifiern und entsprechenden Pre-Targetings.
Bei uns hat sich die Frage nach Cookie-basierten Targetings aufgrund der immer schon teilweise Cookie-losen Reichweiten nie gestellt. Wir haben mit Listener-ID-basierten Pre-Targetings eine seit Jahren etablierte Lösung, die dank der hohen Qualität unserer Daten im Markt gut angenommen wird. In Zahlen bedeutet das, dass circa 85 Prozent aller über uns gebuchten Audio-Kampagnen mit mindestens einem, wenn nicht sogar mehreren DMP-Targetings laufen. Kampagnenbegleitende Marktforschungen belegen darüber hinaus, dass Kampagnen mit Targeting deutlich besser performen als generische Kampagnen.
ADZINE: Danke für das Interview, Verena!
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